Der Kalender, die Ordnung und die Archetypen
Der Kalender, die Ordnung und die Archetypen von Michael Stelzner Inhaltsverzeichnis 1. Was ist ein Kalender? Ein Kalender ist der Versuch, die Zeitenteilung zu ordnen.
Die Sprache, das Alphabet und die Schrift
(Teil III) Die Dimensionen der Sprache und ihre vielfältigen Zahlensysteme
von Michael Stelzner
Keine Mathematik kann die Ordnung des Daseins umfassend (be)greifen. Das zeigte uns der Philosoph und Mathematiker KURT GÖDEL im Jahre 1931als er den sogenannten Unvollständigkeitssatz formulierte und so die Welt der Mathematik erschütterte. GÖDEL bewies, dass jedes logische System Sätze enthalten muss, die wahr, aber niemals beweisbar sind. Kurzum: Die Mathematik ist unvollkommen und nicht in der Lage, aus sich heraus ihre eigene Konsistenz zu beweisen. KURT GÖDEL hatte mit einem Paukenschlag das prinzipiell Ungreifbare eines Systems mathematisch formuliert. WERNER HEISENBERG hatte 1927 in der neu aufkommenden Quantenphysik seinem Grunde nach mit der von ihm definierten «Unschärferelation» das gleiche Prinzip verankert.
Die Religionen kennen das Problem seit jeher. Sie sind berufen, die jeweils herrschenden Linearitäten zu überwachsen, indem sie die höhere Dimension des Seins im Dasein der Dinge und Subjekte miterfassen.
Der in die Mysterien Eingeweihte weiß, wie jeder Mathematiker und Physiker, dass jegliche Ordnung an der Zahl hängt. Die Argumente der Naturwissenschaften unterscheiden sich von denen der Religionen, doch wissen beide, dass ohne Zahl keine Ordnung vorstellbar ist. Die Zahlen alias Buchstaben des Alphabets sind die letzten bzw. ersten Entitäten. Die Welt lässt sich über sie aber nur dann hinreichend erschließen, wenn man sie im Kontext der allgegenwärtigen Polarität interpretiert. Das verlangt, ihre zählende und erzählende Seite zu würdigen. Die zählende Seite ist die der befangenen Linearitäten. Die erzählende geht einerseits darüber hinaus, bedient sich dabei andererseits und notwendigerweise immer wieder neuer Linearitäten. Doch die wachsen stetig und erschließen immer neue Dimensionen. Auf diese Weise erschaut der Suchende den ewigen Fluss der Dinge. Der Wechsel zwischen den Dimensionen erfasst das hebräische Alphabet durch dem jeder Zahl bzw. jedem Buchstaben zugeordneten, erzählenden Zahlenwert. Die Konstitution des hebräischen Alphabets schließt so bewusst das ein, was die Mathematik und Physik ausschließt aber im für sie unbegriffenen Phänomen der Emergenz doch sichtbar ist.
Was aus einem einzigen Zählsystem, wie beispielsweise aus unserem Dezimalsystem heraus nicht unmittelbar ersichtlich ist, das bringen die sogenannten heiligen Sprachen wieder ans Licht. Sie basieren auf einer Ordnung von neun grundlegenden Archetypen, die sich in wachsenden Dimensionen wiederholen. In dieser Ordnung besteht eine Identität zwischen den Buchstaben und den Zahlen. Buchstaben sind Zahlen und umgekehrt.
Die hebräische Sprache der Zahlen-Archetypen erfasst gleich zwei Zählsysteme, das Neuner- und das Zehnersystem (Dezimalsystem). In ihr wiederholen sich die neun Archetypen in einer jeweils anderen und höheren Erscheinung. Durch die Folge von Dimensionen werden die scheinbar an der Linearität hängenden Archetypen in eine neue und höhere Ordnung erhoben, in die Ordnung der 10. Dort bleiben sie sowohl gegeneinander als auch in Bezug auf ihre Dimension unterscheidbar. Das gelingt durch die Besonderheit der Sprache, denn die gleich in mehreren Dimensionen auftretenden Archetypen unterscheiden sich durch die ihnen zugeordneten, sogenannten Zahlenwerte. Jede Zahl hat danach einen zählenden Reihenwert und einen erzählenden Zahlenwert. Beide Werte sind bis einschließlich der Zahl 10 identisch. Ab der Zahl 11 tritt der Aspekt der zusätzlichen Unterscheidungen hinzu.
Abb. 1 Die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets haben je einen Reihenwerte und einen Zahlenwert.
Die «erzählenden Zahlenwerte» (in Abb. 1 grau hinterlegt) lassen erkennen, dass sie trotz ihrer speziellen Differenzierung noch der maßgebenden religiöse Ordnung der Neun (33) folgen. Die zweifache Zuordnung lässt aber vor allem die besondere Stellung der 10 erkennen. Mit der 10 beginnt eine neue, zweite Seins-Art (siehe II), welche die vorangehende, lineare Sichtweise (I) übersteigt, deren Wesen sie aber gleichwohl einschließt.
Das Zahlen- und Buchstabensystem der Hebräer erfasst drei Dimensionen (siehe I, II und III), die sich auf eine wiederum höhere zubewegen. In der Ordnung der «profan gezählten Daseins-Dimension» wird der erste Wechsel in eine höhere mit der Zahl 10 angezeigt. Die wiederum höhere Dimension wird mit dem 19. Buchstaben, dem Qoph ( ק ) angezeigt. Er verbindet die Welt des offensichtlich Polaren und Profanen (I + II) mit der Welt des Geistes (III). Das Sinnbild des Qoph ist ein «Nadelöhr». Sein Zahlenwert ist 100. Mit ihm beginnt ein verbindendes Drittes in Form eines neuen Ganzen. Die Funktion macht deutlich, warum sein Bildsymbol ein Nadelöhr ist. Wie ein solches den kleinen Faden mit dem großen Gewebe verbindet, so verbindet das «Nadelöhr» die Widersprüche (2) der Religionen im Bewusstsein ihrer Subjekte (5).
Die mit dem Qoph beginnende dritte Dimension der Buchstaben erzählt wie jedes Dritte vom Zusammenfluss des «Einen» mit dem «Anderen». Ihr vornehmliches Ziel ist es, die Linearitäten zu erkennen und zu überwinden. Da dem Qoph zwei Dimensionen des Lebendigen mit ihren zwei Linearitäten 1-9 und 10-90 vorausgehen, erzählt es nicht nur vom abstrakten «Einen» und «Anderen», sondern vom wirklichen Erleben der begrenzten Linearität in Form von «Anfang» (1) und «Ende» (9) einer konkreten Existenz. Das «Nadelöhr» überwindet sie. Die Abb. 1 macht das über die erhabene Position des Zahlenwertes 100 sichtbar.
Wenn wir nun wissen, dass die Zahlen mit ihren zwei Seiten die Hüter des Wissens sind, dann sollten wir sie so zur Anschauung bringen, dass uns beide Seiten ins Auge fallen und uns beide «einleuchten», wie man treffend sagt. Mit anderen Worten: Wir müssen uns ihrer zählenden Linearität auf eine Weise bedienen, die den durch sie garantierten und doch larvierten Qualitätszuwachs abbildet. Das gelingt, wenn wir die Zahlenfolge in einer triadischen Flussform abtragen, wie ich das in der von mir genannten «Flussform der Zahlen» zeige. Solche Darstellung benutzt zwar noch die uns geläufigen Zahlzeichen, ist aber von diesen nicht mehr abhängig. Jedes Zeichen könnte durch ein beliebiges anderes ersetzt werden. Indem wir uns allerdings zusätzlich auf das uns geläufige Dezimalsystem beziehen, haben wir die Möglichkeit, die in der Flussform ansichtig werdenden Qualitätssprünge aus dem bekannten Blickwinkel heraus zu erfassen. Insofern bedienen wir uns des Dezimalsystems, ohne dass wir uns seinem Diktum unterwerfen. Das ist von außerordentlicher Bedeutung, denn es bedeutet, dass die «Flussform der Zahlen» nicht wirklich an ein Zahlensystem gebunden ist! Sie begründet sich nicht im Dezimalsystem. Die sich in der «Flussform der Zahlen» kristallisierenden Botschaften umfassen prinzipiell alle Zahlensysteme, weil sie auf die nicht weiter reduzierbare Trias zurückgreifen.
Am Ende erklärt sich jedes Zählsystem über die Triade. Sie ist für alle Systeme relevant, denn sie unterhält die Existenzen. Ihre Erscheinungen sind nur unterschiedliche Erscheinungen einer grundsätzlichen triadischen Ordnung. Kein Zählsystem kann die Triade hintergehen. Das gilt auch für das Binärsystem, das durch die Dualität von „Ja“ (1) oder „Nein“ (2) geprägt wird. Auch das Binärsystem bedarf eines Dritten, auf das sich die zwei Wahlmöglichkeiten beziehen. Das ist der Fluss (3)! Das Binärsystem berichtet, ob ein Fluss (3) vorhanden ist (1) oder eben nicht (2). Der Fluss ist das primär Wirkende. Sein Bejahen oder Verneinen sind notwendig, aber nachrangig, auch wenn es für das unterschiedliche Erscheinen vor unserem Auge verantwortlich ist.
Wenn die Naturwissenschaften die Bedeutung des Flusses (3) hinter dem Binärsystem übersehen, dann steht das Bewusstsein vor der sogenannten «binären Falle», die am Ende glauben lässt, man könne das Wesen der Triade hintergehen. Die Tragik liegt im Segen der Linearitäten. Das scheinbar nur auf «Ja» oder «Nein» (praktisch: entweder 1 oder 0) beruhende System ist technisch hilfreich und vor allem bei der Verarbeitung von großen Datenmengen in der Computerwelt erfolgreich. Der nicht hinterfragte Glaube an die uneingeschränkte Herrschaft der zweifelsfrei allgegenwärtigen Polarität verfällt der linearen Sichtweise. Er beraubt die Triade und entwürdigt darin die Eins, die Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit!
Die Zahlen sind der ureigene Ausdruck der Triade und sie existieren aufgrund der allgegenwärtigen Polarität. Sie sind einerseits ganzheitlich und haben andererseits eine zählende und eine erzählende Seite (2). Sie funktionieren (3). Sie sind Abbilder von Funktionen (3) und somit der Schlüssel zum Erkennen allen Seins. Zahlen sind hilfreich und segensreich, verleiten aber wie kein anderes Erkenntnisinstrument dazu, sie als Zauberinstrumente zu sehen und zu benutzen. Das gilt für die Naturwissenschaften ebenso wie für die Religionen. Letztere müssen ihnen deshalb nach ergiebigem und notwendigem Gebrauch die Zauberkraft auch wieder nehmen. Nur so können sie den Menschen zu seiner Bestimmung verhelfen und ihn mit seinem inzwischen reichen Wissen wieder in seine jeweils gewählte Freiheit entlassen. Einige Religionen tun das am Ende ihrer Erzählungen mit Hilfe der Beschreibung einer Apokalypse. Der Islam macht es mit Hilfe von scheinbar sinnlosen Vorbuchstaben vor einigen Suren, die rechnend nicht erfasst werden können, aber als Teil der Offenbarung mitrezitiert werden müssen.
Die Zahlen erzählen, dass das göttliche Geheimnis nicht berechnet werden kann und dass das Nichterkennbare eine Tatsache ist. Sie zeigen aber auch, dass man «erschauen» (5) kann, WARUM die Nichterkennbarkeit existiert, welchen Sinn sie hat und dass sie dem Erkennenden dient. Wer die Zahlen erschaut, der erschaut DAS, was über die Linearitäten hinaus geht.
Das Instrument das die Evolution zum Erschauen der großen Zusammenhänge entwickelt hat, ist das des Bewusstseins. Die Weisheitslehren nähern sich ihm über das Wesen des Zahlenarchetyps der 5. Will man erfahren, worin sein Wesen besteht, dann muss man in den Religionen und Weisheitslehren dieser Zahl nachgegen. Die ägyptischen Mysterien beschreiben es über die Spitzen ihrer Pyramiden, die gegenüber ihren Grundflächen ein 5ter, göttlicher Punkt sind. In der Geometrie und der Kunst finden wir das Wesen der Fünf im goldenen Schnitt und in den Zahlen des Fibonacci beschrieben. Die Kunst wie auch die Esoterik greifen nach ihm über das Pentagramm und fernöstliche Weisheitslehren finden das Wesen des Bewusstseins im sogenannten 5ten Element, dem Äther.
Die abrahamitischen Religionen, das Judentum, das Christentum und der Islam greifen auf das Wesen der Zahl des Bewusstseins im Namen Abraham zurück. Der Urvater ihrer Religionen wurde von der Gottheit ausgezeichnet, weil er eine andere Perspektive auf das «Prinzip Ende» einnahm und die alten Linearitäten überwuchs und seine augenblickliche Heimat verließ. Die Gottheit fügte seinem einst viergliedrigen Namen, einen 5ten Buchstaben hinzu. Es war der 5te Buchstabe des hebräischen Alphabets, das «He» (5). Indem die Gottheit ihm das «Fünfte» alias das besondere Bewusstsein einfügte, wurde aus Abram (1-2-200-40) AbraHam (1-2-200-5-40).
Der geistige Nachkomme Abrahams im Christentum ist Jesus. Die Christen überwanden durch ihn die Unendlichkeit des Todes. Die «Bilder der Befreiung» sind mit dem linearlogisch funktionierenden, profanen Verstand noch weniger zu fassen als die Erzählungen im Alten Testament. Doch haben sie eines gemeinsam. Sie beschreiben den Übergang der Vier zur Fünf. Was der vierteilige Name Abram ist, das ist in den Evangelien das Kreuz. Auch Jesus und die ihm nachfolgenden Christen finden ihre Befreiung über die 5. Hier ist es die 5te Wunde des Erlösers, die sogenannten Seitenwunde aus der heraus das Blut den heiligen Gral (er)füllt und aus dem die Christen das ewige Leben empfangen.
Die Schriften der abrahamitischen Religionen bedienen sich unterschiedlicher Sprachen. Während das Christentum die griechische Sprache benutzt, wird der ihr folgende Islam über den Koran vom arabischen Alphabet getragen. Der Islam und das Christentum bauen auf dem alttestamentlichen Symbol- und Zahlensystem der Juden auf, das wiederum aus dem noch viel älteren phönizischen Alphabets hervorgegangen ist. Um die o.g. Fünfzahl als Archetyp des Bewusstseins zu erfassen, bietet sich in besonderer Weise das heilige althebräische Alphabet an, denn es setzt nicht nur den 5ten Buchstaben, das «He» vielfältig und doch einleuchtend ins Bild, es kennt auch die sogenannten 5 Finalbuchstaben, die nicht nur so bezeichnet werden, weil sie jeweils am Ende eines Wortes stehen, sondern weil sich in ihnen eine heilige, finale Botschaft verbirgt.
☞ … hier geht’s zum Aufsatz:
«Die 5 Finalbuchstaben im hebräischen Alphabet»
☞ … hier geht’s zum Aufsatz:
«Von der heiligen Ordnung der Neun zum Dezimalsystem»
Fußnoten
¹ Das erste Alphabeth das auch Vokale enthielt war das griechische, das vor ca. 3.000 Jahren entstanden ist. Alle früheren Alphabete kannten, wie heute noch zum Beispiel das hebräische, nur Konsonanten.
Alle semitischen Sprachen sind Konsonantenschriften und verzichten weitgehend auf Vokale. Nach P.D. Daniels werden sie auch als Abdschad bezeichnet.
² Das belegt eine um 1900 v. Chr. datierte, von John Coleman Darnell (Yale Universität) gefundene, in Kalkstein eingeritzte Inschrift in einer Wüstenschlucht westlich von Luxor. Die Inschrift enthält schon Buchstaben der phönizischen oder prosemitischen Archetypenordnung und ist damit um mindestens 400 älter als die uns bekannten semitischen Schriften von der Sinai-Halbinsel, die um ca. 1500 v.Chr. datiert werden (PM 6/200 …. hier sollten wir den Originalaufsatz von Darnell anführen).
³ Platon thematisiert das Konzept der Erinnerung in den Dialogen Menon, Phaidon und Phaidros. Seine Vorstellungen werden heute als der Start der philosophischen Auseinandersetzung mit einer apriorischen Erkenntnis angesehen.
⁴ „Reichsaramäisch“ ist kein historischer Begriff. Die besondere Form des Aramäischen wurde von Joseph Markwart so benannt (s. Carl Brockelmann: Das Aramäische, einschließlich des Syrischen. In: Semitistik (= Handbuch der Orientalistik. Abt. 1: Der Nahe und Mittlere Osten. Bd. 3). Photomechanischer Nachdruck der Erstausgabe 1953–1954. Brill, Leiden u. a. 1964, S. 135–162, hier S. 140.)
⁵ Gzella: Tempus, Aspekt und Modalität im Reichsaramäischen. 2004, S. 1–2.
⁶ Dornseiff, Franz, Das Alphabet in Mystik und Magie, Leipzig-Berlin 1925.
„Die Buchstaben waren für die Griechen zugleich Zahlen. Das war eine griechische Erfindung, die im 8. Jahrhundert von Milet ausging.“ (S. 11)
⁷ Georges Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen, Campus Verlag, Frankfurt 1986, Bd. 2, S. 297
⁸ Dornseiff, Franz: Das Alphabet in Mystik und Magie, Leipzig-Berlin 1925, S. 91.
Georges Ifrah: Universalgeschichte der Zahlen, Campus Verlag, Frankfurt 1986, Bd. 2.
⁹ Dornseiff, Franz, Das Alphabet in Mystik und Magie, Leipzig-Berlin 1925, S. 91.
„Die Juden haben in ihrem Zahlenalphabet nicht nur Anordnung und Zahlenwerte des 27 buchstabigen milesischen“, seit dem 8 Jh. v. Chr. nachweisbaren Zahlensystems übernommen, sondern auch, in spättalmudischer Zeit ihr 22buchstabiges Alphabet durch Einführung der 5 Finalbuchstaben auf eine trisenneadische, zur dekadischen Zahlschreibung notwendige Reihe gebracht. … … … Man wird aber sehr irren, wenn man die Erfindung der Umsetzung von Worten in Zahlen deshalb für die Griechen in Anspruch nehmen wollte, weil sie – ohne Zweifel – die Zahlenbuchstaben erfunden und damit diesem Verfahren eine außerordentlich große Anwendungsmöglichkeit gegeben haben. Die mystische Errechnung von Wortzahlen ist älter als die Buchstabenschrift überhaupt und nachweislich schon in der Ideographik des Orients angewendet worden“.
¹⁰ Parallele Formen existieren wie bei allen Kanonisierungen in gewissem Umfang weiter. Auch wird ein Kanon immer wieder auf die eine oder andere Art verwässert. So wird beispielsweise der Samaritanische Pentateuch bis heute in einer Weiterentwicklung der althebräischen Schrift geschrieben und die einst kanonische Quadratschrift fand ihren Niederschlag in Kursivschriften, die sich zudem regional voneinander unterschieden. Die handgeschriebenen Kursivschriften finden sich vor allem im deutsch-aschkenasischen Bereich. Die hinter einem Kanon stehende Absicht der inhaltlichen Deutlichkeit wird besonders gefährdet, wenn der Kanon selbst verändert wird. Das wiederfuhr der jüdischen Bibel, dem TaNaK durch das Christentum. Die christlichen Lehrer veränderten sowohl die Anzahl als auch die Reihenfolge des aus 22 Büchern bestehenden jüdischen Kanons.
Mit dem Herauskristallisieren der Quadratschrift und des den 22 Buchstaben folgenden jüdischen Kanons darf eine dazu andere, parallele Form der Überlieferung nicht unerwähnt bleiben, das „Abschad“ (Abjat), das Alphabet der Araber. Es folgt im Großen und Ganzen der Zahlenordnung des phönizischen Alphabets. Es wird angenommen, dass das protosemitische Alphabet der gemeinsame Ursprung des phönizischen Alphabets und des Abdschad ist. Wie die phönizische und hebräische Schrift besteht auch das Abschad aus einer analogen Folge von 22 Buchstaben. Auch ist es nicht nur ein Alphabet, sondern ebenso, wie bei den Phöniziern und den Hebräern zugleich und vor allem ein Zahlensystem bei dem Buchstaben und Zahlen eine gemeinsame Ordnung beschreiben.
Während in unseren Ausführungen die Archetypen und der aus ihnen abgeleitete Kanon Gegenstand der Erörterungen sind, stehen in der Erforschung der Schriftsysteme die gleichwohl enthaltenen Abweichungen zwischen den Schriften und innerhalb einer Schrift im Vordergrund. So weichen die Buchstabenfolgen einiger nachphönizischer Alphabete, wie beispielsweise die des heutigen arabischen Alphabets infolge weiterer Entwicklungen teilweise vom phönizischen ab. Die Forschung erkennt die ursprüngliche Ordnung dennoch sehr oft gerade über die den Buchstaben zugehörigen Zahlenwerte.
¹¹ Nichts existiert ohne ein über das Existierende Hinausreichendes. Die einfachste Existenz existiert in einem Umfeld, das es durch seine Existenz ansichtig macht. Das gilt insbesondere für das Teilhaftige, welches das große Ganze, die Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit ansichtig werden lässt. Das Neuner Zahlensystem zeigt uns zwar die auf Ganzheit (1) beruhende, nicht endende (∞) Funktion (3), aber auch es kann nur existieren, weil es das Zehnersystem – das über es Hinausreichende – bereits im Hintergrund gibt.
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