Das hebräische Alphabet übernahm die 22 Buchstaben des phönizischen Alphabets, dessen numerische Ordnung sowie deren Bedeutungsinhalte. Letztere reichen bis zu den ägyptischen Hieroglyphen zurück. Schon vor 4000 Jahren hat in Ägypten bereits eine systematische Vereinfachung der hochkomplexen Bilderschriftzeichen stattgefunden. Das belegt eine um 1900 v. Chr. datierte, von John Coleman Darnell (Yale Universität) gefundene, in Kalkstein eingeritzte Inschrift in einer Wüstenschlucht westlich von Luxor. Die Inschrift enthält schon Buchstaben der prosemitischen Archetypenordnung und ist damit um mindestens 400 älter als die bekannten semitischen Schriften von der Sinai-Halbinsel um ca. 1500 v.Chr.
Abb. 1 In der um 1900 v. Chr. entstandenen Inschrift werden ägyptische Hieroglyphen bereits zu Buchstaben vereinfacht, die den Buchstaben der prosemitischen Archetypenordnung entsprechen. Aus dem Strichmännchen (s. Pfeil) wurde das hebräische He, das noch heute den Menschen bzw. sein Bewusstsein symbolisieren (entn. aus PM 6/200).
Die heute bekannte Quadratschrift der Juden mit ihrem dreifachen Erkenntniswert von Buchstabe, Sinnbild und Zahlenwert entstand unter maßgeblichen Einflusses des antiken und spätantiken Griechenland. Das gilt insbesondere für die Aufteilung des alphabetischen Zahlensystems in drei Gruppen von je neun Zeichen für die Darstellung der Einer, der Zehner und der Hunderter. Sie war typisch für das seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. nachweisbaren Milesische System, das schon im antiken Griechenland und in Byzanz für Rechenoperationen verwendet wurde. Im 14. Jahrhundert wurde das Milesische System wiederum vom indisch-arabischen Zahlensystem abgelöst.
Für die für die heiligen Schriften wichtige Zuordnung der Buchstaben zu den Zahlenwerten über 10, also 20 bis 400, wie wir sie heute im Hebräischen finden, gibt es keinen Nachweis in vorchristlicher Zeit. Ein solcher existiert aber für das viel ältere Griechische. Das legt nahe, dass den Juden die Verwendung der Zahlenbuchstaben erst relativ spät bekannt wurde. Erst mit der Entwicklung der Quadratschrift im 2. Jahrhundert n. Chr. finden sich die eindeutigen, dreifachen Zuordnungen von Buchstaben, Sinnbildern und Zahlenwerten für alle 22 Buchstaben auch im Hebräischen. Das Entstehen der Quadratschrift und die dreifache Zuordnung führten dann auch zur Kanonisierung der Bücher des TaNaK – der jüdischen Bibel.
Abb. 2 Das hebräische Alphabet mit seinem dreifachen Erkenntniswert aller 22 Buchstaben:
Buchstabe, Zahl und Sinnbild
Auch wenn die aus 22 Buchstaben bestehende phönizische und hebräische Schrift in vorchristlicher Zeit noch keine Dreigliederung und keine Zuordnung der Zahlenwerte von 20 bis 400 aufweisen, so sind dennoch Zahlen und Buchstaben keine getrennten Zeichen. Vielmehr belegen sie bereits eine verbindende Zuordnung von fortlaufender Zahl und Buchstaben. Auch wenn die Griechen nachweislich das Rechnen mit Zahlenbuchstaben erfunden haben, so existierte die lineare Zuordnung von Buchstabe und Zahl schon sehr viel früher. Das gilt, wie F. Dornseiff eindrucksvoll belegt, auch für das Errechnung von Wortzahlen, das der Überlieferung nach auf Pythagoras zurückgehen soll.
Mit den Griechen kam die Zuordnung von Buchstaben zu den Zahlenwerten über Zehn. Die Juden haben unter Einfluss des 27 buchstabigen, Milesischen Systems zudem ihren 22 Buchstaben die 5 Finalbuchstaben (bitte Link setzen) hinzugefügt und Anschluss an die dekadische Zahlschreibung gefunden.
Die erweiterten und bereinigten Zuordnungen wurden unter dem Aspekt von Archetypen zum Hauptgegenstand der jüdischen Schriftreligion. Ihr Fundament wurde die im zweiten Jahrhundert n. Chr. eingeführte und noch heute geltenden jüdisch-aramäischen Buchschrift – die sogenannte Quadratschrift. Sie wurde notwendig, weil das mit dem Aufstieg des Perserreichs verbundene Reichsaramäisch sowie die von ihm verdrängte althebräische Schrift sich für die Vermittlung heiliger Texte zunehmend als unbrauchbar erwiesen.
Die Quadratschrift gilt seit ihrer Festlegung als die einzig kanonische heilige Schrift der Juden. Die in den 22 Buchstaben der Phönizier niedergelegte Botschaft von Archetypen erhielt in der hebräischen, triadischen Ordnung von Form, Sinnbild und Zahlen eine vielseitig logisch nachvollziehbare Struktur. Sie war die Voraussetzung und die Grundlage des aus 22 heiligen Texten bestehenden biblischen Kanons der Juden (siehe TaNaK).
Will man die hebräischen Texte auf rechte Weise verstehen und auslegen, so muss man die drei strukturgebenden Elemente ihrer archetypischen Ordnung kennen und beachten. Das bedarf des Grundstudiums der Archetypen. Ist man derer mächtig, dann fordern die Texte den Leser noch einmal durch ihre Eigenart heraus. Der Text wird von rechts nach links gelesen und es gibt weder eine Unterscheidung in Groß- und Kleinbuchstaben, noch irgendeine Art der Interpunktion, welche uns auf geläufige Weise die Satztrennung anzeigt. Der Leser der Texte muss aber die Informationseinheiten vor dem Hintergrund der Archetypen voneinander unterscheiden. Auch der Sinn der Wörter erschließt sich nicht allein über die uns geläufige Etymologie sondern auch und vor allem durch die Buchstabenfolge, die zugleich eine Zahlenfolge ist. Jedes Wort beschreibt in der Abfolge von Zahlenarchetypen eine Dynamik, die zu seinem wahren Sinn führt. Dieses Vorgehen entspricht nicht unserer gewohnten Weise Texte zu lesen. Zudem wird es erschwert, weil der hebräische Text, wie alle semitischen Sprachen keine Vokale kennt.
Dank der Masoreten und ihrer Sorgfalt besitzen wir noch heute die authentischen Originaltexte des TaNaKs. Neben dieser extremen Sorgfalt haben die Masoreten den Text aber zugleich auch einheitlich vokalisiert. Das macht ihn zwar besser lesbar und rezidierbar. Jede Art von Vokalisation trennt aber auch einander Zugehöriges und verdeckt wichtige Zusammenhänge. Die Vokalisation trennt durch die veränderten Lautwiedergaben die sich eigentlich durch die Zahlen ergebenden Wortverbindungen. Wer ihrer nicht mehr gewahr wird, dem entgeht die so bedeutende Entfaltung eines Begriffs vor dem Hintergrund der Archetypen. Die Schriftrollen in den Synagogen werden – wie die alten Texte – aus diesem Grund nicht vokalisiert.