Was diese Zahl erzählt:

Was diese Zahl erzählt:

Die Beziehung des Menschen zu seiner Gottheit in der biblischen Genesis

von Michael Stelzner

((1.)) Die (erste) Schöpfungserzählung (Gen 1:1ff)

          … die Symmetrie von Mensch und Gottheit

Die sich auf die Tora beziehenden abrahamitischen Religionen sehen im Verhältnis Mensch – Gott ein Symmetrieverhältnis, wie es in der schon an anderer Stelle beschriebene triadischen Flussform der Zahlen geometrisch sichtbar wird. Das Verhältnis wird in der Tora als ein ewiger, sich stets erneuernder Bund zwischen der Gottheit (1) und dem Mensch (5) beschrieben. Der erstartikulierte Bund ist in der Tora der NOAH-Bund (Gen 9:9). Sein Bundeszeichen ist der Regenbogen. Er verbindet den „Regen“ mit der „Sonne“. Das Phänomen erscheint in dem Augenblick, wenn die Gegensätze unmittelbar aufeinandertreffen. Wenn es sichtbar wird, spricht es das Bewusstsein an. Die Dynamik und ihre Bilder, die sich „zwischen Sonne und Regen“ entfalten, entfaltet die Tora im streng strukturierten Ablauf ihrer Texte. Die Unterscheidungskriterien der Texte sind die sogenannten dreizehn Toledot, die sogenannten Geschlechter. Sie spiegeln jeweils einen Archetyp und geben die rechte Interpretation des ihm zugehörigen Textes vor.

 

Abb. 1  Die Spiegelbildlichkeit von Gott (1) und Mensch (5) wird sichtbar als geometrisches Gleichnis in der triadischen Flussform der Zahlen.

Die erste Erzählung von der Schöpfung des Menschen in Gen 1:27 berichtet von einer Symmetrie zwischen der Gottheit (1) und dem von ihr hervorgebrachten Menschen (5). Um sie darzustellen, gebraucht sie das Wort „Bild“ zweimal, einmal in der Form „im-Bilde“ (2-90-30-40) und das andere Mal in der Form „in-seinem-Bild (2-90-30-40-6). Der zweifach, unmittelbar nebeneinander verwendete und nahezu identische Ausdruck zeichnet ein Symmetrieverhältnis nach, dessen zwei Seiten einander gleichen, sich jedoch unterscheiden, obwohl sie ein gemeinsames Ganzes abbilden. Die Metapher der Symmetrie erzählt, dass das Bild ELOHIMs wie in einer Symmetrie aus zwei Perspektiven betrachtet werden kann, d.h. ein zweifaches ist und dabei doch Identität vermittelt. 

Mit anderen Worten: Die Schöpfung des Menschen (5) durch die Gottheit ELOHIM (1) wird durch Erscheinungsformen des Archetyps der Zwei getragen. Der Text spricht vom zweifachen „Bild“, von „männlich + weiblich“, von IHN und SIE“ und gebraucht dabei dreimal das Verb „schuf“ (2-200-1). Das Verb beschreibt das Tun der Gottheit. Es ist gegenüber der thematisierten Zwei ein Drittes und bewirkt das Erheben der Zwei. Zweimal erscheint die Gottheit  ELOHIM“ (1-30—5—10-40) im ersten Satz der Menschwerdung und zweimal wird die einleitende Bedingung des „Bildes“ mit dem Pränomen „Bet“ versehen, das zugleich für die Zahl Zwei steht und mit „in“ übersetzt wird.

Das zweifache Bild ist zum ersten vor allem ein zugeordnetes Bild. Es ist „sein-Bild“. Es verdankt seine Existenz der Existenz ELOHIMs. Ohne das, was man unter ELOHIM zu verstehen hat, würde das Bild nicht existieren. Als Zahlensymbol gesehen ist das „Bild“ die Zahl Zwei, die ohne die Zahl Eins, das Original nicht existieren würde. Neben dieser Zu- und Nachordnung des Menschen als Bild ELOHIMs wird dieses Bild – diese Zwei – durch die dreifache Unterscheidung zugleich erhoben. Durch das Erheben ist der Mensch nicht nur ein Unterschiedener, sondern erhält von Anfang an eine Eigenständigkeit und eine eigene Dynamik (3).

Von diesem „sowohl als auch“ jeder Symmetrie berichtet die Metapher von der Schöpfung des Menschen durch ELOHIM. Der Mensch, der als Mensch einer und „Eins“ ist, ist dennoch „männlich und weiblich“. Er ist ein Solitär und ein Vieles, denn die Gottheit schuf „IHN“ (Singular), um unmittelbar danach von „Ihnen/Sie“ (Plural) zu sprechen. Der Text betont die Trennung, unterordnet sie aber der Einheit. Das Vorbild der Einheit ist die Gottheit ELOHIM selbst, die als „EINE Gottheit“ angesehen wird und doch zugleich durch einen Pluralbegriff (ELOHIM bedeutet „die Götter“) in Erscheinung tritt. Das Tun und Wirken der Gottheit/Gottheiten wird durch den Archetyp der Drei beschrieben. Der ist primär ein verbindender, obwohl sein Dasein des Trennens (2), d.h. des Archetyps der Zwei bedarf. Das vermittelt das Verb des göttlichen Tuns, das „bara“ (2-200-1). Der Text der die Schöpfung des Menschen benennt, gebraucht das Verb dabei dreimal (Gen 1:27). Die Zwei ist seine Bedingung, so wie auch das Beth, die Zahl Zwei als Pronomen mit der Bedeutung „in“ dem Begriff „Bild“ vorangestellt wird und zum Ausdruck „im-Bild“ (2-90-30-40) wird.

Die Symmetrie von Gott und Mensch lässt notwendig den sie verbindenden Archetyp der Drei aufscheinen, der sich schon in der Zahlenfolge des Gottesbegriffs 

ELOHIM (1-30—5—10-40)

verbirgt. Ihr Zentrum ist die Fünf – das Bewusstsein. Es verbindet das Geistige (1-30), das singuläre Sein mit der Substanz (10-40), dem konkreten Dasein in der Pluralität. 

((2.)) Die erste Toledot 

           … das Dasein des Menschen in der Welt der Erscheinungen (Gen 2:4ff)

Die Schöpfungserzählung stellt die Archetypenfolge unter der Herrschaft der Zwei und der Vorherrschaft der Eins systematisch vor. Die ihr folgende 1. Toledot beschreibt sodann die Wirkungen der Polarität aus der Sicht der Subjekte (5). Das gilt auch und vor allem für den Blick auf die Gottheit, die jetzt nicht mehr allein mit ELOHIM benannt wird, sondern den Doppelnamen JHWH ELOHIM erhält. Die mit zwei Wörtern benannte Gottheit erscheint gleich im ersten Satz der ersten Toledot in Gen 2:4. Im weiteren Verlauf der Toledot wird der so erweiterte Gottesbegriff wieder reduziert auf den einfachen, aus vier Buchstaben bestehenden Namen JHWH, der später zur Gottheit der Israeliten wird. Die zweifache Veränderung des Gottesnamen, einmal durch dessen Erweiterung von ELOHIM zu JHWH ELOHIM und das andere Mal durch dessen Reduzierung von JHWH ELOHIM zu JHWH illustriert am denkbar höchsten Begriff, dem Gottesbegriff, die zweiseitige Wirkung des Archetyps der Zwei. Wir finden sie bereits im Symbol des Stierhauptes, der zwei Hörner trägt und der das Bildsymbol für den Archetyp Eins (Alef), des Höchsten ist. Die Botschaft ist zweifach eindeutig: Das Subjekt (5) schaut stets unter zwei Aspekten. Das gilt auch für die Schau auf die Gottheit (1). Am Ende aber offenbart sie – selbst unter den widrigsten (2) Umständen – die Einheit der Dinge und ihr Fortschreiten (3). Die Schau auf die Einheit alias Gottheit ist eine triadische Schau – die Schau auf die Drei-Einheit. Die aber verlangt die Akzeptanz der Polarität und ihrer beiden Aspekte. 

Während die Sieben-Tage-Erzählung noch vollkommen abstrakt von den zwei Seiten der Polarität berichtet, geht es in der ersten Toledot um die Schau der Subjekte (5) auf sie und ihre Wirkungen. Dennoch haben auch die Erzählungen der ersten Toledot einen noch weitgehend abstrakten Charakter. Wegen der hinzutretenden unterschiedlichen Blickwinkel der Subjekte umfassen sie ein auffallend breites Wirk- und Erzählspektrum. Die Erzählungen reichen vom Hervortreten der Gottheiten JHWH ELOHIM und JHWH über den Paradiesfall, den Brudermord KAIN-ABEL bis hin zum Beginn der Anrufung JHWHs (siehe …Inhaltsangabe/Link).

Im ersten Wort der ersten Toledot finden wir die entscheidende Information über das Wesen aller Toledot, insbesondere aber der ersten Toledot, welche den Blick des Subjekts der Willkür entreißt und ihn an seiner potentiellen Erhebung orientiert. Das erste Wort der Toledot ist das Hinweiswort „Dies“. Es hat die Zahlenfolge 1-30-5 und ist das erste der stets zwei gleichen Wörter „Dies (sind die) Zeugungen …“, welche alle Toledot einleiten. Nur die zweite Toledot macht als der Archetyp des „Anderen“ eine Ausnahme. Sie gebraucht es in seiner weiblichen Form. Das weibliche „Diese“ besteht aus der Zahlenfolge 7-5. Auch sie berichtet wie das 1-30-5 von ein und der gleichen, hinweisenden Funktion. Nur erfassen ihre Zahlen den ergänzenden Hinweis, dass auch das unberechenbare Andere (2) in Form des Jenseitigen (7) dem wahrnehmenden Subjekt (5) zum Hinweis wird. Sowohl das Männliche als auch das Weibliche „weisen auf etwas hin“! 

Das prinzipielle Hinweisen hat seinen Ursprung in der Gottesbezeichnung ELOHIM (1-30—5—10-40). Die Gottesbezeichnung besteht aus drei Teilen, dem 1-30, der zentralen 5 und dem 10-40. Der erste Teil steht für das Geistige und dessen vertikale Wirkrichtung, der zweite Teil für die Fortentwicklung der Substanz in Form der horizontalen Entfaltung. Die mittige Fünf, das Symbol für das Subjekt und sein Bewusstsein verbindet beide miteinander. ELOHIM verbindet demnach zwei Weisen des Seins. Durch ihn wird das konkrete Dasein der Substanz (10-40) und deren plurales So-Sein mit seinem singulären Hintergrund, dem Geist (1-30) und dem Sein an sich verbunden (evtl. Link Bedeutung ELOHIM).

Der Begriff ELOHIM ist ein grammatikalischer Plural und müsste korrekt mit „Götter“ übersetzt werden. Tatsächlich geht ihm aber im bekannten „Im-Anfang schuf ELOHIM …“ in Gen 1:1 das Verb „bara“ (2-200-1) voran, das „schöpfen“ bedeutet und hier im Singular gebraucht wird. Der Widerspruch ist gewollt und ein Abbild für die Funktion, die durch ELOHIM wirkt, nämlich die Verbindung des Vertikalen mit dem Horizontalen alias des einen singulären Geistes mit der pluralen Substanz.

Die erste Toledot überträgt das Prinzip des ELOHIM das Singular und Plural miteinander verbindet, in die Metapher von den zusammengehörenden Polen „der Himmel und die Erde“. Auch sie verbinden Plural und Singular. Ihrer Nennung folgt zugleich ihre Umkehr in „Erde und (die) Himmel“, sodass auch hier die Polarität zum Zuge kommt. Mit der Übertragung des Prinzips ELOHIM in die erste Toledot findet eine Substantivierung statt. Das Tun ELOHIMs, das Verb „bara“ (schöpfen / 2-200-1) wird in ein Substantiv verwandelt und wird zum „in-ihrem-Geschaffen-werden (2-52-200-1-40) am Tag des Machens“. 

(Siehe Aufsatz „Die erste Toledot“)

((3)) Die zweite Toledot (Gen 5:1ff)

          … die Abstammungslinie des ADAM über SET.

Wie die erste Toledot das Wesen der Eins unter dem polaren Blickwinkel der Subjekte beschreibt, so beschreibt die zweite Toledot sodann das Wesen der Zwei unter dem triadischen Aspekt, welcher den Polaritäten Richtung und Orientierung gibt. Gegenstand der zweiten Toledot ist die dynamisierende Zwei in Form des Geteilten und des Teilens. 

Das Erkennen des wahren Wesens der Zwei ist Gegenstand jeder Religion. Jeder religiöse Text verweist in seinen Anfängen immer auf die Zweizahl, so auch die Texte der Tora. Erfährt und erkennt ein Subjekt (5) das wahre Wesen der Zwei, erkennt es auch sein eigenes Wesen und spricht folgerichtig die Gottheit(en) als sein Spiegelbild an, so wie umgekehrt auch die Gottheit den Menschen unaufhörlich über das von ihm nicht Berechenbare, den „Zufall“ anspricht. Der Mensch (ADAM), der sein Verhältnis zur Gottheit erschaut, wird auf neue Weise geboren und gibt durch seine Zeugungen dieses Wissen an die ihm nachfolgenden Geschlechter weiter. Um dieses erwachende Bewusstsein und seine Weitergabe geht es in der zweiten Toledot. 

Um das Potential der neuen Schau entfalten zu können, müssen die Texte der zweiten Toledot auf die ihr vorausgehenden Texte zurückgreifen. Nur so können sie die wahre Beziehung der Zwei zur Eins erhellen. Die einleitenden Sätze der zweiten Toledot übernehmen die Symbolik der vorangehenden Texte und gießen sie in neue und größere Formen. Dabei entfalteten sie früher schon vorhandene aber noch verborgen gebliebene Inhalte.

Die Figur, die nach der Tragödie von KAIN und ABEL einen Neustart möglich macht, ist SET, der dritte Sohn von ADAM und EVA. Seine (triadische) Existenz wirft ein neues Licht auf den Menschen (ADAM). Die von SET ausgehende Zeugungslinie – insbesondere sein Sohn ENOSCH – verkörpern das, was ELOHIM, die Urgottheit und ihr Tun ausmacht. ELOHIM setzte mit SET der Frau ADAMs „einen neuen Samen“ anstelle des erschlagenen ABEL (Gen 4:25). Welche Eigenschaften und Qualitäten der Samen ELOHIMs hat, das erzählt die erste Schöpfungserzählung u.a. über den Begriff „im-Bilde“ und über das Verb „bara“ (siehe „Die erste Schöpfungserzählung und die Symmetrie von Mensch und Gottheit). Wie die erste Schöpfungserzählung das „bara“ (2-200-1) dreimal gebraucht, so erscheint es auch dreimal zur Eröffnung der 2. Toledot. Doch gibt es einen Unterschied. Die 2. Toledot gebraucht es nur einmal als Verb und zweimal als Substantiv in der Form „am-Tag  des-Erschaffens“ (2-10-6-40  2-200-1). Die Substantivierung „verdinglicht“. Sie ist eine Manifestation. Zu ihrer Darstellung greift sie zum einen auf die erste Schöpfungserzählung zurück und zum anderen zugleich auch auf die ihr in Gen 2:4 folgende erste Toledot, die im Wort „in-ihrem-Geschaffenwerden“ (2-52-200-1-40) ebenso die substantivische Form wählt (siehe Anhang I). Die 2. Toledot vereint somit drei Erzählungen und Erzählformen, die des ersten Schöpfungsberichts und die der ersten sowie der zweiten Toledot. Sie ist somit eine Vorstellung der Drei-Einheit, die sie – ihrem Archetyp gerecht  – mit Hilfe der Zwei, des Anderen und Abweichenden darstellt. Die über die Zwei und Dreizahl vorgestellte, strukturierte Einheit verbirgt aber noch viel mehr. Sie beschreibt, wie wir sehen werden, über die inhaltliche Erweiterung der Vorstellung vom Symmetrieprinzip nicht weniger als das Wesen des goldenen Schnitts. Auch der goldene Schnitt erzählt von Einheit und Ganzheit obwohl seine drei Teile Minor, Major und das Ganze sich phänomenologisch voneinander unterscheiden. Der Schlüsselbegriff ist der des „Bildes“. 

Die zweite Toledot greift aus der ersten Schöpfungserzählung auch den Begriff des Bildes auf, erweitert aber seine Bedeutung. Aus dem zweifach genannten  in-seinem-Bild“ und „im-Bilde“ wird „im-Ebenbild“ und „in-seinem-Ebenbild“. Spricht die Schöpfung des Menschen im Bilde ELOHIMs noch von einer Materialisation des Geistes, so kommt es nun zu einer umgekehrten Gewichtung, der Vergeistigung der Materie. Im Ebenbild tritt die Substanz hinter der Botschaft des Geistes weit zurück. Die inhaltliche Umkehrung signalisieren die zwei Texte auch morphologisch, indem sie „in-seinem (Eben)Bild…“ und „im-(Eben)Bild“ in umgekehrter Folge nennen. Der Text der zweiten Toledot versäumt es aber nicht, die sichtbare Umkehrung sogleich wieder zu einem Ganzen werden zu lassen (Gen 5:3), in dem er beide Begriffe nach dem Auftreten der Differenz nach dem Vorbild der ersten Schöpfungserzählung sofort direkt verbindet: „… Und-er zeugte  in-seinem-Ebenbild (2-4-40-6-400-6 ) nach-seinem Bild“ (20-90-30-40-6). Die Botschaft ist umfangreicher als sie auf den ersten Blick erscheint. Die Vereinigung der Gegensätze von Ebenbild und Bild wäre ungenügend, wenn sie nur über das Gesetzt der Addition geschehen würde und nicht zugleich die damit einhergehende, inhaltliche Höherentwicklung zum Ausdruck bringen würde. Das gilt vor allem deshalb, weil die phänomenologische Umkehr Zweifel daran aufkommen lassen könnte. Der Text macht Dreierlei. Er kehrt um und er stellt dennoch die Einheit wieder her und er macht es klar, deutlich und eindringlich durch die Zwei: Während das in der 2. Toledot zum Bild hinzugetretene Ebenbild wieder mit dem in der Schöpfungserzählung hervorgetretene Pränomen „in“ (ב / Bet / 2) versehen wird, wird das ursprüngliche „Bild“ nun nicht mehr nur mit dem gleichen Pränomen, sondern mit dessen höherer Dimension, dem Pränomen „nach“ (כ / Kaph / 20) versehen, das die Zahl 20 repräsentiert! 

Die Drei Erzählungen, die erste Schöpfungserzählung, die erste Toledot und die zweite Toledot entfalten eine fraktale Struktur von Symmetrie analog dem goldenen Schnitt mit seinen Größen Minor, Major und dem Ganzen: Am Anfang steht die Gottheit ((1)). Sie entfaltet sich in ADAM, den Menschen als solchen ((2)), welcher der Gottheit scheinbar nur gegenübersteht. ADAM der Mensch aber gewinnt die Fähigkeit der Schau auf das vereinigende Ganze hinzu ((3)). Mit dem erkennenden Subjekt – dem wahren Individuum – beginnt eine völlig neue Geschlechterfolge, in der anders gezählt und erzählt wird. So beginnt die zweite Toledot eine neue Erzählung über die Schöpfung:

Abb. 2  Die fraktalen Symmetrien zwischen der Schöpfungserzählung, der ersten und der zweiten Toledot erfassen das Wesen des goldenen Schnitts. (Original zu finden unter GoldSchnitt)

Die neue Zählweise in der zweiten Toledot

Die sogenannte Schöpfungserzählung stellt die Existenz der Archetypen anhand von Metaphern in Form von sieben Tagen vor. Sie macht Zweierlei, sie zählt und sie erzählt zugleich. Mit der der ersten Schöpfungserzählung folgenden zweiten aus der Sicht des Subjekts beginnt auch die erste Toledot. Auch sie zählt und erzählt. Die dramatischen Erzählungen vom Paradiesfalls und vom Brudermord KAINs an ABEL verleihen jedoch dem erzählenden Aspekt ein besonderes Gewicht. Der zählende Aspekt hingegen beschränkt sich auf die Beschreibung des Paradieses mit seinen vier Flüssen und zwei Bäumen. So beschreibt die erste Toledot vor allem die Phänomene, die das Dasein des Menschen in der Welt der Erscheinungen begleiten. 

Die zweite Toledot ist in dieser Abfolge ein Drittes und so muss sie gleich zwei Archetypen gerecht werden. Die zweite Toledot beschreibt ihrem Archetyp entsprechend das Gegensätzliche. Als die dritte Sicht in der Abfolge der Sichtweisen (Schöpfungserzählung, erste und zweite Toledot) vereint sie als dritter Archetyp die beiden ihr vorausgehenden Darstellungsformen. Es ist das genuine Wesen jedes Dritten, die Zwei, deren Wesen und deren Aufgabe auf rechte und verbindende Weise zu interpretieren. So wirkt die Drei der mit der Zwei einhergehenden Gefahr entgegen, das Prinzip des Widerspruchs (Widersacher) zum Beherrscher der Ganzheit aufsteigen zu lassen. Der Gegenstand der zweiten Toledot bleibt die Zwei, das Teilen und das Geteilte. Nur erhält sie durch die Wirkung der Drei einen ganzheitlichen Zusammenhang. Die Zwei und das Zweite erhält eine im wörtlichen Sinn eindeutige Richtung. Die zweite Toledot untergliedert dementsprechend die Lebenszeit ihrer Protagonisten im Sinne der Drei-Einheit und somit in drei Zeitabschnitte. Die sind:

  • das Alter, mit dem die Protagonisten „gezeugt“ haben.

Wer zeugt (3), der erstellt eine neue Ganzheit, ein neues Leben.

  • die Lebenszeit nach der Zeugung. Die Zeit ist die „zweite Zwischenzeit“ und somit auf das Ende im Sinne des Ganzen (!) bezogen.
  • die Gesamtlebenszeit. Sie nimmt am Ende der Unterteilung noch einmal bewusst das Ganze in den Blick.

(siehe Anhang II – Geschlechterliste der 1. + 2. Toledot)

Die Struktur der zweiten Toledot verweist auf das wahre Wesen der Zwei. Sie verweist darauf, dass alle Teile der Ganzheit dienen und stets unter dem Blick des Ganzen zu betrachten sind. Jener große, im goldenen Schnitt erfasste Zusammenhang gibt dem sogenannten Zweiten seinen notwendigen Platz im Ganzen zurück. Der Text spricht deshalb ausdrücklich davon, dass die Protagonisten „Söhne und Töchter“ zeugen. Die neue Sicht auf das Ganze rechtfertigt den letzten, aus nur einem hebräischen Wort bestehenden Satz, mit dem die Sicht auf jedes genannte Subjekt abgeschlossen wird: „Und-er-starb“ (6-10-40-400 / Σ 456).

(Siehe Aufsatz „Zweite Toledot“)

Anhang II   Die Geschlechterlisten der ersten und der zweiten Toledot

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