Was diese Zahl erzählt:

Was diese Zahl erzählt:

Die Archetypen Vier und Sieben und ihre wechselseitige Beziehung

von Michael Stelzner

Wichtiger Hinweis: Der Aufsatz setzt das Wissen um die triadische Flussform der Zahlen voraus.

Inhaltsverzeichnis

1. Die Schlüsselzahlen Vier und die Sieben

Sowohl die Zahl 4 als auch die Zahl 7 finden in den Religionen und den Weisheitslehren dieser Welt eine besondere Beachtung. Man kann sie regelrecht als die Schlüsselzahlen zum Verstehen der Ordnung der Welt verstehen. Warum ist das so und in welcher Beziehung stehen die beiden Zahlen zueinander?

Meiner Antwort stelle ich einen Gedanken voran: Jede Weisheitslehre entwickelt die Antwort darauf aus ihrem eigenen System und deren Bildern. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass es eine universelle und erkennbare Zahlenordnung hinter allen anderen Ordnungssystemen gibt, aus der heraus sich einst alle Wissens- und Weisheitssysteme entwickelt haben, dann muss ich diese Ordnung in deren Bildern wiederfinden und auch die vorgenannte Beziehung der zwei Zahlen mit Hilfe der Zahlenarchetypen erklären können. Der Blick auf eine solche universelle Wissensbasis würde die Chance eröffnen, nicht nur die Gegensätze der Religionen zu überwinden, sondern darüber hinaus auch die Naturwissenschaften und Religionen einander nahe zu bringen.

Der Schlüssel zur Ordnung möglicher Archetypen ist die triadische Flussform der Zahlen (s. Abb. 4). Das Wissen um diese Zahlenordnung und um das Wesen der Zahlen 1 bis 9 setze ich bei den nachfolgenden Erörterungen voraus. Im Wissen um diese Ordnung wenden wir uns zunächst dem Wesen jener Zahl zu, die beim Entstehen jeder nur denkbaren Form die Regie führt und deshalb der Schlüssel des Erkennens ist. Das ist die Zahl Vier. Ihr Wesen habe ich vielerorts unter dem Begriff des Gesetzes „1-4“ vorgestellt. Es beschreibt die konkrete Manifestation der an sich ungreifbaren Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit. Das im wörtlichen Sinn Wunderbare am Wesen der Vier ist ihr Vermögen, das Undenkbare zu vollbringen, nämlich Dinge zu vereinen, welche gemeinhin als unvereinbar gelten – die Einheit und die Zweiheit. Konkret manifestiert die Vier die an sich ungreifbare Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit in der konkreten Substanz.

Die auf der Triade beruhende Flussform der Zahlen zeigt, dass sich aus der „manifestierten Vier“ heraus (1+24) ein neuer Vorgang (4+57), ein neues Dreieck entwickelt – das Dreieck II (4-5-6). Das geschieht analog zum ersten nun aber auf der Ebene der Substanz (4). Auf diese Weise entsteht neben dem Dreieck I (1-2-3) das zu ihm polare Dreieck II (4-5-6). Beide Dreiecke manifestieren aus sich heraus jeweils ein prinzipiell „Viertes“. Die Zahlen 1-2-3 manifestieren die 4 direkt und die Zahlen 4-5-6 manifestieren analog zu ihnen die 7. Was die 4 in Bezug zum I. Dreieck ist, das ist die 7 in Bezug zum II. Dreieck.

Obwohl man das Entstehen der 7 über das Dreieck 4-5-6 erfasst, reicht die Bedeutung ihrer Manifestation über den Bezug zu ihren unmittelbaren Wurzeln 4-5-6 hinaus. Die 7 eröffnet das III. Dreieck und mit ihm eine neue Daseins-Ebene, deren Funktion die Dreiecke I und II übergreift und sie inhaltlich miteinander verbindet. Sie übersteigt somit die Funktionen der 3 und der 6 um ein weiteres und erfüllt so das Prinzip der Drei in höherer Weise. Konkret begründet die 7 das Zusammenwirken von Geist (3) und Substanz (4), denn sie ist nicht nur ein Drittes und Geistiges. Sie ist aus der Perspektive des II. Dreiecks – in dem das Bewusstseins (5) seinen Platz hat – ebenso ein archetypisch Viertes und somit eine konkrete Manifestation (siehe 4-5-67). Insofern zeitigt die 7 für das auf das Ganze schauende Bewusstsein eine bis dahin nicht denkbare Qualität. In der Schau (5) auf die in der 7 stattfindende Verbindung von Geist (I bzw. 3) und Substanz (II bzw. 4) geschieht etwas Bahnbrechendes. Die bis dahin streng voneinander geschiedenen Wesenheiten werden eines!

So wie die Vier einst der Schlüssel zum Erkennen des Wesens der Substanz und ihres Entstehens war, ist die 7 nun der Schlüssel zum Durchschauen der Körper-Geist-Beziehung, welche die Theologie als Körper-Seele-Problem behandelt. Kurzum: Die Sieben ist eine Manifestation (4), die ihrem Wesen nach eine Funktion (III) erfüllt. Sie ist eine geistige Manifestation – eine „Gottheit“.

2. Die Sieben und die Vier in den Pyramiden zu Gizeh

Der mit dem Unberechenbaren und irrational Erscheinendem konfrontierte Mensch sucht einen adäquaten Umgang mit dieser Gottheit. Dazu muss er die allgemeine Ordnung, wie sie die Flussform der Zahlen abbildet, durchschauen und der 7 einen Platz in seinem Dasein geben.

Erst wenn das aufbrechende Bewusstsein das Wesen der 4 durchschaut hat und es in der 7 in seiner höheren Dimension wiederentdeckt, kann es die Spannung zwischen Geist und Substanz auf rechte Weise verstehen und zu seinem Wachstum nutzen. Diese Einsicht lässt sich in den Entwicklungen der Kulturen über Jahrtausende hinweg rückverfolgen. In Zeiten, in denen es noch kein ausgereiftes Schriftsystem gab, bezeugen das Malereien und Sakralbauten. Die alten Ägypter haben die Weisheiten u.a. in ihren Pyramidenbauten festgehalten. Noch nach über 4000 Jahren können wir ihre Botschaft empfangen. So sind die drei großen Pyramiden von Gizeh dreidimensionale, geometrische Gleichnisse. Über ihre Form, ihre Maße und ihre Anordnung wirken sie wie ein in Stein gehauenes Lehrbuch.

Alle drei Pyramiden basieren auf der Vierzahl, dem Quadrat. Was sich aus ihm und seinem Prinzip erhebt, das erlebt das Bewusstsein (5) in drei archetypischen Phasen. Die erste der drei Pyramiden thematisiert das Grundproblem als solches, nämlich die Spannung zwischen dem konkreten Diesseits (4 / Quadrat / Erd-Ebene) und dem sich über diese Ebene erhebenden Bewusstsein (5), das im Nichtbegreifbaren und irrational Erscheinendem alias den Gottheiten gipfelt. Die Pyramide des Cheops verbildlicht in ihren Maßen die offensichtliche Spannung zwischen dem Vollkommenen und dem zugleich unvollkommen Erscheinenden. Die durch sie illustrierten Maßen entsprechen Zahlen, die den „Fehler der Welt“ in der Sprache der Zahlenordnung einfangen. Das sind das die Zahlen 11 und 7. 11 ist die Seitenlänge der Pyramide, mithin das für jedermann nachzumessende Erden-Maß. Wer die Zahl 12 als die Zahl der vollkommenen Ordnung kennt, der sieht in den in der 11 enthaltenen zwei Dimensionen die allgegenwärtige Einheit und Vollkommenheit (1) und er sieht zugleich ihr Zurückbleiben gegenüber der vollkommenen Ordnung, welche durch die 12 symbolisiert wird. (s.a. Aufsatz „7 – 11“).

Den gleichen Inhalt transportiert auch die vertikale Dimension der Pyramide. Sie aber ist abstrakterer Art und bedient sich der einstelligen Sieben. Auch der sich erhebende und von den Archetypen wissende Blick nach oben offenbart eine Differenz. Sie erwächst daraus, dass die bekannte Welt der Dinge und die sie formenden 6 Archetypen überschritten werden. Dieses Überschreiten wird über die 7 begriffen, bleibt aber ungreifbar im physischen Sinn. Die Pyramide des Cheops hatte deshalb offenbar auch nie eine Spitze. Ihre zwei grundsätzlichen Maße, die Seitenlänge und die Höhe demonstrieren ein (Ver)Fehlen. Doch sie demonstrieren es auf polare Weise. Aus der niederen Dimension wird die vollkommene Ganzheit unterschritten und aus der höheren Dimension überschritten. Beide Sichtweisen aber schauen auf ihre Weise auf die Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit, die zu erkennen das Ziel jeder Weisheitslehre ist.

Ist die „Botschaft des Cheops“ einmal empfangen, dann gilt es sie in der konkreten und rationalen Welt der Dinge umzusetzen. Nur wer über dieses Wissen verfügt, der kann in das Geschehen der Welt auf rechte Weise eingreifen. Wie und nach welchen exakten Gesetzen und Formeln das zu geschehen hat, das lehrt die Pyramide des Chefren, die zweite Pyramide. Ihr Grundmuster ist das des Pythagoras (32 + 42 = 52). Die zweite Pyramide „verlängert die Achse“ der ersten und setzt deren Botschaft praktisch um. Auf der Schwelle zur Welt der Zwei und des Zwiespaltes überwacht der Sphinx das Wissen. Wer sein Rätsel nicht zu lösen vermag (s. das Rätsel des Sphinx), der wird vom Zwiespalt und dessen Abgrund verschluckt.

Die Seitenlänge der Pyramide des Chefren ist Sechs. Sechs steht für die Vereinigung der Gegensätze und für die zur Befruchtung führende Funktion und Bewegung. Sie ist das für jedermann nachvollziehbare Prinzip des Lebens –  sein „Grundmaß“. Was in der Erdenperspektive körperlich erscheint, das spiegelt (siehe 7) sich in der Dimension des Geistigen und wird vom Bewusstsein (5) dort manifestiert (4). Das gilt auch umgekehrt und wechselweise. Das einmal im Geist Manifestierte wirkt (3) wieder zurück in die Dimension des konkreten Daseins. Der Manifestation des Geistes folgt eine Vergeistigung der Materie usf.

Cheops verbildlicht das Erheben des Bewusstseins über das Wesen der Sieben. Chefren hingegen zieht aus ihr die Konsequenz und verbildlich das Erheben des Bewusstseins über dessen Manifestationskraft, die Vier. Erst beide aufeinander aufbauende Sichtweisen konstituieren das reife Bewusstsein eines Menschen. Jenes Erheben über die Substanz bedeutet keineswegs, sie zu verleugnen, sondern sie zu durchschreiten.

Abb. 2  Die Pyramide des Cheops erzählt über die fehlende Spitze und der „Höhe 7“ vom ungreifbaren, jenseitigen Göttlichen. Die Pyramide des Chefren baut auf der ersten Botschaft auf und erzählt im Bild des pythagoreischen Konstruktionsdreiecks vom Zusammenwirken von Geist (3), Substanz (4) und Bewusstsein (5).

Bevor ich auf die biblischen Bilder und schließlich auf die geometrischen Gleichnisse und somit naturwissenschaftlich belegbaren Bilder eingehe, möchte ich die Beziehung der Vier und der Sieben wie ich sie schon dargelegt habe, nochmals an komplexen aber einsichtigen Bildern beschreiben. Dazu eigenen sich die Bilder der Weisheitslehren und Orakelsysteme, denn sie folgen den Zahlenarchetypen und ordnen diese über eine jeweils charakteristische Zahl im Kreis an. Das so entstehenden geschlossenen Systeme helfen, die Beziehungen aller seiner Elemente zu betrachten. Beispielhaft möchte ich das hier an der vierten und siebten Karte der großen Arkana des Tarot zeigen. 

Die gegenseitige Wechselwirkung von 4 und 7 stellen die verschiedenen Weisheitslehren in abweichender Reihenfolge vor. Die Botschaft der Pyramiden thematisiert zuerst das Wesen der Sieben und sodann das der Vier. Um deren Zusammenwirken aber zu verstehen, ist es notwendig, die Archetypen zuerst einmal so zu erfassen, wie sie uns in ihrer natürlichen Abfolge, der Abfolge der natürlichen Zahlen begegnen. Das habe eingangs getan. Diese Reihenfolge wählt auch das System des Tarots.  Dessen vierte Karte zeigt die Vier als den Thronsitz der Weisheit und die siebte Karte die auf ihr basierende Dynamik eines höchsten, weil bewusst handelnden Individuums.

3. Die vierte und die siebte Karte des Tarot

3.1 Die vierte Karte

Die vierte Karte ist die des (Be)Herrschers. Sie symbolisiert in der Figur eines gekrönten Monarchen die Welt der manifesten Existenz, kurzum der Welt selbst, die eine Welt der Substanzen ist. Sie ist wie ein König und Herrscher eine gebieterische, alles durchdringende Kraft, die nie und von niemandem infrage zu stellen ist. Sie ist wie das Prinzip der Vier allgegenwärtig. Das Bild des (Be)Herrschers der Welt verkörpert die massivste Erscheinung im ganzen Tarot. Es symbolisiert die unwidersprochene Existenz der Substanz an sich. Oft sitzt der Herrscher auf einem kubischen Stein, dem dreidimensionalen Quadrat. In diesem Tarot steht anstelle des Steins die Form eines mächtigen, rechteckigen Thrones. Die vierte Karte lässt keinen Zweifel daran, dass es der Herrscher ist, der die Gesetze erlässt und für dessen bedingungslose Umsetzung sorgt. Doch das Gesetz der Gesetze, das Grundgesetz ist er dank seiner Konstitution selbst. Die erhält er aus seinem Vermögen, das scheinbar Unvereinbare zusammenzuhalten, denn er vereint den ersten aller Gegensätze, den Gegensatz von Einheit und Zweiheit. In seiner linken Hand hält er ein Zepter, das Symbol der Macht. Es legitimiert ihn, Gewalt auszuüben und das Prinzip der Differenzierung und Zweiheit zur Anwendung zu bringen. In seiner rechten hält er eine Kugel, das Symbol der Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit. Die Einheit der Gegensätze krönt ihn. Die 12 Teile seiner Krone verbinden in einer zweitstelligen Zahl die Zwei und die Eins. 12 ist deshalb bekanntermaßen die Zahl der Ordnung. Aus ihr heraus gebietet der wahre Herrscher. Diese, die Einheit spiegelnde Urordnung ist ewig. Sie hat aus der Sicht der profanen Welt heraus einen „langen Bart“. 

Abb. 3  Die vierte Karte des Tarots bebildert das Wesen der Vier als den Thronsitz der Weisheit.

3.2 Die siebte Karte

Die siebte Karte ist die des (Wagen)Lenkers. Im Gegensatz zur 4. Karte signalisiert die 7. Karte nicht Statik, sondern eine gewaltige Dynamik (s. Dreieck III). Trotz der Unterscheidung enthält sie alle Elemente der vierten Karte und verwirklicht darin das von der Vier ins Bild gesetzte Erhaltungsprinzip. Der Lenker ist ein aufrechtstehender Prinz. Seine Aufrichtigkeit (s. rechter Winkel) entstammt der ihr vorangehenden Vier, aus der er sich erhebt. Sie trägt er als Quadrat auf seiner Brust. Wie die Vier identifiziert sich der sein Schicksal lenkende Prinz mit den Gesetzen der Polarität, die er analog der salomonischen Säulen Boas und Jakim auf seinen Schultern trägt. Der Prinz wird über die Zeit hinweg der neue (Be)Herrscher. Als Wagenlenker steht er nicht nur über der Welt, sondern beherrscht deren Dynamik und hält ihre gewaltigen, polaren und auseinandertriftenden Kräfte in Form des Gespanns zweier Sphingen zusammen. Der Prinz ergreift Partei unter der Regie der Einheit und Ganzheit. Das signalisiert der Stern auf seinem Haupt. Im Dienst der Einheit stehend bindet er die Erdenkräfte. Sein Wirken ist kein willkürliches. Es wirkt auch nicht in profaner Weise nach unten. Vielmehr schließt sein Wirken die Welt nach oben ab und macht sie zu einem in sich abgeschlossenen System. Das stellt die in der Welt lebenden Subjekte in ihre Verantwortung. Dass die Welt in sich abgeschlossen und eigenverantwortlich ist, soll der sich über dem Wagenlenker befindende Baldachin symbolisieren. Wenn weder der profane Zufall noch Willkür nunmehr die Welt beherrschen, dann wird die Sieben zum Überwinder jeder Knechtschaft und zum Schlüssel der Befreiung. Der eigenen Fesseln entledigt, fesselt der Wagenlenker die Polaritäten der Welt. Das verbindende Glied zwischen dem kubisch geformten Weltenwagen und dem lenkenden Individuum ist ein Symbol, das einem Kreisel ähnelt und die Form des indischen Lingams verkörpert. Der Lingam steht in der östlichen Tradition für die ewige Fruchtbarkeit aller Dynamiken.

Abb. 4 Die siebte Karte baut auf ihm auf und zeigt eine gewaltige Dynamik, die vom höchsten, weil bewusst handelnden Subjekt gelenkt wird.

4. Der vierte und der siebte Tag in der biblischen Genesis

Die Tora enthält in ihrem ersten Buch, die Genesis zwei einander folgende und aufeinander aufbauende Schöpfungserzählung. Die erste legt den Grundstein für das tiefere Verstehen aller biblischen Texte, denn sie bringt dem Leser die Zahlenarchetypen Eins bis Sieben in der Erzählung von sieben Tagen in einer erstaunlichen Detailbeschreibung nahe. Die in der sogenannten ersten Genesis enthaltenen Botschaften bleiben für alle Erzählungen verbindlich und werden in der Vielzahl in einer den Fraktalen ähnlichen Struktur entfaltet. Hier soll es jedoch im Wissen um das Wesen der Archetypen nur darum gehen, die Verbindung des vierten Archetyps mit dem siebten zu erhellen.

Am 4. Tag der Schöpfung wird mit dem „großen und dem kleinen Licht“, alias Sonne und Mond die Zeit geboren. Er ist der Tag, an dem die konkrete Physis in ihrer Raum- und Zeitstruktur in Erscheinung tritt. Ab nun beherrscht die Zeit jedes Geschehen.

Die drei jener dreidimensionalen Manifestation vorangehenden Tage informieren den Leser indessen von der Voraussetzung der Manifestation. Es ist die universell wirkende Triade. Aus ihr heraus entsteht am 4. Schöpfungstag die Physis und am 5. Schöpfungstag das Leben mit seinem abgestuften Bewusstseinsgraden. Der vierte Tag bildet aus mehrfacher Perspektive das Zentrum der siebengliedrigen Schöpfungserzählung.

Im Entstehen der konkreten Erscheinungen verbirgt sich das Mysterium aller Schöpfung. Durchschaut man es, dann hält man auch den Schlüssel für das Entstehen alles Lebendigen und des Bewusstseins in den Händen. Jede Höherentwicklung wiederholt das eine und einzige Urprinzip in einer neuen Dimension. Alle Existenzen verweisen jeweils auf ihre Weise auf die in der Vier verborgene Schöpfungsformel und die sie begründende Drei-Einheit. Obwohl alle Fortentwicklungen triadischer Natur sind, werden sie aus den unterschiedlichen Dimensionen des Bewusstseins und den mit ihnen einhergehenden Beschränkungen als unterschiedlich linear empfunden. Die erste Schöpfungserzählung greift jene vermeintliche Linearität auf und stellt sie in der Erzählung von sieben einander folgenden Tagen vor. Ihr Hintereinander erfüllt unser Streben nach Plausibilität. Erst wenn wir die Ordnung in ihrer Folgerichtigkeit und Sukzessivität begreifen, entsteht in uns ein Bild der Ganzheit. Das leistet die Sieben. Sie stellt die verloren geglaubte Ganzheit wieder her. Durch sie bildet sich die inhaltliche Mitte, welche die Vier ist, auch in der Linearität als Mitte ab (123-4-567). Die Vierzahl und Mitte steht zwischen der prinzipiellen Triade und den zukünftigen drei Bewusstseinsebenen Tier, Mensch und Gottheit.

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Die prinzipielle Triade Die Triade des Bewusstseins:

  Tier, Mensch und Gottheit

Ohne auf die einzelnen Schöpfungstage und ihre Bewusstseinsabstufungen eingehen zu müssen, macht die Struktur der 7 Tage deutlich, dass es gerade die Siebenzahl ist, welche die Vier zum Zentrum erhebt, die ihrerseits das eigentliche Mysterium der Schöpfung verbirgt.

Die siebengliedrige Struktur der ersten Schöpfungserzählung verrät über die von ihr visualisierte Mitte und Vier einerseits die Bedeutung der Vier und andererseits die Funktion der Sieben, die das sichtbar macht. Indem die Sieben die Vier und das durch sie stattfindende „Wunder“ der Allgegenwart der Einheit sichtbar macht, wird sie zum Befreier. Sie entreißt dem Zufall die Willkür. Deutlich wird das durch den siebten Tag der Genesis. Es ist der Tag der Gottheit, an dem die Gottheit aber zugleich im Anblick der Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit „aufhört“! Die Botschaft könnte nicht gewaltiger sein. Sie besteht im „Aufhören“ alias „Beenden“ unter dem Baldachin des „Vollendens“. Alles Dasein wird wie das Sein an sich „heilig“ im Sinne von heil und ganz. Dass macht die Sieben. Dass sie das Prinzip einer Funktion (s. III) erfüllt, das betont der Text des siebten Tages noch einmal, indem er als letztes Wort das Verb „tun“ wie einen Schlusspunkt setzt.

5. Die Geometrien der Zahlen Vier und Sieben

Wenn die Wesen der Zahlen Vier und Sieben Universalien sind, dann finden wir sie auch in der unbestechlichen Geometrie. Auch dort werden wir ihre im eigentlichen Wortsinn „eindeutige“ Beziehung auf eindeutige Weise wiederfinden. Um das zu zeigen bedienen wir uns der triadischen Perspektive auf die Zahlen, die wir auf dreierlei Weisen illustrieren werden. Die erste ist die oft genannte und inzwischen bekannte Flussform der Zahlen, bei der die dem Zahlenstrahl abbildenden Zahlen in der Form wachsender Dreiecke abgetragen werden. Die zweite Illustration bedient sich der Flächenform gleichseitiger Dreiecke, die um die zentrale Einheit herum in wachsender Form angeordnet werden. Die dritte Darstellung wird die Beziehung von Sieben und Vier unter dem Aspekt der allgegenwärtigen Ganzheit in Form des Einheitskreises und der durch ihn umfassten Formen illustrieren.

5.1 Die Sieben und die Vier in der Flussform der Zahlen

Die Wesen der Sieben und der Vier erschließen sich über die gleiche Art der Schau, denn sie berichten beide über das Geheimnis des Heiligen im Sinne eines allumfassenden Ganzen. Die 7 ist das Ergebnis des Dreiecks II, vergleichbar mit der 4, welche das Ergebnis des Dreiecks I war. Die 7 verkörpert deren höhere Dimension. Wie die 4 ist sie ein Produkt aus zwei sich ursprünglich widersprechenden Elternteilen. Dank des sich erhebenden 3. bzw. 6. Archetyps werden die Elternteile ohne Widerspruch miteinander verschmolzen und liegen danach als Neues, Konkretes in einer höheren Daseinsebene vor. Beide Archetypen, die Substanz (4) und das un(be)greifbare Jenseits (7) verkörpern aus der Sicht der Elternteile ein Höheres und Vollkommenes. Die Elternteile der Vier waren 1 und 2, die der Sieben 4 und 5. Aus ihnen gehen die zueinander konträren Dreiecke I und II hervor, deren Polarität ihrerseits nach einem verbindenden Dritten (III) verlangt. Mit anderen Worten. Das triadische Prinzip verbirgt die in allem Anfang enthaltene Einheit und Ganzheit, entfaltet sich über die Vier und wird schliesslich in der Sieben zum Scheitel des Denkbaren und des Bewusstseins.

Abb. 5  Die Vier manifestiert aus der Triade 1-2-3 die Substanz (4). Nach ihrem Vorbild manifestiert die Sieben aus dem substantiellen Dasein der Triade 4-5-6 eine geistige Existenz. Die Sieben verbindet als der Beginn ein Dritten (III) zugleich die zwei Triaden I und II.

5.2 Die Sieben und die Vier in Form zentral wachsender Dreieck-Flächen

Die zuvor entwickelte, triadische Flussform der Zahlen ist ein nach oben offenes System, bei dem immer neue und größere Dreiecke entstehen. Zentrum und Mitte des jeweils betrachteten, größeren Gesamtgebildes wachsen dabei mit und verschieben sich entsprechend der zunehmenden Anzahl der Dreiecke. Obwohl man durch dieses Muster in besonderer Weise die Beziehungen der Zahlen zueinander verstehen lernt, wie ich das am Beispiel der Verwandtschaft von 4 und 7 gezeigt habe, hat die Illustration einen Mangel. Die immer neu entstehenden und wachsenden Mittelpunkte lassen leicht vergessen, dass das Zentrum aller neu entstehenden Unterzentren die am Anfang stehende Eins ist. Sie führt die Regie über alle Entwicklungen hinweg. Um diesen bildlichen Mangel zu korrigieren, kann man die Höherentwicklung der Dreiecke auch, wie in Abb. 5 geschehen, zentral gestalten. Das Zentrum ist hier das aufrechtstehende Ur-Dreieck als Abbild der Drei-Einheit. Von ihm aus kann man ein stets größeres Dreieck mit linear anwachsenden Seitenzahlen (Dreiecken) konstruieren. Dabei erkennt man musterhaft die schon vorher auf andere Weise beschriebenen Verwandtschaften von Eins, Vier und Sieben. 

Obwohl man gleichseitige Dreiecke mit jeder Seitenlänge entwickeln kann, zeichnen sich die Dreiecke 1, 4 und 7 durch ihr sichtbar einheitliches Zentrum aus. In ihrer Mitte befindet sich das aufrechte Urdreieck. Das vierte Dreieck ist das Dreieck der Manifestation. Erinnern wir uns daran, dass es das Wesen der Vierzahl war, das uns den Ursprung aller Dinge in Form einer Urformel sichtbar gemacht hat. Jetzt tritt diese Formel im siebten Dreieck in neuer Weise in Erscheinung, und umfasst mit der Zahl Sieben auch das Andere, Jenseitige und scheinbar Irrationale, das rationale Wesen immer wieder als bedrohend wahrnehmen.

Die Wahrnehmung der Sieben verändert sich mit dem Rückbezug zum Dreieck 4. Mit dem neuerlichen Hervortreten des Urdreiecks kann der Archetyp Sieben nun nicht mehr allein das irrational Andere im Sinne von Willkür sein. Der Erkenntnis über das wahre Wesen der Vier fügt sich nun die Erkenntnis über das Wesen der Sieben hinzu. Diese beiden Entdeckungen umfassen sowohl das Diesseitige als auch das Jenseitige und sind das Ziel menschlichen Erkennens. Was in der „Ganzheitsformel Vier“ noch abstrakt daherkommt, das umfasst nun auch das konkret schauende Subjekt Mensch (5) selbst. Die einst numinos wirkende Sieben offenbart über ihren Bezug zum Dreieck 4 ihre Manifestationskraft und deren Ziel – das Erstellen von Einheit und Ganzheit. 

Abb. 6  Das Dreiecke 7 und 4 lassen ihre besondere, „einheitliche“ Beziehung zueinander über ihre gleichen zentralen Muster erkennen. Sie manifestieren beide in ihrem Zentrum das Urdreieck und somit die Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit. (Hinweis: Die Botschaft der anderen Dreiecke finden sich im Aufsatz „Die Dreiecke und die Dreieckzahlen“.)

5.3 Vier (Quadrat) und Sieben (Zentrum) und ihre geometrischen Beziehungen

Neben der Flussform der Zahlen und der wachsenden Dreieck-Flächen kann man auch wie in Abb. KreisQuadrat geschehen, die unterschiedlichen geometrischen Grundformen Kreis, Dreieck und Quadrat in Beziehung bringen und darin die Beziehung der Archetypen 4 und 7 untersuchen. Der Einheitskreis (r = 1) ist das Symbol für die alles umschließende Einheit und Ganzheit. Das vollkommene Sein umschließt das konkrete Dasein. Sein Symbol ist das Quadrat. Es bildet in umgekehrter Sichtweise die Einheit ab. Die Beziehung vom allgemeinen, vollkommenen Sein und dem von der Polarität hervorgebrachten, konkreten Dasein kennen wir als das an anderen Stellen immer wieder genannte „Gesetz der Vier“. Es ist die Formel aller Formeln, die uns das Erscheinen der Form an sich beschreibt. In ihrer hier vorliegenden geometrischen Darstellung verbildlicht sie, wie der Archetyp der Eins den Archetyp der Zwei hervorbringt und dadurch eine neue Dimension, die „Dimension der Existenz“ erschafft. Sie bildet auf „abweichende Weise“ die Einheit und Ganzheit ab. Der Radius des Einheitskreises (1) und die Fläche des von ihm eingeschlossenen Quadrats (2) lassen die wahre Beziehung von Archetypen und Dimensionen erkennen. Die über die Archetypen sichtbar werdende Spannung ist keine willkürliche. Sie ist auf die Einheit gerichtet und dient ihr. Darin besteht ihre Fruchtbarkeit. Wenn wir ihre Herkunft und Wirkung nicht kennen, lässt uns das „verzweifeln“. Wir kennen diese Urspannung unter der Bezeichnung der „Quadratur des Kreises“. Die in ihr zum Ausdruck kommende Beziehung (1:2) übersteigt die konkrete Existenz und ihre linearlogisch begriffenen Formalien. Es ist eine auf eine Frucht zielende Urspannung, die nicht exakt rechenbar und nicht mathematisch greifbar ist, wohl aber begreifbar.

Das geometrische Gleichnis der Abb. 6 berichtet nicht nur von der wahren Beziehung zwischen Sein und Dasein. In seiner Tiefe erfahren wir auch Wesentliches über die Fruchtbarkeit und Funktion, die aus der Einheit (Einheitskreis) hervorgeht. Es ist das Lebensprinzip Sechs / Sex (Hexagramm), das alles Lebendige ergreift. Es bricht nicht an der Grenze der Welt ab, sondern erfasst auch das die Welt tangierende Jenseitige und irrational Erscheinende. Die sechs im Kreis angeordneten Kreise bilden einen neuen und siebten Kreis in ihrer Mitte, der ein Abbild des alles umfassenden Einheitskreises ist. 

Die Abb. KreisQuadrat stellt die Welt, das manifestierte Dasein (4 / Quadrat) in seiner zweifachen Beziehung vor. Die eine ist die Beziehung zur alles umschließenden und hervorbringenden Einheit (1). Die andere ist die Beziehung zum Jenseitigen (7), das die Welt tangiert und ihr „zufällt“ (7). In Wirklichkeit ist das aber eine Folge des sie erfüllenden Lebens- und Funktionsprinzip (6). Das konkrete Dasein existiert zwischen diesen zwei Begrenzungen. Das geometrische Gleichnis bildet somit die Beziehung 1 – 4 – 7 ab.

Abb. 7  Der Einheitskreis (r = 1) umschließt das konkrete Dasein (4) in Form des Quadrats der Fläche 2. Das gilt auch für dessen Funktionsprinzip, die Sechs/Sex, aus dem heraus sich seinerseits die Sieben „manifestiert“. Die natürlichen Grenzen des Daseins (4) sind demnach sein Spiegel (7) sowie die Ganzheit des Seins (1).

6. Natürliche Phänomene von Vier und Sieben

Die Zahl Vier und die Zahl Sieben verbindet vor allem ihre Manifestationskraft bezüglich der Einheit und Ganzheit, um die es endlich immer geht. Aus solcher Perspektive erweitert die Sieben das Wesen der Vier. Das zeigen eindrucksvoll die Phänomene des Vier- bzw. Sieben-Farben-Satzes. Der sogenannte Vier-Farben-Satz besagt, dass vier Farben immer ausreichen, eine beliebige zweidimensionale Landkarte in der Ebene so einzufärben, dass keine zwei angrenzenden Länder die gleiche Farbe bekommen. Der Sieben-Farben-Satz berichtet vom gleichen Sachverhalt. Nur überträgt er das Phänomen auf den dreidimensionalen Torus. Analog reichen sieben Farben aus, um jede Karte, die auf einen Torus aufgemalt ist, einzufärben.

7. Vier und Sieben und ihre Konsequenzen für das heranreifende Bewusstsein

Was die Zahl Vier an Erkenntnis liefert, das erhält in der Sieben eine Bewusstseinsdimension. In der Sieben wird das Bewusstsein unmittelbar angesprochen. Sobald es mit dem irrational und willkürlich Erscheinendem konfrontiert wird, muss es auf das ihm Zufallende antworten. Die Antwort auf die Sieben „scheidet die Geister“. Wird der Erkenntnisprozess von der Vier zur Sieben vom Bewusstsein noch nicht vollzogen oder gar bewusst verweigert, tritt er als Schatten über das Spiegelprinzip hervor. Um diesen Umstand ranken sich zahlreiche Mythen und Legenden (siehe die Legende der „Bloody Mary“).

Fußnoten

¹ Und-sie-wurden-vollendet die-Himmel () und-die-Erde () und-all ihr-Dienst (↑↓).

=  4 hebräische Wörter

Und-es-hatte-vollendet Gott an-d.-Tag, dem-siebten sein-Werk, das er-hatte-gemacht.

=  7 hebräische Wörter

Der siebte Tag der Schöpfungserzählung besteht aus insgesamt 5 hebräischen Sätzen. Er spricht damit das Individuum (5) an. Sowohl der ersten als auch der zweite Satz verwendet das Verb „vollenden“ (Gen 2:1f). Das bezeugt die prinzipielle Vollkommenheit des Ersten wie des Zweiten. Darüber hinaus zeigt der siebte Tag durch die Anzahl der Wörter der beiden Sätze, wie sich die Polarität von Einheit und Zweiheit als konkretes Phänomen äußert. Der aus 4 hebräischen Wörtern bestehende erste Satz setzt über die Vierzahl die an der Vollkommenheit ausgerichtete Existenz aller konkreten Erscheinungen ins Bild. In ihnen erlebt der Mensch den Gegensatz von Himmel (1 / ) und Erde (2 / ) und die aus ihm erwachsende Funktion (3 / ↑↓). Der zweite Satz fügt jenem diesseitigen, rationalen Erleben das irrational erscheinende Jenseitige hinzu. Seine sieben Wörter drücken ebenfalls die Vollkommenheit aus. Sein letztes und siebtes Wort entspricht nicht nur in besonderer Weise dem Jenseitigen, sondern hebt im „er-hatte-gemacht“ das bewusste Tun der Gottheit hervor. Es entreißt die Siebenzahl dem Zufall und der Willkür.

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