Was diese Zahl erzählt:

Was diese Zahl erzählt:

Was wirklich zählt oder warum die Zahlen zählen ...

Diese Frage beantwortet sich aus dem, was wir den Logos nennen und der zeigt sich uns durch ein vierfach Gegebenes: 

((1)) Sein ist Ordnung: 

        Alles was ist, ist ein Ausdruck von Ordnung. Ohne Ordnung kann nichts sein. 

((2)) Ordnung ist Zahl: 

        Geordnet wird stets durch die Zahl und die Ordnung an sich erscheint erst durch die

        Existenz von Zahlen. Ordnung und Zahl sind untrennbar miteinander verbunden.

        Sie sind Ausdruck ein und desselben Seins.

((3)) Ordnung und Zahl bedeuten Beziehung: 

     Da alles Ordnung und Zahl ist, besteht alles primär aus Beziehungen und nicht aus Dingen.

((4)) Die Zahl manifestiert die ordentliche, verbindliche Beziehung zur Einheit und Ganzheit.

        Diese Eigenschaft ist es, welche die Zahl zur Universalie macht.

Die nachfolgenden Ausführungen versuchen, die vier genannten Einsichten aus den verschiedenen Perspektiven zu erhellen.

Inhaltsverzeichnis

1.0 Sein und Ordnung

Das Sein an sich ist abstrakt und nicht greifbar. Es kann nur durch ein So-Sein in einer Disposition (Beschaffenheit) und Anordnung in Erscheinung treten. Mit anderen Worten: Was angeordnet ist, lässt Ordnung aufscheinen. 

2.0 Ordnung ist Zahl

Ordnung ist eine zielführende Abfolge von mindestens zwei Elementen. So ist die einfachste Ordnung die Verknüpfung der zwei Elemente, die zusammen ein Ganzes und Drittes darstellen. Die Vorstellung von Ordnung basiert demnach immer auf dem Zusammenwirken von drei Elementen. Die Trias bzw. deren geometrisches Symbol das Dreieck, ist demnach der Urtyp von Ordnung.

2.1. Das Phänomen „Zählen“

Zählen ist ein Zuordnungsprozess. Das Erstaunliche an ihm ist, dass er direkt funktioniert. 

„ …  wenn ein denkendes Geschöpf von ihnen [den Zahlen] erfährt, kann sich dieses Geschöpf gar kein anderes Zählen vorstellen als jenes, das wir kennen.“ 

Wenn wir fragen, weshalb uns die Zahlen mit solcher Gewissheit vertraut sind, dann gehen wir vielleicht davon aus, dass die Zahl und das Zählen (nur) Produkte des menschlichen Geistes sind. Das aber ist nicht so. Tierversuche zeigen, dass auch Tiere zählen und sogar rechnen können. Unsere Vertrautheit mit der Zahl ist vielmehr Ausdruck eines Durchdrungenseins aller Existenzen von einer Ordnung, die sich in ihrer reinsten Form in der Ordnung der Zahlen niederschlägt. 

Ordnung ist per se Zahlenordnung. Erst durch die Zahl wird Ordnung sichtbar. Alles was wir als Ordnung wahrnehmen, – und dazu gehören der Mikrokosmos, der Makrokosmos, sowie alles Leben – wird durch die Zahl gebildet. Alle Natur ist von der Zahl durchdrungen und ist durch sie. Das überzeugendste Argument dafür ist die Quantelung aller Natur. Die Quantelung besagt: Die Welt, der wir scheinbar objektiv begegnen, tritt uns immer „abgezählt“ entgegen, also in ganzen Zahlen.

2.2. Die Quantelung aller Natur

2.2.1 Raum, Zeit, und Energie sind gequantelt

Die physikalische Welt, wie wir sie seit Isaac Newton kennen, ist eingebettet in Zeit und Raum. Sie läuft kontinuierlich ab und kennt keine Sprünge. Wir sind gewöhnt, die Welt linear zu sehen. Sie gleicht dem fortlaufenden Zahlenstrahl und dem Verständnis von einer nur zählenden Zahl. Die lineare Vorstellung führt zur Vorstellung einer unendlichen Zahlenreihe.

Solche Vorstellung verkennt die Qualität eines Ganzen und ersetzt diese durch die Vorstellung eines linearen, nichtendenden Kontinuums. Beherrscht uns das Bild der Unendlichkeit erst einmal, dann übertragen wir es nahezu unbemerkt auch auf alle Teile des Ganzen. So nehmen wir an, dass sich jeder Raum zwischen zwei Zahlen, ebenso wie die unendliche Zahlenreihe selbst, in unendliche Teile gliedert. Der tägliche und praktische Umgang mit gebrochenen Zahlen, wie beispielsweise den unendlich vielen Zahlen hinter dem Komma, bestärken unseren Glauben, die richtige Sicht entwickelt zu haben. Das täuscht eine Exaktheit und damit Sicherheit vor, die so in letzter Konsequenz nicht vorhanden sind. Die allbekannten Beispiele von der immer genaueren Vermessung einer Küstenlinie oder die Umfangberechnung der sogenannten Kochinseln führt uns das vor Augen. In Wirklichkeit führt uns die scheinbar zunehmende Exaktheit zu einem immer größeren Fehler. Am Ende steht sogar die völlige Unbestimmtheit. Die lineare Sichtweise ist unvollständig. Sie blendet das Ganze und die mit ihm notwendig vorhandenen Qualitäten aus.

Unsere Vorstellung, die Welt wäre eine lineare, täuscht also. Vielmehr atmen Entwicklung und Wirklichkeit durch den Bruch. Es war nur eine Frage der Zeit, bis diese lineare Sicht auf die Welt gebrochen wurde. Der Bruch trat ein, als Max Planck zur Überraschung aller Physiker nachwies, dass Energie nicht kontinuierlich, sondern in kleinen Paketen, den so genannten „Quanten“ (Plancksches Wirkungsquantum) abgegeben wird. Das war die Geburtsstunde der Quantenphysik. Seit der Entdeckung des Quantenuniversums werden unsere Vorstellungen von Raum und Zeit auf vielfache Weise verletzt, und wir werden mit Wirkungen konfrontiert für die man keine Ursachen mehr in Raum und Zeit angeben kann. 

Das Dramatische, ja regelrecht Tragische daran aber ist die Vehemenz und Unwiderruflichkeit des Erkannten. Wir wissen nämlich, dass der entdeckte Bruch wesenhaft für unsere Wirklichkeit ist und nicht mehr nur auf eine ungenügende Messgenauigkeit zurückgeführt werden kann. Brüche schaffen Wirklichkeiten. Die neue Wirklichkeit der Quantenwelt fordert eine neue Denkweise mit einem neuen Zahlenverständnis in dem die Zahlen selbst eigene Wirklichkeiten sind. 

Zwischen den Zahlen befinden sich urtypische Brüche, welche die Zahlen zu dem machen, was sie von Natur aus sind, nämlich eigenständige Qualitäten im Sinne von Archetypen. Als solche sind sie wesenhaft. Sie haften allem Sein und allen Naturen an, auch Raum, Zeit und Energie. Wie die Zahlen sind sie gequantelt. Sie kommen nur in wohl definierten Portionen vor und nicht etwa in beliebigen Größen. Es gibt eine kleinste Zeit, einen kleinsten Raum sowie eine kleinste Energieeinheit. Unterhalb dieser Mindestgrößen verliert die Physik ihren Sinn. Mit anderen Worten: Wenn es ein halbes oder irgendwie geteiltes Quantum nicht geben kann und alle Pakete nur ganzzahlig sein können, dann kommen notwendigerweise all die Größen, mit denen wir unseren Kosmos beschreiben, zwingend in Verbindung mit ganzen Zahlen vor! 

Die durch M. Planck und A. Einstein begründete neue Physik hat Raum, Zeit und unsere bisherige lineare Vorstellung von Kausalitäten relativiert. Wir aber suchen nach letzten, nicht mehr zu hintergehenden Entitäten. Wir suchen nach einer neuen Theorie über die Welt.

Dabei ist klar: Wenn Raum, Zeit und unsere Vorstellung von Kausalität relativiert sind, bleibt bei der Suche nach der Urordnung nur noch eine Theorie übrig, welche vor die Existenz dieser Werte zurückgeht. Das geistige Auge führt unmittelbar zu den Zahlen. Das körperliche, das die Dinge analysierende Auge, führt zunächst auf die atomare und subatomare Ebene und von dort dann ebenso zu den Zahlen. 

2.2.2 Quantensprünge der Elektronen

James Rutherford verschaffte uns mit seinem Atommodell einen ersten Einblick in den Mikrokosmos und seine atomaren und subatomaren Strukturen. Als Niels Bohr sich mit dem Rutherfordschen Atommodell genauer beschäftigte, kam es dann – im wahrsten Sinn des Wortes – zu bahnbrechenden Erkenntnissen. Seit dieser Zeit haben wir Kenntnis von den sogenannten Quantensprüngen, den sprunghaften Übergängen der Elektronen von einer Energieebene („Bahnen“) auf eine andere. Wir wissen jetzt, dass die Elektronen nur auf diskreten, d.h. bestimmten, fest definierten Bahnen um den Kern kreisen. Zwischen den von uns in Bezug auf Zeit und Raum registrierbaren Zuständen gibt es keinerlei Zwischenzustände. Die Übergänge beanspruchen nicht einmal Zeit, sondern erfolgen unverzüglich. Die jeweiligen Quantenzustände verkörpern eine Gegenwärtigkeit, die auf eine Existenz vor Zeit und Raum hinweist, also ganz grundsätzlicher Art ist und nur in unsere Welt hineinwirkt. 

Die Elektronen strahlen während ihrer stabilen Zustände („Bahnen“) keinerlei Energie ab und erleiden keinerlei Energieverlust. Nur unter dieser eigenartigen Bedingung, können sie die besagten Zustände halten und „verkörpern“. Eine Energieabstrahlung erfolgt lediglich, sobald ein Elektron von einem diskreten Zustand zu einem anderen diskreten Zustand wechselt. In unserer mechanistischen Vorstellung springt es von einer äußeren auf eine inneren Bahn.

Der Mikrokosmos führt uns über das Bohrsche Atommodell  und die Quantenzustände vor Augen, dass die Welt keineswegs allein durch Kontinuität zu erfassen ist, sondern dass vielmehr hinter jeder von uns wahrgenommenen Linearität jeweils deutlich von einander getrennte, eben diskrete, Qualitäten stehen, aus denen heraus unsere Welt erst in Erscheinung tritt. 

Die nach dem Bohrschen Atommodell aufkommende Quantenphysik führte über die Quantenmechanischen Atommodelle hin zu anderen „konkreten und doch wiederum so gar nicht konkreten Elementarteilchen“. Wir begegnen elementar abgegrenzten, konkreten Dingen, deren Haupteigenschaft ihre „Nicht-Dinglichkeit“ ist. Diese elementaren „Dinge“ in ihrer Existenz zu verstehen, das ist die große Herausforderung. Da nun jedes Ding von uns zwangsläufig in Zeit und Raum erfasst wird, und es bereits durch unsere festlegende Beobachtung und Bezeichnung einer Manifestation unterworfen ist, haben all die „Elementarteilchen“ eine Masse. Nur eine Art von „Teilchen“ machen dabei eine Ausnahme, die Lichtteilchen (Photonen). 

Ausgerechnet jene so genannten Teilchen, welche von allem Teilhaftigem am ehesten die hinter allem stehende Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit „verkörpern“ und deshalb zugleich die denkbar größte Distanz zu den Dingen und Körpern haben, konfrontieren uns erneut mit dem Bruch. Sie brechen die von der Teilchenphysik postulierte, lineare Vorstellung, Existenz beginne erst mit der Existenz von Raum und Zeit. Photonen haben keine Masse mehr und brechen unsere Vorstellung von Bewegung im Bild einer stets an Materie gebundenen und somit messbaren Geschwindigkeit.

Hinter der Erfahrung von Masse und Geschwindigkeit verbergen sich die Größen Raum und Zeit. Die „Lichtteilchen“, welche von allem uns erscheinenden Teilhaftigen am ehesten die hinter allem stehende Einheit „verkörpern“, lösen unsere scheinbar notwendige Vorstellung von Raum und Zeit auf. Die Masse verschwindet vollständig und die Geschwindigkeit, der Ausdruck von Bewegung, nimmt einen festen, archetypischen Charakter an.

Bei allem Verschwinden aber bleibt das abstrakteste aller Gebilde, die Zahl! Sie bildet sich ab in der Raum-Zeit-Formel (Raumzeit2 = Raum2 + Zeit2), einem Gleichnis des pythagoreischen Dreiecks 32 + 42 = 52, das der Einstein’schen Theorie zugrunde liegt und in der eigenartig erscheinenden „Konstanz der Lichtbewegung“ . Es ist eben die Zahl, welche noch einmal tiefergehend allen uns sonst bekannten Parametern unseres Denkens vorausliegt und welche uns in ihren „Teilen“ die „archetypischen Quanten“ vorstellt.

2.2.3 Quantelung im Periodensystem der Elemente (PSE)

Wenn schon der subatomare Bereich von den Quanten und somit von der Zahl durchdrungen ist, dann wird dies erwartungsgemäß auch für die uns bekannte Welt der konkreten Stoffe der Fall sein. Unsere substanzielle Welt besteht in ihrem konkreten Stoff aus den chemischen Elementen. Ihr Geburtsregister ist das Periodensystem der Elemente (PSE). In ihm liegen uns die chemischen Elemente nach Zahlen geordnet vor. Die Erstellung der Ordnung war aber nur möglich, weil ihre Natur der Ordnung der ganzen Zahlen folgt. Jedes Element unterscheidet sich von seinem Nachbarn nach der Ordnungszahl, welche die Anzahl der Protonen im Atomkern wiedergibt. Die Ordnung der chemischen Elemente folgt streng der Ordnung der ganzen Zahlen. Zwischenzustände gibt es auch hier nicht. Nirgends wird die Verbindung zwischen der Zahl und der konkreten Materie offensichtlicher als im Periodensystem der Elemente. Das häufig gebrauchte Argument, die Zahlen wären (nur) Produkte des menschlichen Geistes, scheitert bei der Betrachtung des PSE, denn die chemischen Elemente waren vor den Menschen da, sowie wiederum die Zahl vor den Elementen da war. Wir haben sie nur entdeckt, aber nicht erfunden. 

2.2.4 Kausaltäten sind Quanten

Wir nehmen Wirkzusammenhänge anhand von konkreten Erscheinungen wie Raum, Zeit und Energie u.a. wahr. Weil die Erscheinungen selbst schon, wie auch die atomaren und subatomaren Zustände gequantelt sind, müssen auch die über sie abgeleiteten Wirkzusammenhänge die Eigenschaft der Quanten einschließen. Aus solcher dinglich-linearen Sicht sind die Wirkzusammenhänge aus den Quanten und somit aus den Zahlen erwachsene Bildungsmuster. 

Neben der dinglich-linearen Sicht kann man die Wirkzusammenhänge auch mit der eingangs vorgestellten und von Ordnung, Zahl und Beziehung geprägten triadischen Sicht begründen. Nach ihr ist die grundlegende Ordnung eine Zahlenordnung, die besagt, dass primär alles aus Beziehungen und nicht aus Dingen besteht, ergo liegen die Beziehungen und somit die Wirkzusammenhänge den Dingen voraus und bilden sie und ordnen wiederum deren Beziehungen. 

Die dinglich-lineare und die triadische Sicht begründen das Verhältnis von Ding und Wirkung in umgekehrter Folge. Beide aber bestätigen, auf ihre Weise die Quantentheorie. Wenn die Wirklichkeit immer eine „abgezählte“ ist, dann betrifft das auch die kausalen Wirkzusammenhänge. Sie fallen aus der von uns als universell erfahrenen Quantenstruktur der Wirklichkeit nicht heraus. Ihr Wesen besteht aus Quanten.

Die Quantennatur geht, wie wir wissen, mit den Zahlen einher. Dass die Zahlen eigene Entitäten und damit Qualitäten sind, lässt sich bereits aus den bisher Erörterten schließen, soll aber an anderer Stelle für die einzelnen Zahlen ausführlich gezeigt werden. Hier geht es darum, dass die Begriffe Quantum und Qualität mittels Zahl unmittelbar verknüpft sind. Aus einer letzten Sicht heraus sind sie identisch und stellen lediglich unterschiedliche Blickwinkel auf die Zahlenarchetypen dar. 

Die Eigenschaft eines von Anbeginn an voneinander Getrennten, das seiner ersten Natur nach zugleich zusammengehört, das ist das Bild von geordneten Qualitäten im Gegensatz zur nur linear verlaufenden Quantität, wie sie uns die Vorstellung von nur zählenden Zahlen suggeriert. 

Kausalität und Qualität sind nicht zu trennen oder sogar ein und das gleiche. In jedem Fall aber prägen die Kausalitäten unser Denken und unsere Bewusstseinsbildung und schlagen sich nieder in »Denk- und Bildungsmustern«.

2.2.5 Sinn + Bewusstsein

Die »Denk- und Bildungsmuster« führen zu Ideen und zu einer Dynamik der Ideen. Derartige Muster haben keine physische Substanz. Sie erscheinen im doppelten Wortsinn weniger gewichtig. Jener Schein geht von den Naturwissenschaften aus, die das Denken aus der Substanz der Organe heraus begründen. Verfolgt man jedoch den substanziellen Werdegang der Organe, so bestehen sie aus organischen Bausteinen, diese wiederum aus anorganischen, die ihrerseits aus den chemischen Elementen bestehen. Die chemischen Elemente folgen der Ordnung der Zahlen. Zahl ist Idee und Qualität. Die über die Zahl erfahrene Idee lässt die Ordnung nicht mehr dinglich erfassen und doch sind das Denken, die Organe und die chemischen Elemente Ausdrücke dieser Ordnung. 

Das letzte Glied in der substantiellen Kette sind die chemischen Elemente. Sie spiegeln die Ordnung nicht nur unmittelbar wieder, sie waren vor allem vor dem Menschen und seinem Denkprozess da! Wir haben sie entdeckt und nicht erfunden. Das Denken ist die Entfaltung der durch die Zahl vorgezeichneten Ordnung. Es reflektiert diese Ordnung und wird sich so nach und nach seiner Herkunft und seiner selbst bewusst.  

Das Bewusstsein kreist ebenso, wie alle ihn vorangehenden, elementaren Glieder, um die Zahl. Das zeigt uns die Quantelung der Natur. Die Zahl erzählt uns von der Ordnung grundsätzlicher Qualitäten. Zu dieser Ordnung gehören auch wir und unser Bewusstsein. Deshalb ist sie auf Suche nach unserem Selbstverständnis unser wichtigstes Instrument.

Doch machen wir uns klar, was wir in unserer nicht nur körperlichen sondern auch sinnlichen Existenz suchen. Wir suchen bleibende Qualitäten! Wir wissen sogar, um welche Qualität es sich dabei primär handelt. Es handelt sich um Harmonien und in die Ein-Sicht in das Ganze. Genau darüber aber geben uns die Zahlen Auskunft. Sobald wir sie nach Qualitäten befragen, erzählen sie uns von einer ursprünglichen, allem Sein unterliegenden Ordnung.

Der suchende Mensch, der das Gefühl hat, „aus dem Paradies vertrieben worden zu sein“, empfindet sich als ein Gebrochener, als ein verstimmtes Musikinstrument im Orchester der Schöpfung. Was ihm fehlt, ist die ideale harmonikale Resonanz. In der Musik und ihren Harmonien kommen wir den gesuchten Qualitäten besonders nahe. Musikalische Harmonien versprechen, vor drohenden Verstimmungen von Körper und Seele zu schützen oder vorhandene sogar zu heilen. Das sind unsere Erfahrungen und Pythagoras von Samos (ca. 540 v. Chr.) war der Überlieferung nach der Erste, der die Umstände unseres Harmonieempfindens untersuchte.

Pythagoras fand am Monochord, einem einfachen Saiteninstrument, erstaunliche Zusammenhänge. Er wies nämlich die Korrelation der Tonhöhe von der Länge der klingenden Saiten nach. Das Entscheidende an der Entdeckung waren aber nicht nur einfach die dinglichen, physikalischen Zusammenhänge. Das Entscheidende an der Entdeckung des Pythagoras war die Entdeckung des Normativen hinter den Harmonien, nämlich, dass die »Harmonien« durch »ganze Zahlen« entstehen! Die konsonierenden Intervalle der Tonleiter werden durch einfache, d.h. ganzzahlige Verhältnisse ausgedrückt! Eine Oktave entspricht dem exakten Zahlenverhältnis 2:1, eine Quinte 3:2, eine Quarte 4:3 usw.  Pythagoras hat mit seiner Entdeckung das Wesen von Harmonien formell erfasst und zugleich auch physikalisch nachgewiesen. 

Die Bedeutung dieser Entdeckung kann nicht überschätzt werden, weist sie doch den Menschen unmittelbar auf den Weg zu seiner Selbsterkenntnis. Tatsächlich wurde mit Pythagoras eine besondere Weisheitslehre begründet, denn er hatte nicht weniger als „den Punkt“ gefunden, von dem her die Welt einheitlich begriffen werden kann. Die Disziplin, welche sich solcher Suche verschrieben hat, nennen wir heute Philosophie. Der Begriff des Philosophen, wie wir ihn heute kennen, kam indes erst später auf. In der Zeit nach Pythagoras stand der Begriff des Pythagoreers geradezu für den Philosophen schlechthin. Der dem Pythagoras zugeschriebene, allbekannte Satz „Alles ist Zahl“, hat bis heute nicht an Bedeutung verloren. Jahrtausende nach Pythagoras wurden dessen Erkenntnisse im Aufbau von Materie (s. PSE) und der Beschaffenheit von Raum und Zeit bestätigt. Was mit Pythagoras seinen Anfang nahm, haben die Atomphysiker im Quantengefüge der atomaren Strukturen abermals neu entdeckt. Die Quantensprünge der Elektronen und deren festen »Umlaufbahnen« gleichen den auf dem Monochord erzeugten Harmonien. Beide zeigen die regieführende Wirkung der ganzen Zahlen. 

Zahlen sind ganzheitlicher Natur. Sie stehen für Quantitäten und für Qualitäten. Selbst wenn ihre Wirkungen zunächst nur aus der rechnenden Perspektive heraus wahrgenommen werden, so beeindrucken ihre vorhandenen qualitativen Eigenschaften doch immer wieder. Das, was Pythagoras so früh am Monochord demonstrierte und in seiner Folgewirkung am pythagoreischen Dreieck beleuchtete, wendete Einstein formell an und fand „über den Pythagoreismus“ zur Relativitätstheorie.

3.0 Ordnung und Zahl bedeuten Beziehung. Alles besteht aus Beziehungen und nicht aus Dingen.

Das Wissen darum, dass nicht die uns begegnenden Dinge, sondern die in ihnen enthaltenen Informationen und somit die durch sie zum Ausdruck kommenden Beziehungen das Primäre sind, ist sehr alt. Es ist der ewige Gegenstand der zum Teil Jahrtausende alten Weisheitslehren der Welt. Die moderne Physik bestätigt das Wissen um die Priorität der Beziehungen gegenüber den Dingen sowohl in der Relativitätstheorie als auch in der Quantenphysik: 

Die den Makrokosmos beschreibende Relativitätstheorie relativiert die vor Einstein dinglich betrachteten Größen Raum und Zeit. Seit dem werden Raum und Zeit über den Satz des Pythagoras aufeinander bezogen und sind fortan offenbare Beziehungsgrößen. Als solche münden sie in die durch ein Quadrat ausgedrückte Raumzeit. Die Raumzeit ist gegenüber Raum und Zeit eine abstrakte Größe, welche diese gleichsam zusammenfasst.

Die den Mikrokosmos beschreibende Quantenphysik relativiert mit ihren vorgestellten Quantenteilchen die zuvor dinglich betrachtete Materie. Die so genannten „Partikel“ können und werden nicht mehr als etwas greifbar Konkretes angesehen, sondern als Beziehungsmuster, welche über ihre Wirkung (!) beschrieben und klassifiziert werden. 

Die Relativitätstheorie und die Quantenphysik sind beides anerkannte, konkrete Bereiche der Physik und doch widersprechen sich ihre Aussagen. So sehr sich ihre Aussagen gegenüberstehen, so eindeutig berichten sie uns beide auch über das Wesentliche der Physis schlechthin: Die Beziehung geht dem Element, den Dingen voraus. Das System entsteht aus Beziehungen und nicht aus Elementen. Es gibt keine Dinge oder autonomen Teilchen, welche nicht wieder als Beziehung, also als eine Wechselwirkung zu definieren wären.

Hat man einmal erkannt, dass primär alles aus Beziehungen und nicht aus Dingen besteht, dann fügt sich die Frage an, wie man Beziehungen erkennt und ordnet, und ob es eine allen anderen Beziehungen vorausgehende, urtypische Erstbeziehung gibt, welche allen anderen Beziehungen den Marschbefehl erteilt.

Die Frage nach der Ordnung von Beziehungen und nach einer Urbeziehung führt zu den Repräsentanten der Ordnung, den Zahlen. Warum die Grundpakete von Beziehungsdefinitionen die Zahlen sind, das lässt sich, wie vorangehend geschehen, empirisch erfassen. Die Erfahrung allein führt uns aber noch nicht zum eigentlichen Grund der Zahlen. Den können wir nur in der Eigenschaft der Zahlen selbst finden. 

4.0 Die besondere Eigenschaft (Beziehung) der Zahl, welche die Zahl zur Zahl macht.

Jede Existenz entsteht durch die Spannung zwischen zwei Polen. Das gilt auch für das menschliche Bewusstsein. Das aber kann die ursächlichen Gegenpole nur reflektieren, weil es sich aus deren Ebene erhebt und zu der ursächlichen horizontalen Polarität eine neue, vertikale Polarität eröffnet. Das Erheben in die zweite Ebene, befähigt das Bewusstsein, die ursächliche Beziehung als ein gespaltenes und doch zusammengehöriges Ganzes zu reflektieren. Endlich kann es das, was es im Außen wahrnimmt, nämlich das Gespalten- und doch Zusammensein in einer Selbstreflexion auf sich beziehen und sein eigenes Ausgespannt-Sein zwischen den Polen grundsätzlich positiv deuten. Ein Bewusstsein, welches jene Grundsatzbeziehung einmal wahrgenommen hat, ist vernunftbegabt und aufgefordert, auch die scheinbar unvereinbaren Dinge als Ausdruck eines Ganzen zu erkennen und zu deuten. Das vernunftbegabte Bewusstsein nimmt die Spannungen weiter wahr, aber seine Einstellung zu ihnen, die Art der Schau, verändert sich.

Die Spannungen haben weltanschauliche Relevanz. Wir leben zugleich in zwei Welten, der Welt des Objektiven und der Welt des Subjektiven, der quantitativen Welt, wie sie uns die Mathematiker vor Augen führen und der sinnstiftenden Welt der Qualitäten. Die Spannung zwischen der von fortwährender Unvollkommenheit geprägten, konkreten Welt und der von Vollkommenheit ausgehenden Welt der Ideen fordert den Menschen und seine Vernunft heraus. Pythagoras beschreibt die daraus erwachsende Aufgabe:
„Das Gleichnis dessen, der die höchste Vernunft besitzt, ist und kann nur die Fähigkeit sein, die Beziehungen zu erkennen, die auch Dinge einen, die scheinbar keinerlei Verbindungen zueinander haben.“ Pythagoras hinterließ uns zudem die Instrumente des Verbindens in dem Satz „Alles ist Zahl“.

Die Zahl kann die Verbindung zwischen beiden Welten herstellen, weil sie in beiden Welten Ordnung stiftet. Die Zahl zählt und erzählt gleichermaßen. Diese zweiseitige, Ordnung ausdrückende Eigenschaft, ist es, welche die Zahl zum universellen Erkenntnisinstrument macht.

Der Ordnungsbegriff ist vom Begriff der Zahl nicht zu trennen. Sobald jemand ordnet, dann ordnet er es, in welche Ausdehnung auch immer, entweder »vor« oder »nach« etwas schon Vorhandenem. Das »vor« oder »nach« ist – auf die Zahlenfolge bezogen – ein Nachvollzug der ersten aller Beziehungen, Ur-Beziehung »Eins−Zwei«. Aus dieser Urbeziehung heraus erwächst dann die fortlaufende Zahlenreihe. Am ersten aller Zahlenpaare erfahren wir, was Beziehungen im eigentlichen Sinn sind und wie sie zustande kommen. Beziehung ist Bindung. Im Falle der ersten beiden Zahlen ist die Zwei auf die Eins bezogen. Sie ist an die Eins „angebunden“. Die Eins ist das Symbol für Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit, die Zwei für Polarität und Getrenntsein. Die erste Beziehung (1—2) „erzählt“ davon, dass das Getrenntsein (2) ein Nachkomme der Einheit (1) ist und deren Qualität, die Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit auf ihre eigene Weise, die Weise des Getrenntseins sichtbar macht. Die Zwei ist nicht nur Zwei, sie ist vor allem auch Eins, denn sie ist einzigartig und in ihrer Art, wie die Eins vollkommen.

In dieser vorbildhaften Erstbindung der nachkommenden Zwei an die Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit besteht endlich die umfassende Einmaligkeit jeder nachfolgenden Zahl. Machen wir uns dazu am Zahlenstrahl einmal bildhaft klar, wie eine Zahl entsteht: Jede Zahl ist eine solche nur, weil sie dies ist in Bezug und in unverbrüchlicher Bindung an die Eins (s. Abb.).

Die Vier ist die Vier, weil sie eben viermal die Einheit repräsentiert! Und die Sieben ist nur Sieben, weil sie gerade siebenmal die Einheit repräsentiert! Jede Zahl definiert sich und damit ihre Individualität an der Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit. Nichts ist so sehr und unverbrüchlich an die Einheit gebunden wie die Zahl. Das macht sie dem Wortsinn entsprechend zur wahrhaftigen, ganzheitlichen Sprache der Schöpfung.

Die Zahl Zwei folgt der Eins und sie ist ihrem Schein nach das „Andere (2) zu IHR (1)“. Mit der Zwei beginnt die nicht endende Vielheit. Jeder in ihr auftauchende Zahlenarchetyp „scheint“ auf seine Weise auf.

In der Sprache der Zahlen gibt es nach dem o.g. Bild jedoch keine Vielheit, welche nicht die Einheit spiegelt und offenbart. Da jede Zahl den Ursprungsbezug in sich trägt – mithin durch die Einheit ist – haben darüber hinaus alle Zahlen eine eindeutige Beziehung auch untereinander. Als Ganzes verleihen sie der Einheit sodann eine größere Dimension. Aus der ursprünglich ungreifbaren Einheit, dem anfänglich ungreifbaren Punkt, der Alles und Nichts vereint, wird ein Kreis. Der Dimensionszuwachs vom dimensionslosen, ungreifbaren Punkt zum dimensionshaften (»teilhaftigen«) Kreis wurde durch die Vielheit der Zahlen erreicht. Wie viele Zahlen auch immer die Peripherie des Kreises bilden, sie bilden ihn deshalb, weil sie – unabhängig von ihrer individuellen Größe – jede für sich allein auf den Ursprung bezogen sind. Die Zahlen setzen das Grundthema jeder Philosophie und Religion ins Bild: das Gegenüber von Gott (Einheit) und Welt (Vielheit), das Gegenüber der „Zahl“ Eins und der „Vielheit der Zahlen“. Jede Zahl steht dabei für eine Idee. Die erste und letzte Idee aber im Bilde der Zahlen ist die Einheit aller Unterschiede.

Die Bindung der Zahl ist vollkommen. Sie dient der Einheit und stellt sich ihr uneingeschränkt zur Verfügung. Insofern verzichtet sie als vollkommen dienendes Wesen auf jegliches Eigenleben. So kennen und benutzen wir sie. Eine Zahl kann alles zählen. Beim Zählen wird sie automatisch, geradezu selbstlos, zum Zeichen dessen, was sie zählt. Wir sagen, sie kann potentiell alles bedeuten. Ihre Grunddeutung indessen verliert sie nie. Das aber gerade gibt ihr das Eigenleben zurück, das wir in allen Erscheinungen finden und an ihr so bewundern. Es ist die paradoxe Einheit von Hingabe und resultierendem Lebensgewinn, die der Gegenstand aller Religionen ist. Jene Beziehung resultiert aus der Ur-Beziehung »Eins ↔ Zwei«. Sie ist der Hüter des Grals, des letzten Ordnungsgesetzes. In der biblischen Metaphorik der zwei Cherubim (Geistwesen, Engel) bewacht sie den Eingang zum Paradies (Gen 3,24).

Der religiöse Kontext setzt eine absolute Verbindlichkeit ins Bild, wie sie jede Zahl zum Ausdruck bringt und in der Zahl 2 erstmals ansichtig wird. Die absolute Verbindlichkeit der Zahl macht sie zu dem universellen Hilfsmittel, das wir kennen. Unter all den relativen Größen unseres Universums sind die Zahlen „am wenigsten relativ“. Sie sind „Teilstücke“, aber alle Urrepräsentanten der „Ein-Sicht“. Das macht die Zahlen zum Maßgebenden unter allem Messbaren und zum ordnenden Band des Weltenbaues.

5.0 Eine Hinzufügung

5.1 ... zum Missbrauch von Zahlen

Die erzählende Seite der Zahl steht unter dem Verdacht, lediglich ein Relikt aus früheren mythischen Weltbildern zu sein. Das Negativbild der kultischen Unterwerfung des Menschen und der esoterische Gebrauch der Kabbala mit Hilfe von so genannten Schlüsselzahlen „Macht- und Zauberinstrumente“ zu entwickeln, haben die eigentliche Frage, ob es eine geregelte Komposition von Bedeutungseinheiten (Welt der Ideen) gibt, vergessen lassen. 

Das ist die eine Seite der Betrachtung. Die andere ist, dass der Missbrauch der Zahlen die Herausbildung der modernen Wissenschaften notwendig machte und beförderte. Am Ende dieser Entwicklung wendet sich das Bild erneut. Der ausschließliche Gebrauch der Zahl als zählendes Instrument droht, das in ihr liegende Ziel zu verfehlen. Die Naturwissenschaft ist auf die nur quantitative Seite der Zahl fixiert und gebraucht sie so auf entgegengesetzte Weise. Das Leugnen der Qualitäten von Zahlen ist ebenso ein Missbrauch und führt ebenso zur Unterwerfung des Menschen. Diesmal ist es die Unterwerfung des Menschen unter die dingliche Natur. So werden die einstigen Opfer nun zu Tätern. Wer nur immer eine Seite der Zahl sieht, wird ihr nicht gerecht, der missbraucht sie. Er tut ihr und sich Gewalt an.

6.0 Was in der „Dimension Mensch“ wirklich zählt – UNSERE AUFGABE

Die Erkenntnis, dass die Zahlen Qualitäten sind, ist ein Anfang. Die Zahlen lehren uns sodann, beginnend mit der Qualität der Zweiheit, die Prinzipien der Differenzierung. Sie lehren uns, wie Entwicklung entsteht. Doch die Zahlen erzählen uns nicht nur etwas über die Welt „da draußen“. Weil sie uns über die „Dinge“ an sich erzählen, erzählen sie uns vor allem auch über uns selbst, über unsere Herkunft, unsere Konstitution und unsere Bestimmung. Die Zahlen geben uns Orientierung im Innen und im Außen. 

Wenn wir erkennen, wie das Prinzip der „Zweiheit“, das Prinzip des Andersseins und der Differenzierung entsteht, dann erkennen wir, dass es sich im Laufe der gesetzmäßigen Entwicklung der Zahlenreihe in fraktaler Weise mit immer mehr Bewusstsein füllt. Am Ende erscheint das Prinzip des Differenzierens in der Form eines Individuums, das aktiv und bewusst das tut, was schon die Zahl Zwei archetypisch vorgibt, nämlich die Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit zur Erscheinung zu bringen. 

Die in der Zahl Zwei symbolisierte Qualität wird in einer ersten Reflexion naturgemäß als „Zwist“ empfunden, als ein „Zweimachen“ und als Widersacher der Vollkommenheit. Das sich nach und nach entwickelnde, vernunftbegabte Individuum erkennt sie aber in ihrer Vollkommenheit. Die religiösen Mythen berichten schließlich davon, dass sie, die Andere (2) „erhoben“ wird.

Das Mittel der Erkenntnis ist die Zahl. Deren wichtigste Seite, die Qualität, haben wir lange Zeit immer wieder verworfen. Das Resultat ist, dass wir die so genannten heiligen Schriften nicht mehr verstehen und dass uns die eigentlichen Botschaften der Religionen nicht mehr erreichen. Ein biblisches Gleichnis mahnt an, dass der „Stein den die Baumeister verwerfen, zum Eckstein berufen ist“! (Ps 118,22; Mt 21,42; Mk 12,10; Lk 20,17)

Vor mehr als zwei Jahrtausenden hat Platon die Ecksteine gesetzt, die heute mit Recht als das abendländische Vermächtnis bezeichnet werden. Platon nahm die Zweiheit in ihrem Zwiespalt an und setzte sie der Anstrengung des Bewusstseins aus. Er führte dabei nicht nur vor, dass das Wissen die Aufgabe hat, zu entlarven. Er führt vor allem vor, dass Wissen stets selbst ein Abbild, ein Schein (doxa) von Archetypen ist, dass auf sie hin entlarvt werden muss. Nach der sogenannten Ideenlehre besteht die wahre Wirklichkeit der Welt nicht aus den Einzeldingen dieser Welt, sondern aus „allgemein urbildhaften Ideen“. Was denn aber die urbildhaften Ideen sind, das ist entweder unbekannt oder die Antwort Platons erscheint zu einfach, um sie als Schlüssel seiner Erkenntnis zu akzeptieren. Dabei finden wir sie in unmissverständlicher Form in der Mitte seines Hauptwerkes, der Politeia: 

„ … was allen Künsten und Forschungen und Wissenschaften unentbehrlich ist, und was denn jeder mit als Erstes erlernen muss. Diese ganz bescheidene Weisheit: die richtige Kenntnis der Eins, der Zwei und der Drei.“ Dass unter der »richtigen« Kenntnis nicht nur eine quantitative sondern vor allem auch eine der übergeordneten Idee zugehörige qualitative Schau zu verstehen ist, die sowohl dem Kriegsmann wie dem Philosophen dient, das stellt Platon klar und deutlich heraus: „Es obliegt uns also dies Fach (Zahlenkunst) zum gesetzlichen Lehrfach zu machen und diejenigen, die künftig im Staate der höchsten Amtsgewalt teilhaftig sein sollen, zu veranlassen sich der Zahlenkunst zuzuwenden und sich mit ihr zu befassen nicht etwa bloß in laienhafter Weise, sondern bis sie durch reine Vernunfttätigkeit zur Anschauung der wahren Natur der Zahlen gelangt sind, eine Art der Behandlung, die nichts gemein hat mit Kaufen und Verkaufen wie bei Kaufleuten und Krämern…“.  Für Platons war jenes Lehrfach ein „besonders feines Fach“, weil es, wie er es ausdrückte,  die Seele offenbar nötigt auf dem Wege des reinen Denkens sich der reinen Wahrheit zu nähern.“ 

Platons Werke sind so umfassend, dass in den von ihm dargelegten Beziehungen kaum ein Thema nicht berührt wird. Vor allem aber führt er die Vielzahl der Beziehungen zu einer Kernbeziehung zusammen. Dazu lässt er Sokrates seinem Schüler Glaukon nach dem Wesen der Zahl in Hinblick der Unterscheidung von Denkbarem und Sichtbarem befragen. Glaukon antwortet seinem Lehrer mit diesem einvernehmlich „ … denn den nämlichen Gegenstand sehen wir zugleich als Eins und als ein unendliche Vieles.“ Sokrates bekräftigt: „Und wenn dies bei der Eins der Fall ist, so gilt das auch von allen Zahlen überhaupt“ (Plato, Der Staat, Siebtes Buch, 524f St.)

Die Werke Platons vermitteln uns ein philosophisches Grundwissen. Die Religionen der Welt hingegen stehen vor der Aufgabe, Wissen und Weisheiten in einsehbare und praktikable Formen zu gießen. Das geht nicht ohne die Akzeptanz des stets mit Fehlern behafteten Daseins und ohne den Entschluss, Partei für ein Zweifelbehaftetes zu ergreifen. Die Aussagen der Religionen führen uns so immer mehr oder weniger eine Tragik von Gewalttaten vor Augen. Um ihre wahre, erlösende Aufgabe zu erkennen, müssen wir sie auf die archetypischen Beziehungen hinterfragen, auf denen ihre Erzählungen beruhen. Für unseren abendländischen, jüdisch-christlichen Kulturkreis bedeutet das, deren Texte in Hinblick auf ihre Zahlenstruktur zu entlarven. Diese Aufgabe will ich in der nachfolgenden Arbeit an den Texten der Tora ausführen.

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