Was diese Zahl erzählt:

Was diese Zahl erzählt:

Die mysteriösen Koran-Initialen und das polare Wesen der Zahlen

von Michael Stelzner

Inhaltsverzeichnis

1. Die Herausforderung

Koran-Initialen sind Vorbuchstaben bzw. Vorzahlen, die 29 der 114 Koran-Suren als eigenständige Verse oder dem Text des jeweils ersten Verses vorangestellt sind. Im Arabischen werden sie «Abkürzungen» (muqatta’aat) genannt. Sie sind ungleichmäßig über die Suren verteilt und wirken wie Fremdkörper ohne Sinn und Bedeutung. Weil sie ein offenbarter Teil der Schrift sind, können sie jedoch nicht wirklich ohne Bedeutung sein und müssen als Laute bei der Koran-Rezitation mitrezitiert werden. Jener eigenartige Kontext lässt vermuten, dass die scheinbar sinnlosen Vorbuchstaben die Hüter einer Schwelle sind, hinter der sich eine letzte und höchste Botschaft verbirgt, welche nur wenigen vorbehalten ist. Zugleich lässt sich ebenso vermuten, dass der Kontext auch die Bedingungen enthält, die erfüllt sein müssen, um die Botschaft der Koran-Initialen zu empfangen.

Die Initialbuchstaben stehen alleine, zu zweit, dritt, viert oder fünft zwischen der Eingangsformel der Suren (Basmala) und dem Text. Sie sind von Sure 2 an bis einschließlich Sure 68, in 29 Suren unregelmäßig verstreut (s.u. Abb. 2). Keine Mathematik kann ihre Ordnung festmachen und doch besteht eine. Wenn die Initialbuchstaben das letzte Geheimnis hüten, dann hüten sie das Geheimnis der Zahl selbst. Denn: Wir suchen die Ordnung an sich und jegliche Ordnung hängt an der Zahl. Ohne sie ist keine Ordnung vorstellbar. Und wir wissen, dass das Geheimnis der Zahl über ihr mathematisches Potential hinausreicht und dass sie in Form der Archetypen ein erstes «Anderes»(2) gegenüber der göttlichen Einheit (1) bilden. Die Initialbuchstaben thematisieren nicht weniger als den Wesenskern der Archetypen. Wer ihn ergreifen will, der muss das Wesen der Zwei durchschauen. So ist dann auch die erste initialisierte Sure die Sure 2. Das Geheimnis der Zwei lüftet das «Gesetz der Vier», in dem die Zwiespältigkeit der Zwei zum integrierten Teil eines größeren Ganzen wird. Entsprechend sind die Suren 1 und 4 nicht initialisiert, denn das Verhältnis der beiden Archetypen beschreibt das Urverhältnis aller Verhältnisse und macht jede noch so zwiespältige Beziehung endlich doch noch begreifbar. Das gilt auch und insbesondere für heilige Schriften und ihr Verhältnis zum an sich Unbegreiflichen.

2. Die zwei Aspekte der Zwei

Die Koran-Initialen beginnen mit der 2ten Sure und sie thematisieren die zwei Aspekte der Zwei, das Halb-Sein und das Doppelt-Sein, die auf gegenpolare Weise das Ganze und Göttliche (1) anschaulich machen. Die sogenannten «initialen Zahlen» bestehen aus nur 14 der insgesamt 28 Buchstaben des arabischen Alphabets und sie treten in 14 verschiedene Formen und/oder Kombinationen auf. Sie bedienen sich ausdrücklich der Hälfte (½) und verweisen über sie und ihr Doppeltes (2), auf das Ganze. Vordergründig erzählen die Initialbuchstaben jedoch nur vom «Hälftigen», vom «Fehlen» und vom «Fehler», der allem Dasein anhaftet, so auch den Zahlen im Koran. Sie fordern den Leser heraus, nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben und ihr halbes und doch wiederum ganzes Wesen nach seinem Sinn zu hinterfragen. 

Da nur die Hälfte der Buchstaben auch Initialbuchstaben sind und als sogenannte «Lichtbuchstaben» bezeichnet werden, wird die Aufmerksamkeit unweigerlich auch auf die fehlende Hälfte, auf die «Schattenseite der Zahlen» gelenkt. Das fordert das profane Wissen zum wahren Wissen über die Beziehung von Eins und Zwei heraus, von Licht und Schatten, das über die alltägliche Polarität hinausreicht. Das Tor zu dem Wissen ist der Schatten. In ihm verbirgt sich das eigentliche Geheimnis, denn mit seiner Hilfe kann sich das rechte Bewusstsein über das unvollkommene und somit falsche Verstehen des zweiten Archetyps erheben. 

Die Frage nach dem Schatten gipfelt in den letzten vom Bewusstsein erreichbaren Entitäten, den Archetypen bzw. den Zahlen und ihren zwei Seiten, der zählenden und der erzählenden. Welche der Seiten ist aber nun die «Schattenseite»? Die Religion und die Naturwissenschaften haben scheinbar eindeutige und doch entgegengesetzte Antworten. Die Wahrheit liegt in der «Mitte». Doch Vorsicht! Hier geht es nicht um eine linearlogische Mitte, welche über die Logik des Rechnens erfasst werden könnte. Die wahre Mitte des Lebendigen ist vielmehr von triadischer Art (siehe Aufsatz über die Mitte /Link setzen). Die jeweils als «dunkel» empfundene Seite der Zahl zielt auf den Archetyp der Drei, der die andere, gegensätzliche Hälfte nicht ausschließt, sondern als hilfreich und notwendig betrachtet und einschließt. Der Kern jeder Religion greift auf die Zahl mit ihren beiden Seiten zurück und unterstellt keine der beiden «Zauberei», wie es Ungläubige aus der Angst vor Machtverlust tun und wie es die Sure 74:23f erzählt.

Konkret führen die zwei Perspektiven auf die Zahlen dazu, sie auch im Koran als notwendig und hilfreich zu schätzen, nicht aber dazu, aus ihnen das göttliche Geheimnis zu berechnen. Die initialen Zahlen führen nicht direkt zum Geheimnis – im Gegenteil. Sie erweisen sich als Sackgasse des Erkennens. Doch aber gerade durch das Erkennen des Nichterkennbaren kann man wahrhaft erkennen! 

Die Ordnung des Zahlenstrahls besticht, obwohl es, wie wir wissen, eine reduzierte Ordnung ist. Ihre Phänomene bergen die Gefahr, dass man der Macht der Zahlen und ihrer vordergründigen Ordnung anheimfällt. Um der Gefahr zu entkommen, ist einerseits die Konfrontation mit dem bewussten Bruch der bestechenden Linearität geradezu notwendig. Andererseits gibt es viele Brüche, die das Dasein in seiner Vielfältigkeit im Grunde erst hervorbringen, jedoch vorschnell dem Reich des Profanen zugeordnet werden. So besteht die Notwendigkeit fort, einen genaueren Blick auf das Wesen der Brüche zu werfen. Das macht der Koran anhand der Zahl 19, deren Nähe zum Bruch aus der Sicht der bekannten Zahlensysteme nicht unmittelbar ersichtlich ist und doch gerade dadurch das Tor zu einer größeren Einsicht aufstößt.

Die Sprache des Korans kann das leisten, weil zur Zeit des Propheten Buchstabe und Zahl noch eines waren und jeder der sogenannten Archetypen sowohl einen zählenden Reihenwert als auch einen erzählenden Zahlenwert hatten. Beide Werte sind bis einschließlich der Zahl 10 identisch. Ab der Zahl 11 tritt der Aspekt der Unterscheidungen der Dimensionen hinzu. 

 

Abb. 1  Die 28 Buchstaben des arabischen Alphabets und ihre 28 Zahlenwerte. Die Zahl 29, die Anzahl der initialisierten Suren übersteigt auch diese Ordnung noch (siehe V).

Die Zuordnung der linearen Ordnung der Zahlen zu den «erzählenden Zahlenwerten» (in Abb. 1  grau hinterlegt) lässt erkennen, dass die umfassendere religiöse Ordnung dem 9er-Rhythmus folgt, der schon dem älteren hebräischen Alphabet zu Grunde liegt. Vor allem lässt die Zuordnung die besondere Stellung der 19 erkennen. Mit der 19 beginnt eine neue, verbindende dritte Seins-Art (siehe III), welche die vorangehenden zwei polaren Sichtweisen (I + II) übersteigt und sie dabei zu einem neuen Ganzen verbindet. Über die Zahlenwerte der Buchstaben und über ihre Ordnung wird zudem ersichtlich, dass der 28te arabische Buchstabe eine vierte Daseins-Dimension (IV) eröffnet. Tatsächlich manifestieren (4) die 28 Buchstaben die Basis des Erkennens an sich und der 28te repräsentiert ihr Erscheinen in besonderer Weise. Das unterscheidet das arabische Alphabet vom hebräischen, das nur 22 Buchstaben kennt. Die muslimische Buchstaben- und Zahlenordnung entfaltet die ihr vorausliegende hebräische Ordnungsstruktur, beschreibt aber ebenso den Bruch der Linearität und die aus ihm hervorgehende Erhebung des Bewusstseins (5 / s. V in Abb. 1).

Für beide Weisheitslehren, die der Hebräer und die der Araber sind Buchstaben und Zahlen nur Hinweisende. Sie verweisen auf etwas, das höher liegt und selbst über sie noch hinausgeht und nur in einer 5ten Seins-Art, nämlich im Bewusstsein (5) Heimat findet. Aus der Perspektive der arabischen Buchstaben und Zahlen entspricht das der aus der 28 sich erhebenden 29. Folgerichtig weist der Koran 29 initialisierte Suren auf. Ihr Geheimnis kann die in der Linearität gefangene zählende Zahl nicht mehr gänzlich erfassen. Der Leser des Korans kann sie aber wohl übersteigen. Dabei hilft ihm, dass sich der Glanz der Gewissheit auch in den niederen Seins-Arten und ihren Schatten niederschlägt. 

Dem sorgfältigen Leser des Korans begegnen zwei Welten über die er sich auf ein wiederum höheres Anderes zubewegt. In der Ordnung der profanen, «gezählten Daseins-Dimension» wird der Wechsel (s.o. 110 alias I-II) mit der Zahl 10 angezeigt. In der ganzheitlichen Ordnung des Korans hingegen und der von ihm «erzählten Seins-Dimension» zeigt die Zahl 19 den Wechsel zum Geistigen (I-II—III) an. Insofern wundert es nicht, dass die 10te initialisierte Sure ausgerechnet die 19te Sure ist. Die Ordnung der Koran-Initialen verbindet die profane Weltsicht mit der Sicht auf das Ganze und Heilige. 

Die Koran-Initialen lassen den ernsthaften und in (zählenden) Linearitäten verhafteten Leser des Korans nicht entkommen, denn der Koran besticht durch viele Scheinlinearitäten, die einerseits auf ihn magisch wirken und andererseits von ihm doch überwachsen werden müssen. So fällt vor allem auf, dass die Suren ihrer Länge nach geordnet sind und nicht in der Reihefolge ihrer Offenbarung durch den Engel Gabriel. Die Linearitäten sind Hilfsmittel, die gelesen, verstanden und schließlich doch überwunden werden müssen. Das begründet den Kontext der Offenbarungen, in dem der Engel Gabriel den Propheten zum vermeintlichen «Lesen» zwingt, obwohl er es nicht vermag. In Wirklichkeit war Mohammed nicht in der Lage zu «schauen». Es gelingt ihm erst nach viermaliger Gewalt durch den Engel. Nun konnte er die Texte «erschauen», die auf einem Tuch aus Brokat geschrieben waren. Es war ausdrücklich kein glattes Blatt, sondern ein unebenes, gewölbtes und geschwungenes Tuch. «Glatt» im Sinn von linear war nur der beschränkte Verstand des Propheten, den der Engel später als einen «Eingehüllten» (3te Koranoffenbarung / Sure 73) und «Verdeckten» (4te Koran-Offenbarung / Sure 74) bezeichnet. Auf den Punkt gebracht konfrontierte der Engel Gabriel Mohammed mit einer «völlig anderen» Erscheinung, einem archetypisch «Zweiten», das ihn dazu auffordert, sich zu «enthüllen» und zu «entdecken» und sich vom Subjekt zum Individuum zu erheben.

3. Der letzte und doch zuerst offenbarte Initialbuchstabe, das einmalige «N(un)»

Die Berücksichtigung der beiden Seiten der Zahlen bringt Licht ins Dunkel der Brüche und sie bringt auch Licht ins Dunkel der ominösen Vorbuchstaben (Initialen). Ihre Ordnung ist nicht berechenbar, sie wird aber über das Wesen der 19 im eigentlichen Wortsinn eindeutig.

Der letzte der Initialbuchstaben eröffnet den Vers 1 der Sure 68. Er ist das «N(un)» mit der Bedeutung von Fisch. Doch ist dieser letzte Initialbuchstabe zugleich der erste der offenbart wurde. Mit ihm beginnt die 2te Offenbarung (NN /arabisch Nun /Zahlenwert 50). Da ihr die 1te Offenbarung vorausgeht, die 5 Verse bzw. 19 Wörter oder 4 x19 (76) Buchstaben hat, ist das «N(un)» in deren Folge ein 6ter Vers, ein 20stes «Wort» oder auch der 77ste Buchstabe. Die drei Zahlen 6, 20 und 77 sind im Rahmen der 2ten Offenbarung als Repräsentanten eines Anderen und Zweiten zu werten. Das gilt auch für die Sure 68 («Der Schreibgriffel»), die mit dem Text der 2ten Offenbarung und somit mit dem «N(un)» beginnt. Alle die Bilder der Zwei erzählen vom Erheben der Zwei und vom gewonnenen rechten Blick auf sie. Besonders deutlich wird das über die Zahl 20, die eine in die nächsthöhere Dimension erhobene Zwei ist und in der Folge der Offenbarungen in Form des «N(un)» zum 20sten offenbarten «Wort» wird. 

Das Initial N ist einzig und allein in der letzten initialisierten Sure, der Sure 68 (Die Feder) zu finden. Es schließt die Botschaft der Initialen ab. Das von Gabriel zuerst offenbarte und nun abschließende Initial wird zur Sinn-Klammer der Initialisierung. Die mit ihr eingeleitete Sure 68 verbindet den Anfang mit dem Ende einer linearen Sicht. Das einmalige N und die mit ihm eröffnete Sure 68 ziehen einen Schlussstrich unter diese Art der Linearität. 

In der Botschaft verbirgt sich das Wesen der Zahl 14, das in der Reihe der zweistelligen Zahlen vom «Gesetz der Vier» erzählt und von der Aufwertung der Polarität durch das Bewusstsein (5) berichtet. Die initialisierten Suren entfalten die Zahl 14 auf fraktale Weise, also über mehrere Dimensionen hinweg. Sie machen das mit 14 Buchstaben, der Hälfte des arabischen Alphabets. Die 14 Buchstaben manifestieren 14 unterschiedliche Formen bzw. Kombinationen von Koran-Initialen, die sodann im «N(un)», dem 14. Buchstaben des arabischen Alphabets zusammenfließen. In der 14 wird das neue Bewusstsein geboren.  Und das führt immer wieder zum Bild der Einheit von dem «Einen» und dem «Anderen» – dem Geheimnis der Polarität.

Die Sure 68 ist eine Zensur. Um bei den Interpretationen der ihr nachfolgenden Suren nicht in die Irre zu gehen, müssen sie stets vor dem Hintergrund der Botschaft der Sure 68 erfolgen. Das reflektiert auch die Geschichte der Schreibweise des «N». In der vom Kalifen Osman handschriftlich aufgeschriebenen, ursprünglichen Fassung wurde jener Vorbuchstabe mit zwei N (NN) geschrieben. Obwohl der Kalif für die endgültige Zusammenstellung und Lesart des in seiner Form heute noch gültigen Korans verantwortlich zeichnete, wird das symbolisch der Zweiheit zugehörige Initial „vereinfacht“ tradiert. Das ist kein Zufall, denn alle kursierenden koranischen Aufzeichnungen wurden einer strengen othmanischen Rezension unterzogen. Die inhaltliche Einmalig- und Einzigartigkeit dieses Initials erforderte regelrecht auch die formelle Einfachheit. Vor dem hier aufgezeigten und verdeckten Hintergrund ist sie konsequent. 

Ein weiteres Beispiel für Einheit von dem «Einen» und dem «Anderen» finden wir in den ersten zwei Initialen, den Initialen der Suren 2 und 3. Sie sind gleich, d.h. ihre Zahlenfolge (ALM / 1-30-40) ist eine «einheitliche». Die aus drei Zahlen bestehende Botschaft der ersten zwei Initialen ist damit nicht abgeschlossen. Wer tiefer schaut und ihre Entwicklung verfolgt, der findet die initiierende Zahlenfolge wieder in vier weiteren Suren ab der Sure 29. Die zwei den Anfang bildenden und aus drei Zahlen bestehenden Initialen entfalten sich zur Sechs, denn 6mal kommt das Initial insgesamt vor. Die Zwei erscheint im Bild der Einheit der Gegensätze in ihrer weiterführenden Dimension als Sechs. Das Tor hierzu ist die Sure 29. Genau 29 Suren sind überhaupt initialisiert. 

Wer die Dimension der Initialen erfasst, ist ein Initiierter. Ihn zeichnet ein höheres Bewusstsein aus, mit dem eine besondere Verantwortung einhergeht. Von ihr erzählt die Sure «Die Spinne», die Sure 29. Die 29 eröffnet im Koran eine höhere Ebene in der Interpretation. Sie ist die Sicht der Weisheit, die in allen Gegensätzen die Einheit und das Vollkomme erblickt. Die vom Leser bis anhin angeeignete Fähigkeit der Unterscheidung umfasst vorwiegend die horizontale Ebene. Mit der 29 existiert zu ihr nun ein vertikaler Gegenpol, der das Leben zunehmend beeinflusst und der danach trachtet, wiederum das verbindende Dritte zu «entdecken» (siehe 4te Offenbarung o. Sure 74).

Die Initialen erzählen von einem höheren Bewusstsein und seinen Voraussetzungen. Das aber ist bei weitem nicht alles. Sie erzählen vor allem von der aus ihm geforderten Konsequenz! Die hat zwei Seiten. Zum einen relativiert sich das Subjekt (5) gegenüber der Ganzheit und Gottheit (1) als ein Zweites, das ihr stets, freiwillig oder auch widerspenstig dient. Zum anderen hat die Botschaft der Initialen auch eine erkenntnistheoretisch noch weitergehende Konsequenz: Die Entitäten des Erkennens, die Zahlen geben ihren absoluten Eigenwert auf und werden dem Zauber entrissen. Das erzählt die Initialisierung der Suren. 

Die Botschaft der Initialisierung bezieht sich auf alle Zahlen. Unbeachtet dessen verbergen sich in der Zahl und Stellung einer initialisierten Sure zusätzliche Botschaften, worauf die nachstehende Abbildung 2 hindeutet.

Abb. 2  Von den 114 Koran-Suren sind 29 durch sogenannte Vorbuchstaben «initialisiert». Sie kommen in 14 verschiedenen Formen vor. 

4. «N» und das Symbol des Fisches

Die Koran-Initialen sind im eigentlichen Sinn nicht lesbar, weil sie keinen Sinn erkennen lassen. Ihre scheinbare Sinnlosigkeit erwächst aus ihrer Einmaligkeit und Einsamkeit. Sie sind Abgetrennte ohne jegliche Verbindung. Diesen unvollkommenen und somit falschen Eindruck hinterlassen sie jedenfalls. Der Eindruck gipfelt im letzten Initial, dem «N». Seine Funktion und Stellung zeigt den «Gipfel der Einsamkeit» an und doch steht er ausdrücklich vor jener Sure 68, die ausgerechnet vom dienstbaren Wesen des «Schreibgriffels» erzählt, der alles andere als beziehungslos ist. 

Die in den Koran-Initialen verborgene und paradox erscheinende Weisheit erhellt sich durch die Bedeutung ihres finalen «N». Das «N» selbst löst das Paradox auf, denn es ist sowohl im älteren hebräischen als auch im arabischen Alphabet der 14. Buchstabe des Alphabets. Er hat den Zahlenwert 50. Das ihm zugeschriebene Symbol ist der Fisch. Die Zahl 50 ist eine erhobene 5 und somit das Symbol für ein erhobenes Bewusstseins (5), das eben gerade kein «einsames» ist, sondern ein Bewusstsein, das «eins wird» mit dem größeren Ganzen, wie ein Fisch mit dem Wasser eins wird, in dem er sich bewegt. Ein Subjekt, das mit dem ihm umgebenden Medium ein Ganzes bildet, «fühlt sich eben wohl, wie ein Fisch im Wasser».

Mit dem N und seiner Analogie wird die mit der Zwei und dem Zweiten einhergehende, zerstörende Eigenschaft in einem Ganzen aufgelöst. Mit dem letzten Initial und der Sure 68 endet die bis dahin geltende Sicht auf den Buchstaben und die Zahl die das Initial als solches erst erscheinen ließen. Buchstabe und Zahl waren die Elemente, über die wir die Texte und ihre Inhalte aufnehmen und verstehen konnten. Abstrahiert man den augenscheinlich linearen Vorgang des Erkennens, so sprechen die einzelnen Buchstaben und Zahlen selbst, ohne dass sie ganze Sätze formen und formulieren müssen. Von jenem höheren Zustand erzählen die Initialen des Korans. Auch sie vermitteln Botschaften, bedürfen aber nicht mehr des linearen Schriftsystems. Die Abstraktion vom offensichtlich linearen Schriftsystem hin zu den einzelnen Buchstaben und Zahlen lässt sich bis zu einem Zustand weiterführen, in dem sogar die formalen Buchstaben und Zahlen als dinghafte Träger der Informationen ebenso verschwinden. Was verschwindet, das ist ihre greifbare Form. Die über sie gewonnene Botschaft aber bleibt. Die Schrift hat in einem ersten geistigen Aufstieg das Erkennen möglich gemacht. Die Zahl lässt den Geist weiter aufsteigen und vermittelt Weisheit. Mit dem dritten Aufstieg löst sich die Weisheit von der formellen Zahl. Der Weisheit ist es egal, wie man sie erlangt hat. Das ist die Botschaft der Koran-Initialen, die mit der zweiten Offenbarung und der Sure 68 enden. 

Mit der zweiten Offenbarung und der Sure 68 soll dem Leser klar werden, dass selbst die so wertvolle und hochgeachtete Zahl «nur» ein «Schreibgriffel» ist. Das klingt wie eine Abwertung der Zahl, lässt in der Wirklichkeit aber ihr unbedingt dienendes Wesen im hellsten Licht erscheinen. Die ganzheitliche Sicht auf die Zahl vermeidet, sie zu missbrauchen und sie als Zauberinstrument zu sehen und sich ihr zu unterwerfen, wie man das leider bei Orakelsystemen oder auch in der Mathematik teilweise vorfindet. 

Die ganzheitliche Sicht auf die Zahl bewahrt deren zwei Gesichter, das zählende und das erzählende. Ab Sure 68 lösen die Zahlen sich von den sie verfangenden Eigenschaften. Vor allem aber löst sich auch das auf sie schauende Subjekt von ihnen und kann sich frei entwickeln. Das ist die Botschaft «der Feder», die mit Hilfe der linearen Schrift die Gedanken der Gottheit fortlaufend manifestiert.

Fußnoten

¹ Die Initialbuchstaben bilden regelhaft für sich alleinstehend den 1ten Vers. Die Regel aber wird durch einen höheren Einfluss immer wieder gebrochen. So hat die Sure 42 («Die Begegnung») sogar zwei Buchstabenpaare. Jedes der Buchstabenpaare stellt jeweils einen Vers, bevor der eigentliche Text einsetzt. Bei 9 der initialisierten Suren bilden die Initialbuchstaben zusammen mit dem nachfolgenden Text den Vers 1. Der Initialbuchstabe gehört damit unmittelbar zum Text des Verses selbst. Die 9 Suren sind 10, 11 12, 13, 14, 15, 38, 50, 68.

² Auch die Intitialbuchstaben selbst weisen auf die 9er-Ordnung hin. Die Initialbuchstaben der ersten neun initialisierten Suren beginnen alle mit den gleichen zwei Buchstaben «A-L…». Deren Zahlenwerte sind «1-30» und ihre Bedeutung ist die von «Gewissheit». Die führende 9er-Ordnung des arabischen Alphabets verbirgt bereits in seinen ersten 9 Initialbuchstaben den vom Leser ersehnte Zustand.

³ Die 6 als Repräsentant des Zweiseins: Die 2te Offenbarung offenbart die Zwei und zeigt, dass ihr Wesen keineswegs nur Zwist und Zwiespalt bedeutet, sondern der Grund für den «Fluss aller Dinge» ist, wie er beispielweise im Fluss einer Schreibfeder oder auch in der Bewegung eines Fisches in seinem Medium Wasser sichtbar wird. Dieser Fluss wird durch den Archetyp der Sechs symbolisiert.

Die 77 als Repräsentant des Zweiseins: In der 77 folgt die Sieben einer Sieben. Dem Unberechenbaren (7) folgt ein anderes Unberechenbares. Das Ganze symbolisiert einen Fluss von Unberechenbarkeit. Der Mensch hat sich dem «von Gott Gesandten» zum Nutzen seines eigenen Fortschreitens auf immer neue Weise zu stellen. Die 77. Sure trägt den Namen «Die Entsandten».

⁴ ((a))  Die «Flussform der Zahlen» und die Zahl 14:  Die «Flussform der Zahlen» macht sichtbar, wie sich das erste denkbare Verhältnis, das Ur-Verhältnis 1-2 in der dritten Dimension in der 14 niederschlägt. 

((b)) Die «Bach-Zahl» 14:  J. S. Bach verehrte die 14. Im christlichen Kontext beschreiben 14 Tage bzw. 13 Weihenächte (Raunächte) den Übergang des alten Lichts zum neuen Licht. Die 14 beschreibt die Zeit, die zwischen der «Geburt des Lichts» und seinem «Hervortreten» vergeht. Die «Zeit zwischen den Jahren» benötigt das Bewusstsein, um das Wesen der Polarität zu reflektieren und bewusst zur Funktion werden zu lassen.

((c))  Die ägyptischen Pyramiden und die Zahl 14: Die Zu-und Eingänge in die Pyramiden sind erstaunlicherweise nicht mittig angeordnet. Sie weisen vielmehr davon eine 

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