Das Schachspiel und sein zahlensymbolischer Hintergrund
Das Schachspiel und sein zahlensymbolischer Hintergrund von Michael Stelzner Das Spielbrett ist ein in der Ebene erscheinendes «Feld» vor dessen Hintergrund bzw. auf dem durch
Das Pentagon-Dodekaeder von Schwarzenacker
und das Geheimnis seiner Zahlen
von Michael Stelzner
Das Dodekaeder ist ein in den Raum entfaltetes regelmäßiges Fünfeck. Es besteht aus 12 gleichen Fünfecken. Das sogenannte «zwölffache Fünfeck» wird regelmäßig als Pentagon-Dodekaeder bezeichnet.
Das Dodekaeder ist eines der zwei größten der insgesamt 5 platonischen Körper. Es ist im weitesten Sinn ein Kunstprodukt, denn es kommt in der Natur so nicht vor. Sein Anblick verlangt eine Vorstellungskraft, die nur ein hochentwickeltes Bewusstsein hat. Man kann vorwegnehmend sagen: Die Gestalt des Körpers bezeugt geradezu ein solches Bewusstsein (5) oder fordert es zumindest heraus. Wie jedes Bewusstsein entspringt es der Natur (4). In der Herausforderung erhebt es sich zugleich über seinen natürlichen Grund. Es ist das «Übernatürliche» – das zu hoher Abstraktion fähige Bewusstsein – das das Wesen des Fünfecks und den in ihm verborgenen goldenen Schnitt zu erfassen vermag.
Das aus 12 Fünfecken bestehende Dodekaeder führt die ohnehin anspruchsvolle Botschaft der Fünf und des Fünfecks zu einem neuen Gipfel. Es erhebt dessen abstrakte Botschaft in die Dimension des Raumes und somit in den greifbaren Gesichtskreis des Lebens. Das Dodekaeder symbolisiert zwei gegenläufige Dynamiken (¯ + ), die es zusammenführt. Es konkretisiert und manifestiert einerseits (¯) und es erhebt andererseits das Bewusstsein in eine neue und höhere Dimension ().
Es war PLATON (427-347 v.Chr.), der über sein Werk Timaios das Dodekaeder zu seiner nachhaltigen Wertschätzung brachte. Für ihn galt der schon damals für jedermann imposante Körper als mathematisch vollkommen. Doch auch die anderen vier, heute als platonische Körper bekannten Gebilde sind wegen ihrer allseitigen Symmetrie starke Symbole für ein vollkommenes Dasein. Jeder der Körper illustriert das auf seine Weise. Das Besondere des Dodekaeders ist seine Analogie zum Bewusstsein (5), von dem die Weisen der Welt seit jeher über die Zahl 5 erzählen.
Die Weisheit des PLATON beruht auf der Weisheit der Pythagoreer, die schon 100 Jahre vor PLATON gewirkt haben. Sie erkannten den Grund aller Weisheit in den «Erzählungen» der von den Dingen losgelösten, abstrakten Zahlen. Für die Pythagoreer waren die Zahlen die Ursprache, die Sprache aller Sprachen. Jedermann kennt die Äußerung «Alles ist Zahl», die zu ihrem Etikett wurde. In Wirklichkeit ist der Zusammenhang subtiler. Die Pythagoreer enthüllten das Wesen der Zahl Vier und fanden in ihm die Grundform allen Daseins. Die Zahl Vier war für sie die Verkörperung des Heiligen. Wegen ihres einmal erkannten, durchgreifenden Wesens machten sie die Vier zu ihrem äußeren Erkennungszeichen. Gleichwohl wissen wir heute, dass das geheime Erkennungszeichen eines eingeweihten Pythagoreers die Zahl Fünf bzw. das Pentagramm war.¹ Die Unterscheidung von Bewusstem und Unbewusstem, von Allgemeinem und Geheimen war ihnen wichtig, denn ihrem neuen Wissen nach dient sie der Erhaltung des Lebens. Das galt auch und vor allem für die geheime Gesellschaft in der sie sich organisiert hatten. Sie wussten, «Wer aufgrund gewachsenen Wissens den Kopf aus der Menge erhebt, der wird schnell verfolgt und mit Steinen beworfen.»
Der Legende nach hat der Grieche Hippasos von Metapont – selbst ein Eingeweiter – den geheimnisvollen Körper der Öffentlichkeit preisgegeben und von ihm auch jenen erzählt, die es nicht wissen wollten. Das war ein Tabubruch und er bekam ihn zu spüren. Angeblich sei Hippasos deshalb im Meer ertrunken.
Die wundersame Gestalt des Dodekaeders hat spätestens seit der Erwähnung durch PLATON im Timaios die Aufmerksamkeit der Sinnsucher auf sich gezogen. Nichts desto trotz ist mir bis heute keine sinnstiftende Interpretation für die Existenz des Körpers bekannt. Das bestätigt auch das berühmte Buch «Götter, Gräber und Gelehrte» von C. W. CERAM. Der Autor skizziert im frühen dritten Kapitel «Fährtensucher der Geschichte» ein antikes Dodekaeder und dazu: «Was ist das? – und es sei gleich hinzugefügt: Die Archäologen haben die Antwort noch nicht gefunden.»²
Im Jahr 1980 fanden Archäologen bei der Ausgrabung einer einstigen römischen Siedlung in der Ortschaft Schwarzenacker ein besonderes Dodekaeder. Es stammte aus dem 2. Jhd. n. Chr. Inzwischen sind mehr als 100 solcher Exemplare gefunden worden und ihre Zahl nimmt stetig zu.
Laut den Beschreibungen durch das Römermuseum in Schwarzenacker wurden alle bisherigen Pentagon-Dodekaeder nördlich der Alpen in ehemaligen römischen Provinzen gefunden, die vormals von den Kelten besiedelt waren.³ Die Funde reichen von Schottland bis Ungarn.
Die Verwendung der eigenartigen Körper ist unbekannt. Die Vermutungen sind oft von profaner Art und treiben mitunter bizarre Blüten. Doch allein die Eigenart des Körpers, seine aufwendige Herstellung und seine Fundorte an Kultstätten lassen vielmehr auf einen kultischen Gebrauch schließen. Ich möchte nun zeigen, dass bei Kenntnis seines Wesens und seiner Botschaften kein Zweifel mehr daran bestehen kann.
Der geistesgeschichtliche Hintergrund dieses platonischen Körpers wurde immer wieder erwähnt, meines Wissens jedoch noch nie umfassend beschrieben, obwohl die antiken Gelehrten durchweg die kosmische Bedeutung dieses Zwölfflächners erwähnen.⁴ Um seine Bedeutung zu erhellen, greife ich auf die in ihm ruhende Symbolik zurück, deren Sinn über das platonisch-pythagoräische Gedankengut begreifbar wird. Das Dilemma der heutigen Deutungsbemühungen besteht vor allem im modernen Zeitgeist, der stets primär nach den unmittelbaren, «nützlichen» Funktionen fragt und nicht nach den Symbolen und den hinter ihnen wirkenden Zahlen.
Das besondere Pentagon-Dodekaeder von Schwarzenacker unterscheidet sich vom klassischen Dodekaeder durch zwei Ergänzungen. Beide heben die eigentliche Botschaft des klassischen Körpers und seiner Zahlensymbolik hervor.
Zum einen tragen die 20 Ecken je eine Kugel. Zum anderen sind die 12 Flächen des hohlen Körpers mit 12 kreisrunden Öffnungen versehen. Was bewirken die Ergänzungen? Was «erzählen» sie? Ihre Symbolik verrät es. Sie umfassen nicht zufällig zwei, denn sie sind von gegensätzlicher Art. Die eine Ergänzung besteht im «Hinzufügen» der Kugeln und die andere durch das «Wegnehmen» von Substanz, was den Eindruck von Löchern vermittelt.
Die künstlichen Veränderungen des allbekannten Körpers bringen nicht nur Gegensätze zusammen. Sie fügen Extreme einander zu und vereinen das, was scheinbar nicht zu einander passt. Kurzum: Das so ergänzte Zwölfflächner macht die Zusammengehörigkeit des scheinbar nicht zu Vereinbarenden ansichtig.
Das Eine ist das «Runde», die Kugel. Sie ist ein Symbol für die Ganzheit und Vollkommenheit. Das Andere ist das Loch, ein Symbol für das Fehlende oder das Verfehlende. Mit anderen Worten: Der Zwölfflächner vereint das Ganze (1) mit dem Teilhaftigen (2) alias das Vollkommene mit dem Zwiespältigen alias die größere göttliche mit der kleineren menschlichen Dimension (siehe 1+2➜12).
Die Botschaft des Körpers endet nicht mit der Darstellung der Polarität. Vielmehr führt sie zum Erkennen eines aus ihr hervorgehenden Dritten, das seinerseits von der Dynamik (3) des Lebendigen (5) erzählt. Wir erkennen das sowohl im Blick auf die Kugeln als auch im Blick auf die Löcher.
Beginnen wir mit den Kugeln: Die Ecken des Körpers entsprechen den «Spitzen», dem «Kantigen» und «Aggressiven» im Dasein des Lebens. Die sie überlagernden Kugeln stellen es nun aber in das Licht des Ganzen (1). Die jeweils das Eckige und Kantige umhüllenden Kugeln wiederholen in ihrer Vielheit die jedem platonischen Körper umgebende und umschreibende Kugel.
In den Ecken, die zugleich Kugeln sind, laufen je drei gerade Linien (Kanten) zusammen. Sie vereinen über ihren gemeinsamen Mittelpunkt die Vielheit des (unvollkommenen) Linienhaften. Die vom menschlichen Bewusstsein (5) hinzugefügte Kugel erfüllt das von ihm visualisierte Ideal mit Dimension, oder andersherum: Die Einheit alias Gottheit bekommt hier Gestalt. Wer die Symbolik des Pentagon-Dodekaeders durchschaut, der erfasst in der Figur das Anliegen jeder Religion.
Die Zahl der hinzugefügten Kugeln ist 20. Sie erzählt zahlensymbolisch von der Erhebung der Polarität (2➜20) in eine neue und höhere Dimension. War die Zwei bis zum Erkennen ihres wahren Wesens allein der Grund von Zwist und Zweifel, so wird sie nun wohlwollend aufgenommen und als Türöffner für eine neue Weltsicht interpretiert. Im hebräischen Alphabet symbolisiert der Zahlenwert 20 das «Kaph» (כ). Es ist sein 11. Buchstabe. Das Schriftzeichen ist – wie der Fluss der Schrift – nach einer Seite hin offen. Da die hebräische Schrift von links nach rechts geschrieben wird, bleibt die linke Seite unbegrenzt. Das ermöglicht analog der Schrift ein fortlaufendes Wachstum. Das dem hebräischen Buchstaben und der Zahl 20 zugeordnete Bild-Symbol ist die geöffnete, die empfangende Hand.
Was die Ecken und Kugeln erzählen, das wiederholt sich in gegenpolarer Weise in der zweiten Ergänzung, in den Löchern der 12 Flächen. Die Polarität von Kugel und Ecke wird durch den Blick auf das «Fehlende» im Leben ergänzt. Während die Kanten, Ecken und Kugeln über das Linienhafte erscheinen, greifen die Flächen symbolisch eine höhere Dimension auf. Der niederdimensionalen Linie gegenüber manifestieren sie ein weitergehendes Kontinuum, das im Fünfeck auf seine Weise das Eine und Göttliche zur Gestalt erhebt. Zugleich wird auch das wiederum durch das jeweils vorhandene Loch in seiner Mitte durchbrochen. Wieder fallen die Extreme zusammen. Auch hier werden im Anblick jedes Fünfecks das Vollkommene und Göttliche einerseits und das Unvollkommene und Fehlende andererseits zu einem Ganzen.
Das Loch steht für das Fehlen und den Fehler (2), die jedem Leben zugehören. Der Mensch findet ihn hier nun auch in der ihn begegnenden Gottheit und der von ihr hervorgebrachten Ordnung. Der Fehler ist so subjektiv und individuell wie die Menschen selbst. Kein Loch ist mit einem anderen identisch. Jedes hat eine andere Größe.⁵ Von jedem geht eine andere Botschaft aus, die trotz ihrer Subjektivität immer auf eine größere Einheit und Ganzheit zielt. Dieses Eine und vereinende Ganze findet man im gemeinsamen Mittelpunkt im Inneren des Körpers. Dass die Zahl 12 der Flächen und Löcher kein Zufall, sondern Botschaft ist, wird hier deutlich. 12 ist die Zahl der Ordnung, weil sich in ihr erstmals – der zweistelligen Zahl – die zwei ersten Archetypen, die Eins (Einheit, Gottheit) und die Zwei (Zwiespalt, Polarität) zu einem größeren Ganzen verbinden.
Die Zahl 12 verlangt Hierarchie. Über sie bekommt die Gottheit (1) dank des hinzugefügten, polaren Widersachers (2) Gestalt. Die Zahl der Ordnung erzählt vom hierarchisch geordneten Verhältnis zwischen der Gottheit (1) und ihrem Gegenüber (2).
Sowohl die Gottheit (1) als auch das Gegenüber (2) erscheinen jeweils im Rahmen eines Bewusstseins. Seine Zahl ist die 5. Die Wechselwirkungen zwischen einem jeweils kleineren und größeren Bewusstsein finden über 6 zentrale Durchsichtsachsen statt, welche jeweils zwei gegenüberliegende Fünfecke verbinden. Die Zahl 6 ist nun wiederum jener Archetyp, der die verbindende Funktion zwischen den sich unterscheidenden und ergänzenden Subjekten (5) bewirkt (siehe Symbolik 5—6—5). Der Archetyp 6 erzeugt und bezeugt die ewige Fruchtbarkeit.
Die Fruchtbarkeit kommt nur zustande, weil den beteiligten Subjekten jeweils etwas fehlt. Im Dodekaeder wird das subjektiv Fehlende durch die Löcher in den Flächen symbolisiert. Misst man sie am Pentagon-Dodekaeder von Schwarzenacker nach, so fällt nicht nur die Einmaligkeit jedes Loches auf. Es fällt auch auf, dass sie umringt sind. Doch die zwei größten und einander gegenüberliegenden Löcher, welche die Grundpolarität symbolisieren, machen hier eine Ausnahme.
KOLLNG deutet die Ringe als Wulst. Wie dem auch sei, unterscheidet sich das größte Paar der insgesamt 6 Paare von den anderen durch seine Einfachheit. Da alle Löcher wegen ihrer verschiedenen Größen einmalig sind, hebt das größte Paar seinerseits die Unmittelbarkeit des Einmaligen hervor. Das größte Paar ist das Ur-Paar, das für das Gegenüber von 1 und 2, dem Ganzen (1) und dem Geteilten (2) steht. Das besondere Archetypen-Paar initialisiert gewissermaßen die anderen Gegensätze in ihrem «Fehlen». Dem reinen Ur-Paar folgen die weiteren Archetypen, welche mit Ringen umgeben sind. Das «Umringt-Sein» erzählt nicht mehr allein von der Zweiheit und Polarität, sondern von einem Dritten, also einer Drei-Einheit. Die Ringe illustrieren das «Gehalten-Sein» des Fehlenden und Fehlerbehafteten. Das allgegenwärtig Fehlerhafte wird gewissermaßen durch das Wesen des Ur-Paares in der Ordnung «gehalten».
Aus dem besonderen Archetypen-Paar geht ein neuer Archetyp hervor – der Archetyp der Drei. Er steht für die Funktion (3). Wir kennen ihn in den Religionen in Form einer Götter-Drei-Einheit.
Die kultische Funktion des Pentagon-Dodekaeders erschließt sich aus dem voran Gesagten. Dass der Gegenstand konkret von einem Stab getragen wurde, der durch das größte, nicht umringte Loch-Paar gesteckt war, wurde von den Archäologen immer wieder vermutet. Tatsächlich weist auch die besprochene Zahlensymbolik dem größten Loch-Paar eine besondere, initiierende Rolle zu. Aus ihm geht nämlich ein Drittes, die Funktion als solche hervor. Im Rahmen des verehrten Göttlichen ist es wahrscheinlich, dass man das an einem Stab geführte Kultobjekt für Segnungen verwendet hat. Der den Stab mit dem Pentagon-Dodekaeder an seiner Spitze haltende und segnende Mensch (Priester?) übernimmt die Funktion (3) im ganzheitlichen und verbindlichen Sinn. Die zwei den Stab tragenden Löcher bedürfen der Ringe nicht. Für sie steht der segnende Mensch selbst bzw. die Dreiheit vom Segnenden, Gesegnetem und dem sie verbindenden Ritualgegenstand.
Um das Pentagon-Dodekaeders umfassend verstehen zu können, bedarf es des Wissens der Erzählungen der Zahlen, die seit jeher Gegenstand von Geheimgesellschaften waren, wie beispielsweise die der Pythagoreer oder der bekannten Akademie des PLATON. PLATON hat in seinem letzten Werk «Epinomis» – das nur sehr Wenigen bekannt ist – die Zahlen als den Schlüssel aller Weisheit beschrieben.
Trotz der Notwendigkeit dieses Wissens kann ich es in dem hier vorhandenen Rahmen nur ungenügend wiedergeben. Ich habe deshalb die hier genannten Archetypen sehr weit heruntergebrochen. Wer sich jedoch schon mit dem Wesen der Zahl beschäftigt hat, der kennt ihr Schlüsselgesetz, das ich das «Gesetz der Vier» nenne. In meinen Aufsätzen beschreibe ich es und erkläre es ausführlich vor dem Hintergrund der triadischen «Flussform der Zahlen».
Für den, der Kenntnis über das Gesetz hat, weiß, dass der im Dodekaeder ins Auge fallende Archetyp der Fünf sich aus der Vier erhebt und sich hier symbolisch in Form des Bewusstseins (5) entfaltet. Die Ägypter haben diese Entfaltung in der Pyramidenform erfasst und mangels einer genügend differenzierten Schrift in Stein verewigt.
Um die Verbindung der grundlegenden Vier zur sich aus ihr erhebenden Fünf nachvollziehen zu können, möchte ich hier nun kurz zeigen, dass das «Gesetz der Vier», welches vom wahren Wesen der Polarität (2) erzählt, dem Wissen um das Pentagon-Dodekaeders zugrundliegt:
Das Pentagon-Dodekaeder unterscheidet sich von der Geometrie des Dodekaeders genau durch zwei polare, ins Auge fallende Ergänzungen. Das sind die an den Ecken angebrachten Kugeln und die Löcher in den Flächen. Die zwei Ergänzungen thematisieren eine Polarität zwischen dem idealen, vollkommenen Sein und dem davon abweichenden unvollkommenen Dasein. Die Spannung (2) ist optisch greifbar und von zweifacher, also polarer (2) Art. Da jede der zwei Ergänzungen – wie voran beschrieben – ihrerseits von polarer Art ist, entsteht eine grundlegende Vierzahl (2 x 2 = 4), die das Pentagon-Dodekaeder, den «Körper der bewusst gewordenen Einheit» ins Bild setzt. Genau darin beziehen sich die Erbauer des Körpers auf das Gesetz der Vier, welches ich an anderer Stelle über die Sinnformel «1+2➜4» ausführlich beschreibe.
Der Körper ist durch seine eckige und zugleich runde Figur ein Symbol für die Einheit der Gegensätze, wie sie das «Gesetz der Vier» in grundlegender Weise beschreibt. Die Zahl Vier steht für die Substanz an sich, aus der heraus sich die unterschiedlichen Formen erheben, die vom Bewusstsein (5) nur wahrgenommen oder auch selbst hervorgebracht werden. Möglicherweise hat das Wissen darüber auch zur Auswahl des Materials geführt, aus der die Pentagon-Dodekaeder gefertigt wurden. Das Römermuseum von Schwarzenacker gibt an, dass eine Fluoreszenzanalyse des Körpers vier Metalle anzeigt habe. Ihre Anteile seien demnach ca. 80% Kupfer, 15% Zinn, 10% Blei und 3% Zink.
Ob die Zahl Vier der Metalle bewusst gewählt wurde, bleibt vorerst offen. Dass die Ersteller der Körper hingegen dessen Grundstruktur genauestens kannten, darf ihnen unterstellt werden. Demnach wussten sie, dass jedes Dodekaeder sich aus jeweils 5 Tetraeder bildet. Mit anderen Worten: Erhebt man das der Fläche zugehörige Fünfeck ins Körperhafte, dann geschieht das über das Tetraeder und das verkörpert die Zahl 4.
Der Grundbaustein des Dodekaeders ist das Tetraeder. Fünf Tetraeder führen zum Dodekaeder, das neben seiner Kern-Zahl 5 die Zahlen 12 (Flächen), 20 (Ecken) und 30 (Kanten) ins Bewusstsein (5) hebt. Die vier Zahlen erzählen ihrerseits in abstrakter Weise von der Einheit der letzten, erkennbaren Gegensätze. Wer ihr Wesen durchschauen will, dem bietet sich die an anderer Stelle dargelegte «Flussform der Zahlen» an. Sie macht vor allem auch den direkten spiegelsymmetrische Zusammenhang der göttlichen Eins mit der Fünf, der Zahl des Menschen deutlich (siehe Symbol 1—5).
Wollte man die Erzählung vom Pentagon-Dodekaeder in Form von Gesetzen formulieren, so erzählt es vom Verhältnis gleich zweier wesentlicher Gesetze. Es erzählt, wie aus der Substanz (4) alias dem «Gesetz der Vier» das Gesetz des Bewusstseins (5) alias das «Gesetz der Subjekte» entsteht. Die Existenz des Bewusstseins (5) ist kein profaner Zufall, sondern die konsequente Folge des «Gesetzes der Vier»!
Diese Botschaft übersteigt die Botschaften der lehrenden Religionen, die sich notwendigerweise nicht der abstrakten Geometrie bedienen, sondern über lebensnahe Bilder und Erzählungen die Menschen ansprechen.
Die Botschaften der Geometrie hingegen transportieren ein «Geheimwissen», dass sich seiner Natur nach von allein geheim hält, weil es der Öffentlichkeit in seiner Tiefe nicht vermittelt werden kann. Dabei handelt es sich um ein spezielles, dezentrales Wissen, das sich wegen seiner Universalität immer wieder einmal aus den unterschiedlichen Fach- und Wissensgebieten erhebt und zu erkennen gibt.
So stellt Michael Guggenberger in Bezug zu dem hier beschriebenen Körper einerseits fest: «Die unterschiedlichen Fundsituationen in Verbindung mit der Abwesenheit in Heiligtümern schließt einen Zusammenhang mit öffentlichen religiösen Kulten aus und lässt erahnen, dass die Nutzung der Dodekaeder an keine spezielle Lokalität gebunden war.» Andererseits stellt der Fachmann ebenso die Anwesenheit des Körpers in reich ausgestatteten Gräbern, in Horten und Theatern fest. Guggenberger schlussfolgert, dass allein der aufwendige Produktionsprozess die enorme Wertschätzung für den Dodekaeders nahelegt.⁶
Fußnoten
¹ Alfons Kolling: Das Pentagon-Dodekaeder von Schwarzenacker …. Siehe Schrift des Museums
² C. W. CERAM: Götter, Gräber und Gelehrte, Rowohlt Verlag, Hamburg, 1949.
³ Römermuseum Homburg-Schwarzenacker, Homburger Str. 38, 66424 Homburg-Schwarzenacker (www.roemermuseum-schwarzenacker.de)
³ Mag. Michael Guggenberger, Restaurierungswerkstatt der Vor- und Frühgeschichtlichen und Provinzialarchäologischen Sammlungen, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Museumstraße 15, A-6020 Innsbruck. Die Zitate stammen aus seinem Aufsatz «Etwas Gewisses hievon zu bestimmen waere ein Gewagtes; 260 Jahre Dodekaeder-Forschung». Der wiederum basiert auf der Diplomarbeit Guggenbergers «Die römischen Dodekaeder. Eine Gesamtdarstellung, Dipl. Universität Innsbruck 1999.»
⁴ Zur geistesgeschichtlichen Rolle des Pentagondodekaeders: s. ausführlich Guggenberger 1999, 114-123.140-143: vgl. Arttnann 1999, 301-314: Artmann 1984. 103-121: Rolling 1984. 250-252: Rolling 1987. 2f; F. Richter, Die Ästhetik geometrischer Körper in der Renaissance (1995).
⁵ Da nicht nur jedes Loch eine andere Größe hat, sondern sich auch die Lochpaare in ihren Größenverhältnissen voneinander unterscheiden, ist der oft gezogene Schluss, es handele sich hier um reine Willkür, falsch. Die Botschaft ist vielmehr die der allgegenwärtigen Einmaligkeit. Sie ist universell. In dem sie die Löcher als einzelne und auch deren Paarbeziehung betrifft, umfasst die Botschaft der Einmaligkeit auch die Vielheit der Dimensionen.
⁶ Die Maße der einander gegenüberliegenden Löcher des in Schwarzenacker gefundenen Pentagon-Dodekaeders sind in Millimetern gemessen:
29,5 : 32 (Diese zwei gegenüberliegenden, größten Löcher haben keine 3 Ringe.) //
10 : 21,5 // 11,2 : 20 // 14 : 17,2 // 14,2 : 19,5 // 16,2 : 20,5
(Quelle: ALFONS KOLLING: Die Römerstadt in Homburg-Schwarzenacker, Ermer Verlag, Homburg-Saarpfalz, 1993, ISBN 3-924653-13-5.)
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