Was diese Zahl erzählt:

Was diese Zahl erzählt:

Das siebte Buch der jüdischen Bibel, das «Buch der Richter»

von Michael Stelzner

Inhaltsverzeichnis

1. Das siebte Buch und das fraktale Muster

Die hebräische Bibel, der TaNaK besteht in seiner original-hebräischen Fassung aus 22 Büchern, analog den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets. Jedes Buch steht für einen Buchstaben, der seinerseits einen Archetyp beschreibt. Die Entfaltungsfolge von Archetyp, Buchstabe und Buch entwickelt das Muster eines Fraktals, bei dem jede Dimension das immer gleiche Muster zeigt. Das einfachste, vorstellbare Fraktal ist das der Flussform der Zahlen, bei dem die Zahlen in wachsenden Dreieckformationen angeordnet sind und jede Zahl aus der Polarität ihrer beiden vorangehenden Zahlen entsteht. Jenes Muster finden wir auch in den Beziehungen der biblischen Bücher.

Um das siebte Buch verstehen und deuten zu können, muss man die ihm vorangehende Polarität, die aus dem Pentateuch (5) und dem 6. Buch, dem Buch JOSUA besteht, verstehen. Der Rückblick auf diese Bücher macht ihre Polarität deutlich. Der Pentateuch (Tora) bildet den Wissenskern des jüdischen Glaubens. Seiner allzeit gültigen Weisheitslehre tritt mit dem 6. Buch, dem Buch JOSUA das Leben im verheißenen Land gegenüber. Es berichtet vom scheinbaren Gegenteil, nämlich vom Fluss des Lebendigen. Dass der Gegensatz in Wirklichkeit das tiefergehende Erhaltungsgesetz, das Gesetz der Vier ins Bild setzt, erschließt sich im Wissen um die Inhalte der beiden ihn bildenden Säulen.

Abb. 1  Das 5. und 6. Buch (Tora und Josua) bilden zueinander eine Polarität. Die Nummer Eins ist die Tora – die allzeit gültige Weisheitslehre. Die Nummer Zwei ist das „andere“ und 6. Buch. Es beschreibt den Fluss des Lebendigen im verheißenen Land. Das beide verbindende Dritte ist das 7. Buch. Es eröffnet den Blick auf das „individuelle Ganze“ und dessen fraktale Wirklichkeit.

Der Pentateuch, die fünf Bücher der Tora schildern das Erwachen des menschlichen Bewusstseins (5), das in der Existenz und im Tod Moses, dem Urpropheten aller Propheten seinen Ausdruck findet. Nachdem die Genesis das Wissen in abstrakter Weise in einem Buch konzentriert, beschreiben die ihr folgenden 4 Bücher den Erkenntnisweg des Moses (5) durch dieses Wissen hindurch.

Moses besitzt das Wissen um das „Gesetz der Vier“, das die Manifestation der Substanz aus der Trias heraus offenbart. Moses zieht aus ihm die Konsequenz für die Bewusstseinsentwicklung der Subjekte (5) und die Beziehungen der Subjekte untereinander. Sein Werdegang und der seines Volkes setzen in vier Büchern das „neue Gesetz“ ins Bild. Der Kern- und Orientierungspunkt ist die Gottheit JHWH – das höchste aller Subjekte. Ihr Wirken wird durch ihren Namen (s. 10 = 5 + 5) erkennbar und der rechte Umgang mit ihr wird zum entscheidenden Kriterium aller weiteren Texte und deren Verständnis. Die vierbuchstabige Gottheit JHWH vollzieht in ihren Handlungen das „Gesetz der Vier“ auf der Ebene der Subjekte nach.

Das sechste Buch berichtet von den Konsequenzen und den „Fluss der Dinge“ (6), die sich aus dem mosaischen Wissen ergeben und zur Weisheit des Gottesvolkes heranreifen sollen. Konkret berichtet es von der Inbesitznahme des gelobten Landes durch die 12 Stämme ISRAELs. Die aber hat im Wissen um das Gesetz der Vier im eigentlichen Wortsinn nur „bedingt“ eine physische Bedeutung. Die Inbesitznahme des „Landes der Vollkommenheit“, alias des „heiligen Körpers“ umfasst vor allem das Erschließen des mosaischen Wissens und das zielt auf Weisheit und nicht auf Substanz. Das der Weisheit vorausgehende Strukturwissen ist notwendig, soll aber in seiner linearen, strategischen Einhausung zugunsten eines überblickhaften Gesamtwissens überwachsen werden. Weisheit entsteht im bewussten (5) Zusammenfluss (6) von Geist (3) und Substanz (4) im Archetyp der Sechs.

Das siebte Buch berichtet in seinem ersten Satz vom Tod JOSUAs, der Hauptfigur des sechsten Buches. Sein Tod bedeutet das Sterben der Sechs im Bewusstsein des Volkes ISRAEL. Sechs ist der ganzheitliche, also der geistige und substanzielle Fluss. Der wird durch den Tod des im 6. Buch noch physisch anwesenden und Orientierung gebenden Führers JOSUA nun empfindlich gestört. Es kommt zu einer erneuten Grenzüberschreitung, die diesmal umso mehr als schon zuvor eine ins Ungewisse ist. Jenes stetig Ungewisse im Leben thematisiert das 7. Buch. Es zeigt auf, wie irrational und doch zuverlässig das Wirken der Sieben ist. Es geschieht das Irrationale, das niemand vermutet. Verbündete werden zu Verrätern und Feinde zu Helfern. Doch Störungen im Fluss der Dinge werden paradoxerweise durch das Einbrechen unvorhersehbarer oder irrationaler Ereignisse auf immer neue Weise behoben. Das siebte Buch ist ein Buch über unaufhörlichen Fehlerkorrekturen. Dabei lässt sich jede noch so schräg erscheinende Korrektur durchschauen, sofern man sie nur unter dem Blickwinkel der ersten aller Beziehungen, der Beziehung der Zweiheit (2) zur Einheit (1) betrachtet und ihr gemäß die konkreten, dinglichen Ereignisse konsequent am Primat der ungebrochenen Einheit misst.

Die zahlreichen Legenden im 7. Buch erzählen alle vom Wesen der 7. Die 7 verhält sich zur eigentlichen Lebenswelt wie ein Zweites zum ihm gebärenden Ersten. Wie die Eins durch die Zwei herausgefordert und schließlich bereichert wird, wird auch das Lebendige durch die Sieben herausgefordert und bereichert. Das geschieht durch die konkreten Herausforderungen der einzelnen und konkreten Subjekte.

Da die Herausforderungen durch die Sieben aus dem Anderen und Fremdem und großenteils Irrationalem heraus erscheinen, können sich die Herausgeforderten nicht konkret und in berechenbarer Weise auf sie einstellen. Wenn sie ins Leben einbrechen, kann man mit ihnen nur noch in einem prinzipiellen Verständnis umgehen. Die Ansprache der Sieben an die Subjekte übersteigt den Denkrahmen der Subjekte und deren Antwort bleibt der Ansprache gegenüber immer ein Stück zurück. Insofern erzählt das siebte Buch immer auch von einem Versagen der Subjekte. Die eigentliche Botschaft der Erzählungen ist jedoch nicht das Versagen, sondern die durch die Subjekte ausgelöste Dynamik, welche auf unvorhersehbare Weise immer wieder zur Erstellung einer prinzipiellen Ganzheit führt. Von diesen Dynamiken erzählt das siebte Buch in einer archetypischen Abfolge.

Aufgrund der archetypischen Abfolge werden die handelnden Subjekte stets neu auf das sie Fehlende angesprochen, sodass ein Wachsen in Richtung Ganzheit deutlich wird. Am Ende bleibt eine Botschaft, welche die Subjekte in die Verpflichtung nimmt. Es ist die Botschaft des Flusses, die über der Botschaft der Dinge steht. So verhält es sich auch in der Beziehung der Subjekte zu ihrer Gottheit JHWH. Das einzelne sowie das kollektive Subjekt schreien bei der Gottheit um Hilfe. Die Gottheit erneuert jeweils ihre Anweisungen und die Subjekte erfüllen sie in der Weise, wie sie diese erfassen können. Die Anweisungen verlieren sich aber ebenso regelmäßig wieder in den nachfolgenden Erzählungen. Die einst Abhilfe schaffenden, konkreten Antworten verlieren im Fortgang der Ereignisse ihre Gültigkeit und die JHWH-Forderungen eröffnen einen tieferreichenden Sinn. Was ein Subjekt gestern noch glaubte, erfüllen zu müssen, das erweist sich im zukünftigen Geschehen möglicherweise als fehlerbehaftet.

Die scheinbar widersprüchlichen Anforderungen der Gottheit JHWH an die Subjekte haben ihren Grund in deren substanziellen Verfangensein. Die Gottheit befreit sie zunehmend aus der Gefangenschaft. Indem die Subjekte die Forderungen mehr und mehr transzendieren, erhalten die Ansprachen JHWHs eine ganzheitliche Bedeutung. Nie ist das Prinzip der Gottheit, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint, willkürlich. Das gilt auch dann noch, wenn das Gottesvolk wie am Ende des Buches im Kapitel 20 die Frauen des eigenen Stammes Benjamin ausrottet und die ISRAELiten die Frauen der Fremden rauben. Was da geschieht, das lässt unter dem ersten und auch dem zweiten Blick das Prinzip Sechs vermissen. Daran ist nichts mehr „sexy“. JOSUA, der Herrscher des 6. Buches ist lange tot. Das bedeutet, dass man keine Ein-Sicht mehr über eine alleinige Führergestalt gewinnen kann. Das Gottesvolk ist auf die unmittelbare Führerschaft JHWHs, auf den „Jenseitigen“ angewiesen. Seine Führung verwirklicht Prinzipien. Seinem Namen „10 = 5 + 5“ nach führt er die gegenpolaren Subjekte (5) zusammen. JHWH ist Geist – das erhabene Dritte. Sein „Grundstoff“ ist das Bewusstsein (5). Die von ihm eingesetzten Subjekte haben ausrichtende, d.h. „richterliche“ Wirkungen.

Richterliches Wirken ist kein willkürliches Wirken. Es richtet das „Schräge“ wieder aus und ist stets die Reflektion auf das Vorangehende. Der Richter reflektiert zum einen die Lebensdifferenzen und er reflektiert zum anderen die Einheit und Ganzheit, die ihren tiefen Ursprung im Gesetz der Vier hat. So versteht man die von der Gottheit eingesetzten Richter nur, wenn man das Gesetz der Gesetze selbst reflektiert. Genau das geschieht im Richterbuch indem die Wahl des ersten Richters auf JUDA fällt (s. unten).

Die Richter und Retter wechseln, weil die im Konkreten liegenden Ursachen wechseln. Das Volk ISRAEL wird immer wieder von den unter ihnen lebenden Völkern bedrängt und die jeweils durch JHWH berufenen „Rettergestalten“ retten es. Die Rettung ist Prinzip und findet unaufhörlich statt. Der ständige Abfall des Volkes und die ihr nachfolgenden, ständigen Errettungen illustrieren in den unaufhörlichen Rückwirkungsprozessen den für das Wesen der Sieben typischen, fraktalen Charakter. Eine naturalistische Theologie stößt hier an ihre Grenzen. Sie sieht nur das Zyklische und nicht das Wirken der Sieben im Sinne der wachsenden Ganzheit. Eine solche Theologie glaubt, im 7. Buch eine Dokumentation über die ausweglose, geistige Gefangenschaft der ISRAELiten zu erkennen. In Wirklichkeit schaut sie in einen Spiegel und sieht ihre eigene, geistige Gefangenschaft.

2. Der erste Richter JUDA und sein Bruder SIMEON

Die Gottheit JHWH setzt als erstwirkenden Richter JUDA ein. Dabei verwundert es, dass dieser sogleich seinen Bruder SIMEON mit ins Boot holt. Die Gründe sind höchst bedeutende, denn sie sind archetypischer Natur. Die Einheit ist ohne Zweiheit nicht darstellbar, sowie das Jenseits (7) ohne das Diesseits (1-6) keine Relevanz hat. Unter diesem Muster befragen nach dem Tod JOSUAs die Söhne ISRAELs den jenseitigen JHWH, wer als Erster gegen die Feinde „hinaufziehen“ (!) soll? Diese Frage zielt auf die Ur-Beziehung aller Beziehungen, auf die Beziehung der Zwei zur Eins. Es kann nur die Zwei sein, die zum Höheren, zur Eins „hinaufzieht“. Die Frage der ISRAELiten zeugt vom Bewusstsein der Notwendigkeit eines „Hinaufziehens“ im übertragenen Sinn. Das Bewusstsein über das Prinzip des Hinaufziehens ist die Voraussetzung, um die Erzählungen des siebten Buches zu verstehen und es erklärt, warum die Gottheit JUDA als ersten Richter auserwählt: In der archetypischen Ordnung der 12 Geschlechter, wie sie Mose in Dtn 33,6ff in einer letztgültigen Aufzählung festlegt, ist JUDA der zweite Stamm (Abb. 2).

Abb. 2  Die 7 Ordnungsreihen der 12 Stämme Israels in der Tora zeigen, wie durch die Weisheit des MOSES das Gesetz 1-4 zum Gesetz 1-2 wird. In der Flussform der Zahlen (re) wird aus dem Verhältnis der Zahlen 1-4 das größere Verhältnis der Dreiecke I-II. Im zweiten Dreieck hat die Vier ihren Platz.

Vor der Neuordnung der 12 Stämme durch Mose fand man JUDA auf der symbolträchtigen vierten Position (siehe Gen 29,31ff; Gen 35,23ff; Gen 49,1ff; Ex 1,1f; Num 26,4ff). Erst die Worte der Weisheit und der Segen des Urpropheten Moses machen ihn zu einem Zweiten. Durch Mose wird die Qualität der Vier auf das Zweite und Zwiespältige übertragen. Die Vier bekundet, dass das Zweite und Zwiespältige in der von ihr manifestierten Vollkommenheit weiter existiert und zum fruchtbaren Teil des Ganzen und Vollkommenen wird. So wie die „Zwei mit im Boot der Vier“ alias der Vollkommenheit ist, so steigt durch die Worte Moses nun auch die Zwei in das Boot der Einheit und Ganzheit.

Nach diesem Muster muss der Zweite, also JUDA inhaltlich-symbolisch die Eins manifestieren und der Erste sein, der „hinaufsteigt“. Dabei muss er nach dem Vorbild der Vier wiederum einen Zweiten – hier sein Bruder SIMEON – mit ins Boot nehmen. Durch die Weisheit des Moses wird das „Gesetz der Vier“ in seiner höheren Dimension sichtbar. Das einfache „Gesetz 1-4“ wird zum neuen Gesetz I-II (Abb. 2). Das Bild der Flussform der Zahlen im rechten Teil der Abb. 2 macht deutlich, wie aus dem Verhältnis der Zahlen 1➜4 das größere Verhältnis der Dreiecke IàII entsteht. In der Polarität der Dreiecke hat die Vierzahl ihren Platz. Mit anderen Worten: Dem „Erhaltungs- oder Additionsgesetz“ nach, ist im Größeren das Kleinere stets enthalten.

Die Erzählungen des Richterbuches setzen das Gesetz um und ergänzen den ersten Richter durch seinen Bruder, dem Zweiten. Da im neuen Gesetz I-II die Fünf an die Stelle der Zwei tritt, wird folgerichtig auch der fünfte Richter, die Richterin DEBORA durch BARAK ergänzt. Das erste Richterpaar (JUDA/SIMEON) und das fünfte Richterpaar (DEBORA/BARAK) erstellen wiederum eine neue Polarität. Auch sie führt zu einer neuen, übergeordneten Sichtweise. Durch sie wird aus dem (nur) Natürlichen (4) das „Übernatürliche“ – die Kunst (siehe Symbol der Pyramide).

2.1 Der erste Kampf – das Grundmuster des Verfehlens

Noch bevor der Text des Richterbuches das Andere und Sich-Erhebende in allen seinen Aspekten und Konsequenzen darlegt, schildert der Text in dem ersten aller Kämpfe, dem Kampf von JUDA und SIMEON gegen die KANAANiter und PERSITER das Grundmuster des richterlichen Handelns. Richter handeln nach dem Stand ihres Bewusstseins und der entwickelt sich fortlaufend weiter. Das schließt Fehler und Schatten ein, die aus späteren Sichten korrigiert werden müssen. Sie werden über das Spiegelprinzip der Sieben in die Welt zurückgeworfen. Was dabei geschieht, das geschieht unter Wahrung des Wesens der Vier bzw. durch JHWH, der es auf der Ebene der Subjekte (5) zur Wirkung bringt.

Die Vierzahl und das Prinzip JHWH erstellen jeweils eine größere Ganzheit. Die jedoch bedarf der Existenz und des Wachstums auch des Anderen, der dem Richter gegenübersteht. JUDA und SIMEON kämpfen auf JHWHs Anordnung hin und befreien sich von der Erniedrigung durch sie. Doch finden sie kein Maß und verfolgen den schon fliehenden ADONI-BESEK und schlagen ihm vier Glieder ab, die Daumen und die großen Zehen (Ri 1:4). Des „Fünften beraubt“ ist der einstige Herrscher und Unterdrücker nicht mehr entwicklungsfähig und stirbt in der Gefangenschaft in Jerusalem. Der Wille JHWHs und sein Gesetz zielen jedoch auf ein Ganzes (1), auf die Einheit höherer Art, die in der Zahl 10 zum Ausdruck kommt und welche der zwei voneinander unterschiedenen Fünfen (5+5) alias Subjekte (5) bedarf.

Abb. 3  Das Erheben der Pyramidenspitze oder des Daumens sind ein Symbol für das Erheben des Anderen, das je nach Sichtweise ein Zweites oder Fünftes ist. Im Erheben wird sowohl die individuelle Fünf als auch deren Basis (4) erhoben. Nur zusammen erwirken sie das größere Ganze.

Wenn der Engel JHWHs später das inkonsequente Handeln der Richter (Ri 2) anprangert und JHWH das Volk ISRAEL erneut in die Hand ihrer Feinde „verkauft“, dann geschieht das nicht etwa, weil sie ihre Feinde nicht getötet hätten, sondern weil sie nicht das größere Ganze im Auge hatte, das gemäß der Vierzahl und gemäß dem JHWH-Prinzip ein Wachstums- und Additionsgeschehen ist.

3. OTNIEL – der zweite Richter und Retter

Weil die Einheit ohne die Zweiheit nicht darstellbar ist, erhält die Erzählung von dem späteren zweiten Richter OTNIEL bereits ihren Platz in der Erzählung vom ersten Richterpaar JUDA und SIMEON. Die erste Erzählung erweitert sich durch die in ihr integrierte zweite Erzählung auf fraktale Weise. Gegenstand beider Erzählungen ist das Erheben der Zwei.

OTNIELs „zweite Hälfte“, seine Frau ACHSA verkörpern die Vier (22) – das fruchtbare Land (4). Die fruchtbare Substanz (4) ist es, die das Land zum „verheißene Land“ macht. ACHSA ist die Art Zweite, die den ersten Schritt tut, um die Fruchtbarkeit der Substanz und das in ihr wirkende „Gesetz der Vier“ zu realisieren. Ihre Art der Differenzierung (2) „treibt an“ („…da trieb sie (ACHSA) OTNIEL an“ RI 1:14). ACHSA löst sich aus der Verhaftung der unbewussten Substanz und „springt vom Esel herab“. In ihrem Sprung vom Vierbeiner fordert sie von „ihrem Ersten“ – ihrem Mann OTNIEL –  die Verbindung von Einheit und Zweiheit (1-2) alias der Verbindung vom Göttlichen (1) mit der konkreten Substanz (4). Sie fordert den Segen ihres Mannes, den Segen ihres Ersten und schafft darin die Voraussetzung für die notwendige Fruchtbarkeit. Die zustande kommende, neue Einheit ist nicht mehr nur eine substantielle und horizontale. Sie ist eine geistige und vertikale. Aufgrund ihres ersten Schrittes, ihres Sprungs vom Esel erhält ACHSA von ihrem Gründer – ihrem Vater KALEB – „die obere und die untere Wasserquelle“. So sorgt die Zwei(te) für Fruchtbarkeit und für den „Fluss der Dinge“. ACHSA erfüllt im eigentlichen Wortsinn die Polarität (siehe 2➜6).

Die von der Polarität hervorgebrachte Spannung kann hemmend und negativ oder fördernd und positiv wirken. Obwohl stets beide Wirkungen nebeneinander existieren, bringt die Vorherrschaft der fördernden Wirkung die Dinge zum Fluss. Das geschieht im Falle von ACHSA. Das Vorgehen des ersten Richterpaares JUDA und SIMEON zeigt diesbezüglich noch einen Mangel auf. JUDA vollstreckt gegen seine Feinde nur einen Bann. Auch handelt er mitunter allein, ohne SIMEON und somit halbherzig. Das führt dazu, dass das Andere (2) im Sinne des Negativen weiterhin den Fortgang (3) der Dinge bestimmt. In seinen „Niederungen“ herrscht es fort, weil es „eiserne Wagen“ hat und so der Einheit nach wie vor entgegenwirken kann (Ri 1:17f). Symbolisch gesprochen nimmt das Prinzip der Eins das der Zwei nicht in Besitz. Die Zwei wird nicht „Eigentum der Eins“ und wirkt nicht fördern für sie, sondern wirkt ihr vielmehr entgegen.

Die mangelnde Herrschaft der Einheit und Vollkommenheit mahnt der Engel JHWHs an, und er macht deutlich, dass es in der Umsetzung der göttlichen Gesetze primär um die geistige Qualität und Herrschaft geht und nicht um die dingliche. Das meint die Forderung JHWHs „Ihre Altäre sollt ihr niederreißen“ (Ri 2:2). JUDA und SIMEON hatten bis dahin lediglich „mit der Schärfe des Schwertes“ durchgegriffen.

Trotz des mangelhaften Verhaltens der Protagonisten bleiben die Gesetze JHWHs universelle Gesetze, die auch im Mangelgeschehen wirken. Wenn JHWH verkünden lässt, „Ich werde meinen Bund mit euch nicht brechen, in Ewigkeit“, dann bedeutet das, dass der zurzeit vielleicht notwendige und akzeptierte Mangel nach einiger Zeit zur Wiedervorlage kommt. Nichts geht verloren. Das garantiert die zuverlässige Wirkung der Sieben, unabhängig davon, ob die Protagonisten diese Ganzheit als Fluch oder Segen, als angenehm oder grausam empfinden, wie vor allem in den letzten Erzählungen dieses siebten Buches.

4. DEBORA – der 5. Richter(in) und Prophetin

Dem Richterbuch geht es nicht, wie man gewöhnlich liest, um die Darstellung von Judikaten, denn von juristischen Aufgaben berichtet es gerade nicht. Es geht bei der Benennung von „Richtern“ vielmehr um das ihnen zugrundeliegende Prinzip der Sieben. Ein Richter wird mit konkreten Brüchen alias Verbrechen konfrontiert und muss aus den polaren Gegebenheiten heraus im Sinne des Ganzen handeln. Indem er die prinzipielle Vollkommenheit anschaulich macht, „rettet“ er die Einheit“.

Unter den vierzehn, d.h. zweimal sieben namentlich genannten Richtern macht der 5. Richter, die Richterin Debora die große und bewusste Ausnahme. Als Frau ist sie sowohl innerhalb der Erzählungen als auch in ihrer Zeit als Richterin das gänzlich Andere (2). Nur bei ihr erfahren wir, dass sie tatsächlich Gericht hielt: „Die Söhne Israels gingen zu ihr hinauf zum Gericht“ (Ri 4:5). Debora war fest im Konkreten verankert. Sie war eine bodenständige Praktikerin und sie war zugleich eine Geistesarbeiterin im höchsten Sinn, denn sie war eine Prophetin. Das erhob sie über das gewöhnliche Richteramt. Der Doppelbezug zum Geist (3) und zur Substanz (4) macht die Qualität ihres Bewusstseins (5) aus. Debora überwächst den reinen Substanzbezug und die mit ihm einhergehende profane Sicht. Durch ihr Bewusstsein erhebt sich aus dem Nur-Natürlichen das Über-Natürliche. Debora begründet das „Künstliche“ – die Kunst. Im Debora-Lied wird das Geschehen seinem ideellen Wert nach besungen und nicht nach dessen real-brutalen Aspekten beurteilt. Der Doppelbezug der Debora zu Geist und Substanz ist die Voraussetzung, die neue Qualität des Bewusstseins überhaupt manifestieren zu können. Ihre herrschaftliche Partnerschaft mit BARAK will das besagen. Der Doppelbezug schlägt die Brücke zu dem Doppelbezug von JUDA und SIMEON, dem ersten Richterpaar. Das erste und das fünfte Richterpaar stehen in Beziehung. Beide haben einen Doppelbezug. Beide werten das Wesen der Zwei auf. In ihrem Doppelbezug entsteht ein neuer, übergeordneter Bezug der Fünf zur Eins. Aus der Erkenntnis, der Aufwertung der Zwei erwächst die Erkenntnis, der Aufwertung des Menschen, denn die Erkenntnis setzt den archetypischen Bezug 1—5 und somit den von Gottheit (1) und Mensch (5) ins Bild.

4.1 Der Name DEBORA und seine Bedeutung

Der Name Debora kommt im Alten Testament nur in zwei Erzählungen vor. Die eine ist die von der Gotteserfahrung des Jakob in Bethel (Gen 35,8). Sie erwähnt den Namen Debora als die Amme von Rebecca, der Frau Isaacs in nur einem Satz. Die zweite Erzählung berichtet sehr ausgedehnt über die Richterin und Prophetin Debora im Buch Richter (Ri 4:4ff). Die nur zweimalige und dabei so unterschiedliche Erwähnung ist kein Zufall, denn der Name steht wie kein anderer für das wahre Wesen der Zahl Zwei und somit für die Korrektur der falschen Ansicht über sie.

 

Debora (hebr. hrwbd / 4-2-6-200-5) bedeutet „Biene“. Das Wesen der Biene ist eine Bedeutungsklammer für die zahlreichen Ausdrucksformen einer rechten Interpretation des Zahlenarchetyps der Zwei. Eine Biene ist eine unaufhörliche Dienerin. Sie legt in ihrem Tun den Grund für ein anderes, „süßes Dasein“. Ganz im Gegenteil zu der mitunter negativen Beurteilung des Dienens, das im heutigen Kosenamen für Debora, „Debby“ oder „Depke“ noch mitschwingt, brachte ihr Wesen ursprünglich Licht und Ganzheit zur Anschauung.

Der Archetyp der Zwei ist in der Reihe der Archetypen ein so früher und grundlegender, dass seine Fehlinterpretation zur Fehlinterpretation aller anderen Archetypen führt. Ob der Blick auf die Zwei und den Zwiespalt allein durch die Brille des Zwists oder vielmehr durch die der Zweisamkeit erfolgt, entscheidet darüber, ob man einen Zugang zum „Wort der Götter“ (siehe „Am Anfang war das Wort …“ oder die „10 Worte“/ Gebote) findet. Auf diese Unterscheidung macht der Name DEBORA aufmerksam. Seine Wortwurzel ist „DBR“ und hat die Zahlenfolge 4-2-200. Dessen Bedeutung ist „Wort“ oder „reden“ („worten“). Der erste Gebrauch der Zahlenfolge in Gen 8:15 und 11:1 lassen das deutlich werden.¹ Die Wortwurzel drückt nicht nur die einfache Polarität und Gegensätzlichkeit aus, sondern eine, die die Einheit und Ganzheit offenbart. In synonymer Übersetzung finden wir für sie deshalb auch „feststehende Dinge“, „Verabredung“, Versprechen“ u.ä. (siehe u.a. Gen 24,33 / Jes 8,10 / Num 30,3). Diese Polarität stellt nicht nur einen zufälligen Bezug her, sondern einen eindeutigen im eigentlichen Wortsinn, weshalb sie auch unmittelbar mit „in Bezug auf“, oder „wegen“ übersetzt wird.² Begegnet man der Zahlenfolge, dann ist es geboten, die Einheit mitzudenken, selbst wenn das Wort, für das sie steht, beim ersten Anblick Bedrückung auslöst. Das ist beispielsweise im Begriff „Wüste“ (40-4-2-200)³ der Fall, der in der Genesis siebenmal vorkommt. Kennt man die Botschaft der Zahlenfolge, dann erkennt man im Wesen der so benannten Wüste einen Zustand, der auf extreme Weise seinem Gegenteil zustrebt. Hinter der Ausrichtung der Wüste nach Wasser verbirgt sich das Streben nach Ganzheit.⁴

Um diese Blickrichtung geht es auch im Richterbuch insbesondere in bei der Botschaft der DEBORA. Ihr Handeln und ihre Prophetie sind zwar ein Teil des unentwegten Abfalls der Söhne JHWHs, sie sind aber mit dem anderen Blick vor allem ein Zeugnis für das am Ende doch stets an der Einheit und Ganzheit orientierte, fraktale Dasein. Das stellt der Text im Buch der Richter schon beim ersten Abfall der Söhne Israels durch den Engel JHWHs klar:

„Und es geschah beim Sprechen (…4-2-200) des Engels JHWHs die selbigen Worte ( …4-2-200…) zu allen Söhnen ISRAELs. Da erhob das Volk seine Stimme und weinte“ (Ri 2:4).

4.2 DEBORA – die Amme (Gen 35,8)

Die Genesis (Gen 35:8) erwähnt den Namen Debora in einem einzigen und scheinbar beiläufigen Satz. Der Satz lässt nicht einmal einen Zusammenhang zum übrigen Geschehen erkennen. In Wirklichkeit aber ist er gewichtig, denn der Name Debora macht auf den Grund aufmerksam, weshalb JAKOB in Bethel die Gottheit erschien. Sie erschien ihm, weil er das Dasein aus der Sicht der wahren Zweiheit schaute. Jenes Geheimnis zu erfahren, bedeutet, die Einheit und Gott zu erkennen. Wenn der Text bemerkt, dass Debora, „die Amme von Rebecca“ „unterhalb von Bethel“ begraben sei, dann berichtet er von nicht weniger, als vom Prinzip auf dem Bethel ruht. Wenn der Text davon berichtet, dass sie unterhalb der „Eiche Allon Bachut“, der „Eiche des Weinens“ begraben sei, dann berichtet er von nicht weniger, als vom Wissen über den Grund und Sinn des Weinens. JAKOBs Erfahrung in Bethel besteht darin, das wahre Wesen der BEBORA erfahren zu haben und das informiert über den Sinn und die Erhöhung der Zwei. Im Besitz dieser Erkenntnis wird „nach Gottes Beschluss“ aus JAKOB dem „Betrüger“ sodann ISRAEL, der „Gottesreiter“. Dem ganzheitlichen Wesen der Zwei entsprechend benennt ihn die Gottheit ein zweites Mal um. Das erste Mal (Gen 32:29) musste er noch mit dem Engel Gottes kämpfen. Mit der zweiten Umbenennung wird er, das Individuum, der „Ungeteilte“, der dennoch in der Polarität ist, endgültig zum „Gottesreiter“.

4.3 REBEKKA und ihre Amme

Kennt man das Wesen der DEBORA, dann entsteht eine andere und vollkommenere Perspektive auf ISAAC, dem zweiten Stammvater der Israeliten und dessen Familienmitglieder. Es war ISAAKs Frau REBEKKA, die Mutter der Zwillinge ESAU und JAKOB, welche den Streit unter den Brüdern offensichtlich begleitete und befeuerte. Ihr Wirken aber war nicht, wie es beim ersten Lesen der Texte den Eindruck macht, von weibischer Bösartigkeit getrieben. Das verrät schon ihr Name. REBEKKA bedeutet „die Verbindung schaffende“ oder „die Fesselnde“.⁵ REBEKKA bindet zusammen, was zusammengehört. Diese ihre Eigenschaft hat sie schon als Nahrung über ihre Amme DEBORA erhalten (Gen 35,8). REBEKKA ist zwar ein Zweite, doch eine, welche Einheit erwirkt. Symbolisch entwickelt sich aus dem Archetyp der Zwei der Archetyp der Sechs, der durch das Fesseln im Sinne des Verbindens ein Ganzes sichtbar werden lässt.

REBEKKA ist nicht einfach nur eine „Zweite“. Sie ist die „Zweite“ des Zweiten. Sie verkörpert durch die Wirkung der Zwei auf sich selbst (22) die Zahl Vier und darin nach dem „Gesetz der Vier“ die Einheit und Vollkommenheit.⁶ Der Zwist ist nur ihre Wirkweise, nicht ihr Motiv. DEBORA, ihre Amme hat ihr die Nahrung der positiven Zwei frühzeitig gegeben. Das von ihr vermittelte Ur-Weibliche ist eindeutig auf die Einheit gerichtet und gibt den mit der Zwei daherkommenden Zweifel keinen Raum.

Unter diesem Aspekt hatte REBEKKA ihren Sohn und Betrüger JAKOB, der später unter dem Namen ISRAEL zum dritten Stammvater der Israeliten wird, Beihilfe geleistet. Das wahre Motiv ihres „zweifelhaften“ Tuns ist das Erscheinen von Einheit und Ganzheit. Das wahre Weibliche (2) führt deshalb zum Wesen der Sechs. Sein Bildsymbol ist der „Haken“, der im Sinne einer Fruchtbarkeit „koppelt“ (s. 2➜6).⁷

Die kluge und offene REBEKKA bringt die gewohnte, lineare Ordnung durcheinander. Ihre besondere Sympathie gilt nicht primär ihrem Erstgeborenen, dem wilden und behaarten ESAU, sondern dem zweitgeborenen, kultivierten und fortschrittlichen JAKOB. REBEKKA folgt ihrer inneren Ausrichtung und wird zur treibenden Kraft im Streit um den Erstgeburtssegen. Die von REBEKKA initiierte Auseinandersetzung ist aus linearer Sicht Betrug. Aus der triadischen Sicht aber wirkt in ihm sinnstiftende Struktur. Im zweiten Erz-Elternpaar (Isaac-Rebecca) kehrt die archetypische Geschlechterrolle um. Die Frau übernimmt die aktive Rolle. Isaac bleibt passiv. Der offensichtliche Betrug (2) durch die „Zweite“ (2) wird sich später als fruchtbar erweisen. Indem REBEKKA in das Geschehen eingreift, wird Gottes Verheißung über ihre Söhne erfüllt und der Zweite erhält den Segen. Die lineare Folge 1-2 wird nicht einfach nur verkehrt. Das Geschehen stellt das Verhältnis der ersten zwei Archetypen in ein völlig anderes und ganzheitliches Licht! Symbolisch kann man es mit der nichtmathematischen Doppelformel 1 = 2 und 2 = 1 beschreiben. Bildlich erscheint die Formel im Vergleich des Bruderzwists zwischen KAIN und ABEL einerseits und ESAU und JAKOB andererseits. Aus der oberflächlichen Perspektive des Überlebens heraus könnte man einmal im Erstgeborenen und das andere Mal im Zweitgeborenen den Begünstigten erkennen. In Wirklichkeit handelt es sich um die gleiche Botschaft. Schon in der ersten Erzählung hatte JHWH Sympathie für den Zweitgeborenen. Das kostete ihm, ABEL dem „Windhauch“  das Leben. In der zweiten Erzählung greift REBEKKA die göttliche Sympathie auf und setzt sie tätig um. Der Zweitgeborene JAKOB erhält den Segen. Indem REBEKKA JAKOB zur Flucht verhilft, verhindert sie den drohenden Brudermord.

REBEKKA stellt die Weichen für die Einheit der Gegensätze. Aus JAKOB dem Betrüger wird ISRAEL, den Vater der Israeliten. JAKOB wird ihr dritter Stammvater, weil er das denkbar Außergewöhnlichste vollbringt. Er legt im Kampf mit der Gottheit die engste aller Beziehungen zu ihr offen. JAKOB besiegt die Gottheit und bildet mit ihr eine neue Einheit. Die abstrakte Beziehung der Archetypen 1-2 wird zur Beziehung der Subjekte 1—5. Die Voraussetzung schafft seine Mutter REBEKKA. Sie setzt die Formel 2 x 2 = 4 um und manifestiert darin die Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit neu, so wie es das „Gesetz der Vier“ besagt.

4.4 DEBORA – die Richterin (Ri 4,4ff)

Das Richterbuch, das siebte Buch der hebräischen Bibel berichtet sehr ausführlich über DEBORA. Als fünfte Richterin und Retterin der Israeliten ist sie zwischen den 14 Rettergestalten nicht die arithmetische Mitte, wohl aber ihre inhaltliche Mitte. DEBORA ist der Zahl Fünf und somit dem Subjekt und dessen Bewusstsein zugeordnet. Über sie erfahren wir, aus welchen Entitäten sich das Subjekt (5) konstituiert und welche Potentiale aus ihm erwachsen. Wir erfahren, wie das an Bewusstsein reife Subjekt mit dem Unwägbaren und Irrationalem (7), mit dem es unentwegt konfrontiert wird, umgeht (siehe: Die Zahl 14 in Abb. 5).

Am Anfang des Debora-Kapitels berichtet der Text, dass die Israeliten weiterhin Böses taten und deshalb „JHWH sie in die Hand des Königs von Kanaan verkaufte“. Das tat JHWH wegen der Verstöße der Israeliten im 7. Buch immer wieder. Schon der erste fremde König, von dem das Buch berichtet, hatte die Israeliten 20 Jahre lang gequält und damit die Polarität (2) verschärft. Das Zehnfache der Zwei äußert sich in 20 Jahren Knechtschaft. Sie war möglich, weil der Widersacher über 900 eiserne Streitwagen verfügte. 900 ist die potenzierte 9 und die ist das Zahlensymbol für die Gebärmutter, in welcher der Samen des Mannes scheinbar untergeht. Ihre zweifache Erhöhung zur 900 betont, dass es sich hierbei um ein fruchtbares, göttliches Geschehen handelt, obwohl die äußeren Umstände anderes vermuten lassen. In dieser Situation geht es nun darum, das Zweite, den Zwiespalt sichtbar zu erhöhen und als ein Göttliches wahrzunehmen. Dazu verhilft die an fünfter Stelle genannte Richterin und Prophetin DEBORA.

DEBORA ist mit LAPIDOT verheiratet. Der Name (לפידות) enthält die Wurzel לפיד (lapid), welche Fackel bedeutet. „Mit Fackeln verheiratet“ zu sein, bedeutet, mit dem verheiratet zu sein, „was Licht hervorbringt“. Welches Licht das ist, das berichtet die Zahl Fünf, welche DEBORA als 5. Richterin repräsentiert. Fünf steht für den 5. Punkt einer Pyramide, der sich über das Natürliche, die Vierzahl erhebt. Das so entstehende „Übernatürliche“ ist das „Künstliche“ – die Kunst. Das aus ihr hervorgehende Licht (1) ist ein solches, weil das Subjekt (5) das Ganze (1) im Teilhaftigen erschaut.

4.5 Das DEBORA - Lied

Das DEBORA-Lied besingt JHWH, die Führer Israels (Barak) und das Volk, die sich zum Kampf stellen. Das machen sie im Blick auf JHWH freiwillig! Sie erkennen den in der Vier enthaltenen, scheinbar „dunklen“ Aspekt als positiv und „weiß“: „…die ihr reitet auf weißen Eselinnen..“. Das Lied interpretiert das Andere seinem göttlichen Prinzip nach und verbildlicht es in der freiwilligen Unterwerfung oder auch den Verzicht BARAKs auf den persönlichen Ruhm. Die Neuinterpretation der Zwei durch die Kunst der DEBORA führt zu zahlreichen Bildern, welche alle einen anderen, positiven Blick auf das „Nicht-Gerade“ entfalten: „ … Und die Straßen zogen, mussten gewundene Wege gehen“  (Ri 5,6). Das Lied lässt den verloren geglaubten, fruchtbaren Aspekt der Zwei wieder aufscheinen: „Da zog herab, was entronnen war, zu den Edlen des Volkes“. JHWH, ziehe herab zu mir (DEBORA) mit den Helden“. Die „Biene“ DEBORA bringt den fernen Honig zurück in den Bau.

DEBORA wird nicht nur als Richterin sondern ausdrücklich auch als Prophetin tituliert!⁸ Sie übermittelt in dieser Aufgabe BARAK den Auftrag JHWHs, gegen den kanaanitischen König JABIN und dessen Feldherrn SISERA zu ziehen. DEBORA prophezeit ihrem Feldherrn BARAK, JHWH werde ihm den König JABIN und dessen Feldherrn SISERA am Grenzheiligtum, dem Berg Tabor, in die Hand geben. Dies gelingt ihm endlich aber nur durch die zusätzliche Tat JAELSs, der Frau des Keniters HEBER, welche dem fliehenden und sich versteckenden SISERA im Schlaf einen Pflock durch die Schläfe treibt (4,22).

BARAK nimmt den Auftrag JHWHs über DEBORA ausdrücklich nur unter der Bedingung an, dass DEBORA selbst mit in die Schlacht zieht, was sie selbstverständlich auch tut. Doch sie prophezeit ihm, dass SISERA durch die Hand einer Frau getötet werden wird und ihn so um seinen Ruhm bringen wird (4,9). Der Lohn ist das Erheben der Zwei und der mit ihm einhergehende Bewusstwerdungsprozess.

Die Kunst drückt Beziehungen und Prozesse aus, die über das Profane und Dingliche hinausreichen. Das macht auch das Lied der DEBORA. Ein Beispiel aus Ri 5:5 ist:

„Die Berge ergossen sich vor JHWH, dem vom Sinai, vor JHWH, dem Gott Israels.“

Die zweifach genannte Gottheit JHWH vereint gegenläufige Qualitäten. Während die Merkmale des Berges Festigkeit und Höhe sind, verbindet ihr Name sie mit der zu Boden strebenden Bewegung, dem Merkmal von Flüssigkeiten. Was in den Augen der menschlichen Dimension als fest erscheint, das schließt im Blick JHWHs Bewegung ein.

Das Debora-Lied endet mit dem Lob vom „Einschlagen eines Pflockes“. Aus der menschlichen, dinglichen Sicht ist der Vorgang eine Gewalttat, denn er beschreibt, wie der Pflock das Haupt des SISERA, des obersten Heerführers der KANAANiter, der die ISRAELiten 20 Jahre gequält hatte, durchbohrt.

5. ABIMELECH - der Siebte

Die Erzählung über den siebten Richter des siebten Buches beleuchtet erwartungsgemäß das Wesen der Sieben auf eine „andere Weise“. Wenn die Sieben – das irrational Andere und irrational Erscheinende – auf irrationale Weise vorgestellt wird, dann erleben wir das gesteigerte Andere, das sogenannte Paradoxe. Dessen Botschaft vermittelt uns ABIMELECH.

Der Siebte des siebten Buches beschreibt die Wirkung der Sieben auf sich selbst. Was das bedeutet, das habe ich an anderer Stelle bei der Zahl Vier als das Prinzip der Wahrhaftigkeit beschrieben, das in der Wirkung der Polarität auf sich selbst entsteht (22 = 4). Jenem Wahrhaftigkeitsgedanken begegnen wir in gesteigerter Form im siebten Richter. ABIMELECH reflektiert das Wesen der Sieben und ihrem „Zufall“. Das ihm Zufallende hat nur einen wahren Bezug und der ist er zu selbst. Die Erkenntnis verlangt ihm das Bekenntnis zum Königtum deshalb regelrecht ab.

Das ABIMELECH-Kapitel ist erwartungsgemäß anders als die anderen. Es ist kein typisches Richter-Kapitel. Das Kapitel enthält weder den Begriff des Richters, noch ist ABIMELECH ein JHWH-Krieger mit der Aufgabe der Errettung des Volkes Israel. Er kann nicht nur ein Richter sein. Er muss dem Prinzip nach König werden. Könige hatten bis dahin nur die Anderen, die Feinde. Die Söhne Israels hatten JHWH. In seinem Prinzip war der Wechsel der konkreten Form eingeschlossen und die Richter oder Retter wechselten unaufhörlich. Das siebte Kapitel bringt – wie die Siebenzahl es besagt – dem Volk nun das, was ihm bis dahin „fehlte“. Das aber bedeutete anstatt des üblichen Flusses der Dinge nun die Verhärtung.

Im 7. Kapitel geht es darum, was „einen König zu haben“ in Wirklichkeit bedeutet. Die eingeflochtene Fabel von den Bäumen, die einen König über sich salben wollten (Ri 9:8) erklärt, was passiert, wenn das Unbewusste und Natürliche, einen König und damit das Übernatürliche über sich erhebt und salbt. Das Ergebnis ist nicht die Abschaffung JHWHs. Das ist nicht möglich. Aber das, was JHWH nun mit dem König bringt, ist ein „böser Geist“ (Ri 9:23). Der löscht am Ende auch den herrschenden König aus.

6. JEFTHA – der 10. Retter, der fünfte und letzte Hilferuf

JEFTAH ist der 10 Richter. Er eröffnet eine neue Dimension, die „Dimension der Zehn“ (s.a. 10 Gebote). In ihr werden zwei Gesetze in Einklang gebracht, das „Gesetz der Vier“, das zum Namen JHWH (10-5-6-5) führt (s.a. Tetraktys 1+2+3+4=10) und das Gesetz der Subjekte (10 = 5 + 5), das über die Gottheit als sogenanntes zweites Gesetz wirkt. Die JEFTAH-Erzählung fügt die zwei Sichtweisen zusammen. Die eine nimmt die profane Perspektive ein. Sie schildert die Geringschätzung JEFTAHs, weil er der Sohn einer Hure ist. Die andere Perspektive ist die heilige, aus der heraus sich das Bewusstsein erhebt, das die Regie führt. Mit ihr geht alle Verantwortung auf das Subjekt über. Das neue Bewusstsein führt die vorangehenden Akte der Hilferufe der Söhne ISRAELs, die wir bei den Richtern OTNIEL (3:9), EHUD (3:15), DEBORAH (4:3) und GEDEON (6:6f) vernehmen, ad absurdum führen. Der 10. Richter wird an dem Bewusstsein gemessen, das die JHWH-Formel 10 = 5+5 vorgibt. Nach ihr werden die Hilfeschreie und die ersehnte Erlösung auf das Gegensubjekt der Söhne ISRAELs bezogen, denn in ihm erscheint die ihnen fehlende Qualität. Als die Söhne ISRAELs in ihrer Not wieder zu JHWH um Hilfe schreien (Ri 10:10), verweist JHWH sie auf sie: „Geht hin und schreit zu den Göttern um Hilfe, die ihr erwählt habt! Sollen sie euch doch retten zur Zeit eurer Not!“ Was wie Zynismus aus dem Munde JHWHs klingt, ist die Relativierung der Sicht der Einzelsubjekte zugunsten einer ganzheitlichen Sicht, die im Namen JHWH und der Summe 10 erscheint. Der wahre Richter ist nun nicht mehr das Einzelsubjekt sondern JHWH, in dem das Subjekt und das Gegensubjekt ein Ganzes werden. Der Text nennt JEFTAH konsequent nicht Richter, sondern „Anführer und Oberhaupt“. Die zusammenführende und rettende Wirkung wird bewusst und ausdrücklich JHWH zugeschrieben: „… Es richte JHWH, der Richter …“ (Ri 11:27).

Die JEFTAH-Passage ist die zehnte Richter-Passage. Sie enthält den fünften und letzten Hilferuf der Söhne ISRAELs. Das in ihr geschilderte neue Bewusstsein zielt auf die Wertschätzung der jeweiligen Gegenindividualität. Das gilt für beide Seiten. Auch aus der Sicht der Brüder JEFTAHs geschieht Grenzüberschreitendes. Sie hatten ihn, weil er der „Sohn einer Hure“ war, „wegen des Erbes“ vertrieben. Tatsächlich auch „sammelten sich um ihn ehrlose Leute“. Nun aber geht es darum der Zwei ihren an der Eins orientierten Platz einzuräumen. Der verlangt Zweierlei. Zum einen muss das Subjekt das Prinzip der Zwei gerecht im Sinne der Eins einsetzen. Das musste JEFTAH lernen, denn er konnte außerordentlich geschickt argumentieren und so sein vermeintliches Recht begründen. Zum anderen muss das Subjekt sich wegen seiner substantiellen Teilhabe an der Welt am Ende doch opfern. Das über die Sieben hereinbrechende, unkalkulierbare Schicksal fordert das Subjekt bis hin zum Opfer heraus. So musste JEFTAH in Erfüllung seines Schwurs gegenüber JHWH seine einzige Tochter opfern. JEFTAH rettete ISRAEL und machte dabei die Erfahrung, dass er die Zwei nicht für sich interpretieren kann sondern ihr im Sinne der Retterformel „Tribut zollen“ muss.

7. SIMSON - der 14. Richter und Retter

SIMSON kommt aus dem Stamm des DAN und der war der Sohn einer Magd – also einer Zweiten. Zudem war sie die Magd von Rahel, der zweiten Frau von JAKOB. Die Symbolik berichtet davon, dass in SIMSON das Wesen Vier (2 x 2) wirkt. Nach ihrem Wesen ist auch das Wesen SIMSONs vollkommen und göttlich. Das ist so, weil in der wahren Vollkommenheit auch die Polarität ihren fruchtbaren Platz hat. Unfruchtbarkeit ist eine solche immer nur aus einer Erdperspektive und so war auch die Mutter SIMSONs einst unfruchtbar. Die Erzählung über SIMSON, dem 14. Richter und Retter macht deutlich, wie der Perspektivwechsel von der Erdperspektive zur göttlichen Perspektive wirkt.

Der Engel JHWHs hebt die beschränkte Erdperspektive auf und ändert dadurch das Erleben der Subjekte. Die Bedingung JHWHs an die Mutter ist, dass sie lernt, „bewusst zu selektieren“. Sie darf, um fruchtbar zu werden, nichts Unreines mehr essen und darf keinen Rauschtrank mehr zu sich nehmen. Mit anderen Worten: Sie darf nicht mehr willkürlich alles in sich „aufnehmen“ und soll sich stattdessen nur dem wahren Geist zuwenden, der Klarheit statt Rausch bringt. Der Engel teilt ihr (4) mit, dass ihr Sohn (5) ein „Abgesandter JHWHs“ sein wird. Als solcher darf er sich nicht die Haare schneiden. Die Botschaft dahinter lautet: SIMSONs Wachstum muss „nach oben hin offen“ bleiben. Es darf nicht abgeschnitten werden. Eine andere, schon der Mutter bekannte Voraussetzung für Wachstum ist, dass es der Vereinigung von Gegensätzen bedarf. Sie befolgt die auf dem Felde arbeitende – d.h. noch unbewusste – Mutter, indem sie schon vor der Geburt SIMSONs ihre andere Hälfte, den Vater, hinzuruft, damit auch er abermals die Botschaft des JHWH-Engels vernehmen kann. So erfüllen die Eltern das Gesetz der Fruchtbarkeit – das Gesetz der Vier. Die Textpassage enthält noch eine andere und ebenso wichtige Botschaft, nämlich die, dass man das, was – wie der Engel – scheinbar „zufällig“ und mit Schrecken auf einem zukommt, fruchtbar machen kann, indem man es nach seiner Botschaft befragt. Der Vater bittet in solcher Absicht noch einmal den Engel zu ihm zu kommen. Der beantwortet seine Fragen aber nur, sofern sie den Geistige und die anstehenden Prinzipien ansprechen und nicht aus einer naturalistischen Verkürzung heraus erfolgen, wie z.B. die Frage nach dem „Brot“, dem „Ziegenbock“ oder nach seinen „Namen“. Solche Fragen lässt der Engel als unwesentliche unbeantwortet. Die Textpassage zeichnet darin die Bedingung für SIMSONs Existenz auf, die dem Geist und nicht der Substanz unterstehen. Konkret sagt der Text: SIMSON wird „vom Geist JHWHs getrieben“ (14:25). Das beschreibt den Blick SIMSONs, der sich über den naturalistischen Blick auf die Welt erhebt. SIMSON erhebt sich über die Gesetze seines Stammes und findet eine Frau bei den „unbeschnittenen Philistern“. Obwohl das undenkbar erscheint, will er sie, weil sie „in seinen Augen die Richtige“ ist. Hier ist wichtig, zu bemerken, dass das Erheben über die Sitten der Söhne ISRAELs dennoch, wie alles andere von JHWH gesteuert wird!

SIMSON tötet einen Junglöwen. Mit anderen Worten: Er tötet das unreife Subjekt (5), das auf diese Weise dem unbewussten Fluss (6) der Dinge folgt. Im Inneren des Kadaver entsteht der „süße Honig“ – die Sechs. Das Gleichnis greift das Prinzip des fünften Richters und damit das von DEBORA, der „Biene“ auf. Auch sie tötet. Auch bei ihr erwächst aus dem Töten die „süße Funktion (6)“ – die Kunst. DEBORA besingt sie im sogenannten „Lied der DEBORA“. Honig und Lied bedeuten Fluss anstatt Stillstand und Tod. SIMSON bewegt sich fort und fällt dabei wegen des Honigs nicht Ruhe. Er isst ihn „im Gehen“, wie der Text bemerkt (14:9).

Die Erlebnisse des Löwen und des Honigs nimmt SIMSON zum Anlass für ein Rätsel, das er seinen Widersachern aufträgt. Mit dem Rätsel will er bewirken, dass er oder auch sie daran wachsen. Eine der beiden Seiten soll der 30, d.h. dem „Erheben“ innewerden und „30 Festkleider“ erhalten. Das geht schief, weil er nicht angemessen (!) zwischen sich und den weniger bewussten anderen unterscheidet. SIMSON überfordert dabei nicht nur sein weniger bewusstes Gegenüber, er stellt darin vor allem auch sein Bewusstsein unter den Scheffel. Die falsche, unangemessene Vorstellung von Gleichheit wird ihm zum Verhängnis. Er verrät seiner Angebeteten die Lösung des Rätsels. Die aber erfasst nicht deren Inhalt, sondern will sie zur profanen Verwendung ihren Brüdern zukommen lassen. Was als Geistiges gedacht ist, wirkt in der profanen Linearität verhängnisvoll. Auch SIMSONs Fehler erwachsen aus Schwäche. Er wird seinem Vermögen nicht gerecht und bekommt so nicht die von ihm begehrte Frau. Stattdessen bekommt sie sein ehemaliger Brautführer.

SIMSON „glaubt sich im Recht“, nur weil er sich unschuldig fühlt. So rächt er sich mit seinen ihm zur Verfügung stehenden, besonderen Fähigkeiten. Er band „300 Füchsen Fackeln zwischen je zwei Fuchsschwänze“. Er setzte, „schlau wie die Füchse“ das die Ebenen überschauende „Funktionsprinzip der 300“ für sich ein und verbrannte die ganze Ernte. SIMSON handelt nach der Talionsformel: „Erst wenn ich mich an euch gerächt habe, danach will ich aufhören! Und er schlug sie gründlich zusammen“. Diese seine falsche Handlung wird ihm später zum Verhängnis.

SIMSON ist „ein von JHWH Getriebener“ und kann sich über die Sittengesetze erheben. Doch muss er dabei angemessen handeln und die Reaktionen der linear Denkenden berücksichtigen. So geht er zu einer Hure, was ihm Ärger einbringt. Für SIMSON gelten die Regeln, „Tore“ und Schlösser nicht. Er reißt sie heraus. Indem er sie auf „auf den Gipfel eines Berges trägt“, erhöht er das, was für die anderen nur die Bedeutung der Grenze des Fruchtbaren hat.

Die nächste Frau an die SIMSON gerät, ist eine Frau von den Philistern, DELILA. Auch sie handelt aus der Sicht der linearen Ebene heraus. Sie trickst ihn aus und entlockt ihm endlich in einem vierten Versuch das Geheimnis seiner Kraft. SIMSON öffnet ihr sein ganzes Herz. Doch als er auf ihren Knien einschläft, schert sie ihm die Haare und nimmt ihm seine göttlichen Fähigkeiten. Ihm werden beide Augen ausgestochen. Er kommt ins Gefängnis. In dessen Enge muss er „die Mühle drehen“, d.h. er muss eine lineare Funktion ausführen, ohne die Möglichkeit einer Erhebung. Die Zeit aber bringt, wie die Sieben es fordert, das Fehlende stets zurück. SIMSON wachsen die Haare nach und somit seine Kraft. Am Ende wird er als Blinder von seinen Feinden gedemütigt. Das Letzte was er mit JHWHs Hilfe machen kann, ist die zwei Pfosten ihres (!) Daches einzureißen. „So waren die Toten, die er mit seinem Tod tötete, zahlreicher als die, die er in seinem Leben getötet hatte.“ SIMSON hatte 20 Jahre ISRAEL gerettet. Die Zahl berichtet zugleich vom Zurückbleiben der 20 gegenüber der 200, die das größte und letzte Ziel des göttlichen „bara“ (2-200-1) ist. Das kann SIMSON nicht erreichen.

Abb. 4   Die Zahlenstruktur des Richterbuches und seine 14 Richter / Retter

8. Die MICHA-Erzählung – „ … und kein Retter war da“

8.1 Struktur und Botschaft der MICHA-Erzählung

Nach den 14 Erzählungen über die Richter und Retter JUDA bis SIMSON folgt ab Kapitel 17 die MICHA-Erzählung, welche vordergründig nicht zu den vorangehenden Texten über das Wirken der Richter passt. Die ganz offensichtlich nachgestellte Erzählung erfasst dennoch, auf ganz andere Weise das Kernthema des siebten Buches – das (Ver)Fehlen und dessen unkalkulierbaren Folgen. Gegenüber den vorangehenden 14 Erzählungen wirkt die MICHA-Erzählung noch einmal völlig anders und ihre Aussagen erscheinen zu den vorangehenden und bereits irrational wirkenden Erzählungen graduell noch irrationaler. Die 14 Richtererzählungen sind mit ZWEIMAL SIEBEN ein Paar von Siebenheiten. Sie bilden einerseits eine auf einer gemeinsamen Ebene existierende Polarität ab (7—7). Andererseits erzeugt diese aus zwei Teilen bestehende Ebene ein Gegenüber und damit ein DRITTES. Jenes DRITTE berichtet wie alle Erzählungen des 7. Buches vom Wesen der Sieben, doch bringt es die Sieben gegenüber den 14 vorangehenden Erzählungen auf polare Weise zur Anschauung. Mit anderen Worten: Die MICHA-Erzählung eröffnet eine neue Dimension der Sieben, was erklärt, weshalb durch sie die bis dahin auftretende Irrationalität noch einmal eine Steigerung erfährt.⁹ In denen der MICHA-Erzählung nachfolgenden Vergewaltigungs- und Rache-Erzählungen erreicht das Irrationale sodann einen Grad, der in seiner Grausamkeit selbst von einem JHWH-treuen Leser nicht mehr hingenommen werden kann. So wirft das Richterbuch an seinem Ende den Leser auf sich selbst zurück. Das Gottesvolk macht im Anblick der Gottheit JHWH die Erfahrung, dass es am Ende keinen äußeren und physischen Retter mehr gibt, sondern nur noch das erfahrende Subjekt (5) selbst. Ein Subjekt, welches das erkennt und umsetzt, ist kein beliebiges Subjekt mehr. Es ist König. Der König ist das dem Ganzen verpflichtete Individuum! Ein so verstandener König geht über den Herrscher des Volkes hinaus. Den Widerspruch fasst das siebte Buch in der Unterscheidung von einem gewollten König zu dem wahren König in den zwei letzten Sätzen zusammen:

In jenen Tagen gab es keinen König in Israel. Jedermann tat das Rechte in seinen beiden Augen.

Die anderen, feindlichen Völker, mit denen sich das Gottesvolk auseinanderzusetzen hatte, hatten bereits Könige, die ihrem Bewusstseinsgrad entsprechend handelten. Mit dem Abschluss des siebten Buches gilt es, für das Gottesvolk einen König hervorzubringen, der die Gesetze JHWHs kennt und bewusst umsetzt. Der Kern seines Handelns ist Wahrhaftigkeit, denn wahrhaftiges Tun zeichnet das königliche Subjekt aus. Um das ins Bild zu setzen, haben die Verfasser der Texte als letztes Wort des siebten Buches offenbar bewusst das Verb „tun“ gewählt. Die Stellung des Verbs am Satzende ist außergewöhnlich und verlangt, hinterfragt zu werden. Die Antwort findet sich schon in der Genesis im letzten Wort des siebten Tages, das ebenfalls das Verb „tun“ ist. Dort wird das Verb als Infinitiv (30-70-300-6-400) gebraucht. Der Infinitiv beschreibt das anhaltende, das „prinzipielle, nicht endende“ Tun. Im Richterbuch wird es nun in Form der dritten Person Singular (10-70-300-5) eingesetzt und wird somit auf das gegenwärtig handelnde Subjekt bezogen. Das Verb ist eine Art Quintessens, die von einer größtmöglichen Konsequenz und Wahrhaftigkeit berichtet, über die nichts mehr hinausgeht. Schon der siebte Tag, der Tag der Gottheit spricht von „Aufhören“ und „Ruhen“ und bezieht das auf die Gottheit selbst, die sich relativiert und zurücknimmt. Das siebte Buch „Richter“ formt das aus. In Bezug auf das gereifte, göttliche Subjekt erklärt es, weshalb das Verb „tun“ einen direkten Bezug zum „opfern“ hat und in den heiligen Texten oft auch so verwendet wird.¹⁰

Die MICHA-Erzählung ist keine Retter-Erzählungen, wie noch die zweimal sieben ihr vorangehenden. Es gibt keinen externen Retter mehr. Obwohl ein solcher nicht mehr erwähnt wird, bleibt doch der die „Einheit rettende Aspekt“ wirksam! Für die in der Projektion lebenden und nach außen schauen Subjekte ist er jedoch verborgen. Der Gedanke einer Rettung scheint ihnen maximal entfernt. Die Spannungen erreichen ein Höchstmaß und können nur noch durch das Wissen um die Konstitution des Bewusstseins und seiner Abstufungen eingefangen werden.

Bei den zweimal sieben Retter-Erzählungen geht es noch ganz und gar um die konsequente Abgrenzung und Unterscheidung der Israeliten zu den Bewohnern des fremden Landes – den vermeintlichen Feinden. JHWH fordert selbige schon in der ersten Erzählung über seinen Engel vehement ein und verlangt, deren Altäre niederzureißen (s. Ri 2:1f). Die letzte Erzählung, die MICHA-Erzählung spannt nun den ganz großen Bogen zurück zur ersten Erzählung. Sie entfaltet darin nicht allein eine polare Sicht, sondern geht über die Polarität hinaus und erzwingt deren Einheit. Wurde das Gottesvolk bis dahin wegen seiner konsequenten Richter- und Gottestreue immer wieder gerettet, so wird jene Konsequenz ihm in der jetzigen „Vergeltungs-Erzählung“ zum Verhängnis. Was vorher heilig erschien, weil es JHWH eingefordert hatte, geht jetzt verloren. Der Verlust des Heiligen schockt den Leser, ist aber in der größeren Dimension höchst konsequent. Das Thema der MICHA-Erzählung besteht geradezu in der Potenzierung der Konsequenz, auch wenn die Handlung des gottesfürchtigen MICHA endlich zum Raub des Heiligtums, furchtbar erscheinenden Gewalttaten und zum Krieg führt.

8.2 Die vier Teile der MICHA-Erzählung und das sich erhebende Bewusstsein

Wie die Sieben auf ihrem Wesen beruht, so ist auch die MICHA-Erzählung, die letzte Erzählung des siebten Buches viergliedrig. Die vier Teile bilden die Basis (4), um das Andere und Höhere zu ermöglichen – das neue, königliche Bewusstsein (5).

 

  • MICHA und seine Mutter
  • Der Raub des Gottesbildes durch die DANaiter
  • Der levitische Mann und sein Schicksal
  • Rache und Schwur der Israeliten

 

8.2.1 MICHA und seine Mutter – ein fruchtbarer Zwist

MICHA hatte von seiner Mutter 1100 Silberstücke ohne ihr Wissen genommen. Warum er das tat, bleibt unerwähnt. Man kann darin kein bewusstes Verfehlen ableiten. Vielmehr steht die Ausgangssituation lediglich für die zahlreichen und wertfreien Widersprüche und Spannungen im Leben. Das signalisiert auch die Zahl 11. Sie beschreibt die Symmetrie von zwei Partnern, welche unterschiedlichen (Bewusstseins-)Dimensionen angehören. Die Mutter fluchte über das Fehlen. MICHA gab das Silber – das Symbol für das Zweite – der Mutter zurück. Das scheinbar Abhandengekommene (2) wurde der Eins wieder zugeordnet. Der Akt der Rückverbindung erfreute die Mutter (4). Die Rückkehr und der Einschluss in die Vier, dem „Mutterhaften“ bedeutet auf der Ebene der Subjekte (Mutter-Sohn) die Rückkehr eines Subjekts (5) in ein größeres Ganzes (10). Beide waren zufrieden. Der Vorgang beschreibt das Wesen des Namens JHWH (10-5-6-5), der das Zusammenfließen (+/6) von Subjekt (5) und Gegensubjekt (5) zu einem größeren Ganzen (10) benennt (10 = 5 + 5). Die Mutter erklärt das Silber deshalb „als heilig für JHWH“, dem Gott der Subjekte. Ihrem Willen, dem Willen der Mutter (4) nach, sollte aus dem Silber ein Schnitz- und Gussbild entstehen. Die Mutter gab dem Goldschmied, der das Gussbild anfertigte vom dem Silber 200 (!) Silberstücke. Die Zahl 200 war das Zeichen des göttlichen Schöpfens, wie es das „bara“ (2-200-1) der Genesis ausdrückt (Gen 1:1). Mit dem Gussbild hatte MICHA nun zum einen ein „Gotteshaus“, einen physischen (!) Ausdruck für das Wirken der Gottheit. Zum weiteren wollte er nach vorn schauen und übertrug das Wirken der Gottheit auf die nächste Generation, indem er einen von seinen Söhnen weihte, der später Priester wurde. Zum dritten nahm MICHA einen fremden Leviten (3) aus Bethlehem bei sich auf und er machte ihn für 10 Silberlinge zu seinem Vater und Priester.¹¹ So setzte MICHA das Prinzip der Erhöhung des Gegensatzes (siehe 2-200) auf dreifache Weise um. MICHA handelt aus seiner Perspektive nach bestem Wissen und Gewissen. Dennoch ist er ein in seiner Dimension Handelnder und erzeugt in seinem Handeln Schatten. Davon berichten die zehn Silberlinge, die er dem von ihm „gekauften Priester“ als Lohn gibt. Die Zehnzahl spricht zum einen von einer höheren Ebene der Einheit (1), die er über den Priester anstrebt. Zum anderen ist der Dimensionswechsel aber ein aus seinem Bewusstsein ausgelagerter und projizierter.

Der erste Teil der Erzählung, der von MICHA und seiner Mutter erscheint gegenüber den nachfolgenden, grausam wirkenden Teilen harmlos und positiv. Doch beschreibt schon er die archetypischen Elemente, die auch die anderen Teile und ihre Tragik strukturieren. MICHA macht das, was jeder Gläubige tut. Er erstellt sich ein Heiligenbild und ernennt einen Priester über sich. Das Muster beschreibt das Zusammenwirken von Geist (3), Substanz (4) und Bewusstsein (5). So lässt MICHA sich ein Heiligenbild erstellen, um seinen Glauben zu manifestieren und macht im logischen Fortgang des Geschehens einen anderen zu seinem Vater und Priester. Das gleiche Muster erfüllt der zum Priester geweihte Fremde selbst. Er ist ein archetypisch Vierter, weil er aus dem 4. Stamm der Israeliten, aus Juda kommt und er ist zugleich ein archetypisch Dritter, denn er ist ein Levit (Ri 17:7). Das sind die Voraussetzungen, um – analog der Geometrie des pythagoreischen Dreiecks 3-4-5 – das Bewusstsein (5) des noch „jungen“ und „fremden Mannes“ (Ri 17:7) zu konstituieren. Die besondere Konstellation veranlasst MICHA, ihn zu seinem „Priester und Vater“ zu machen (Ri 17:10). Mit dessen Weihe begegnen sich sodann zwei Bewusstseinszustände, das Bewusstsein von MICHA (5) und das des Priesters (5). Gemäß der triadischen Ordnung verlangt das nach einem verbindenden Dritten. Von ihm berichtet wiederum der Name JHWH (10-5-6-5) und die in ihm wirkende Formel 10 = 5+5.

8.2.2 Die DANaiter rauben MICHA sein Gottesbild

Das Gottesbild und der Priester sind für das Reifen von MICHA nur vorübergehende Hilfen, die ihm notwendigerweise wieder gestohlen werden. Auslöser ist wieder das Aufeinandertreffen zweier Bewusstseins-Dimensionen (5). Dem subjektiven Bewusstsein MICHAs tritt ein anderes Subjekt (5) entgegen, welches zum Widersacher seiner Ordnung wird und einen neuen Gegensatz heraufbeschwört (7). Es sind „5 Männer“ aus dem Stamm DAN, „der noch sein Erbteil sucht“ und glaubt, ihn im Gebiet in dem MICHA wohnt, zu finden und in Besitz nehmen zu können. In dieser Vorstellung rauben die 5 Männer dem MICHA das Schnitzbild. Auch dessen Priester ging mit den räuberischen DANitern mit, da er nun nicht mehr für nur einen Menschen, sondern für viele ein Priester sein konnte. Der Text bemerkt: „Und kein Retter war da“ (Ri 18:28)! Die Bemerkung setzte auf die Abstraktionsfähigkeit des Lesers. Sie verlangt, zwischen dem Retter und dem Prinzip der Rettung zu differenzieren. Die Wirklichkeit der Sieben ist eine höhere. Sie rettet immer die Einheit. Gerade weil kein Retter mehr da ist, wird MICHA aus seiner begrenzten Vorstellung vom Heiligen gerettet.

Die Räuber wiederum richten das Schnitz- und Gottesbild für sich auf und übernehmen mit ihm auch dessen „Verhärtung“, die später zu ihrem Schicksal wird. Die „5 tapferen DANiter aus der Gesamtheit (1) ihrer Sippe“ (siehe 1—5) handelten gemäß dem Bewusstsein und der Ordnung ihrer Sippe. Die aber sind aus der Gesamtperspektive oberflächlicher Art. So glaubten sie, einem ruhigen und arglosen Volk ihr Eigentum rauben zu können, nur weil sie die „Mundart“ des Leviten erkannten und dessen friedliches Umfeld sahen. Für MICHA und für das friedliche Volk, in dessen Gebiet MICHA lebte, geschah das alles ohne erkennbare Vernunft. Sie wurden mit dem unausweichlichen Nichtwissen und dem „Zufall“ – der Sieben – konfrontiert.

Die wahren Zusammenhänge lassen sich aus linearlogischer Sicht nicht erschließen, wohl aber in Hinblick auf die wirkenden Archetypen. So stellt sich die Frage, weshalb gerade der Stamm DAN es ist, der dem JHWH-gläubigen MICHA das Gottesbild raubt. Der Text legt Wert auf eine Antwort, denn der Stamm DAN wird in den betreffenden Kapitel 18 gleich dreizehnmal genannt. Der Schlüssel ist der Bezug des Stammes zum Namen JHWH.

Die Tora kennt sieben Aufzählungen der 12 Stämme Israels. Da die biblischen Erzählungen aber nicht nur die Archetypen beschreiben, wie das beispielsweise vor allem bei den ersten vier Stämmen der Israeliten der Fall ist, sondern auch die Fortentwicklung der verschiedenen Charaktere in den Blick nimmt, kommt der ersten der sieben Aufzählung in Gen 29:1ff eine besondere Bedeutung zu. Sie ist richtungsweisend, denn aus ihr heraus entwickeln sich regelhaft die anderen. Nach ihr ist DAN der fünfte Stamm. Seinem Archetyp nach beschreibt er die Voraussetzungen für das Entstehen von Bewusstsein (5). Das sind zum einen die Suche nach der göttlichen Einheit und Ganzheit (1) und zum anderen das Fehlerbehaftete alles Existierenden, aus dem heraus die Suche erfolgt.

DAN, dem Fünften geht eine Vierheit voran (RUBEN, SIMEON, LEVI, JUDA). Auf sie baut er auf und auf sie bezieht sich seine Existenz. Nach ihr und der Flussform der Zahlen ist er zugleich ein Zweites (s. I-II / 1—5). Nicht nur das äußere Merkmal von DAN ist die Zwei. Ihr Archetyp durchdringt ihn. DAN ist nicht nur der Sohn einer Magd und somit der Sohn einer „Zweiten“. Seine Mutter BILHA ist zudem die Magd von RAHEL, der zweiten Frau von JAKOB. Die wahre Zwei erhebt keinen Alleinanspruch, vielmehr stützt sie sich auf die ihr vorausgehende Eins und Einheit. Die wiederum kann nur stützen, weil sie bereits verborgen die Zweiheit beherbergt, analog dem ersten Buchstaben Alef (א), der aus einem Jota (י) und seiner Spiegelung besteht. Das ist der Hintergrund, weshalb BILHA „auf den Knien“ ihrer Herrin RAHEL gebärt (Gen 30:3).

Dieser seiner Anlage nach verdrängt DAN den Zwiespalt nicht, sondern packt ihn beim Schopfe und handelt. Die Handlungen selbst sind zwar auf die Einheit und Ganzheit bezogen, bringen naturgemäß aber ihrerseits einen neuen Zwiespalt hervor. Der ist unumgänglich und tut sich auch dem Gläubigen gegenüber als ein ihm zufallender „Zufall“ auf. Jener Zwiespalt und Zufall ist Gegenstand des Richterbuches, des siebten Buches der Bibel, das in der Erzählung von MICHA gipfelt.

8.2.3 Der levitische Mann und sein Schicksal

Die zunehmend eskalierenden Erzählungen der MICHA-Erzählung erreichen in der dritten Erzählung, der vom levitischen Mann einen emotionalen Höhepunkt. Ihre unvorstellbar grausamen Gewalttaten sind wegen der bei jedem Leser vorhandenen Bindungen schwer zu erfassen. Es ist deshalb hilfreich, die leichter zugängliche erste Episode mit ihren noch lösbaren Konflikten im Auge zu behalten. Alle Eskalationen lassen sich prinzipiell auf sie zurückführen. In Hinblick auf sie werden sie einsichtig.

Immer ist es die Zweiheit, das Abweichende welches die Fortentwicklung des Bewusstseins vorantreibt. Sie fordert auch die scheinbar heile Welt des MICHA heraus. Im Grunde geht es darum, das Wesen der Zwei in das Wesen der Sechs zu transformieren und so zu einem Fluss der Dinge zu kommen. Welche Hürden das Subjekt dabei zu überwinden hat, das artikuliert diese dritte Episode der MICHA-Erzählung in brutalen Bildern.

Der Quell auch dieser dritten Erzählung ist die Mutter (4) des MICHA. Sie beauftragte ihn einst in bester Absicht, das Heiligenbild anzufertigen zu lassen. Mit der Schau auf solch ein Heiligenbild erhebt sich MICHA aus der „mütterlichen Ebene“ der Vier (s. Pyramidensymbol). Doch ist das Heiligenbild als ein substantiell konfiguriertes zugleich ein fehlerbehaftetes. Die Crux des Vorganges besteht darin, dass MICHA sich das Gottesbild selbst macht und sich ihm unterwirft. MICHA ist sich des verhängnisvollen Zirkelschlusses nicht bewusst und wird dessen Opfer. Als ihm die DANaiter das Heiligenbild und den Priester rauben, wird er nun selbst ein „Fremder“ (Ri 19:1). Er ist mittelos. Vor allem aber gehen ihm sein Name und seine Bestimmung verloren. Und doch bleibt er durch den Entwicklungsprozess ein Erhobener – ein Levit (3). Die Erzählung spricht von da an nicht mehr von MICHA, sondern von einem „levitischen Mann am äußeren Ende des Gebirges“. Sein Zustand ist der eines Ehemannes, der mit einer streitbaren Zweitfrau eine Ganzheit zu bilden hat, bei welcher der Zwist vorprogrammiert ist. Die bevorstehende Auseinandersetzung wird gleich zu Anfang bewusst mit dem Symbol der Vier beschrieben, denn die Nebenfrau lief ihm nicht nur weg, sondern weilte „vier Monate lang“ bei ihrem Vater. Das Kennzeichen der Vier verleiht den weiteren Erzählung den Rahmen einer endlich fruchtbaren Fortentwicklung des Zwists, obwohl der sich zu einer unglaublichen Tragödie auswächst.

Der levitische Mann verweilt bei seinem Schwiegervater, der ihn fünf Tage lang aufhält. Der Schwiegervater ist sehr wohlwollend. Doch denkt er linearlogisch. Den sechsten Tag, d.h. das Wesen der Sechs erlebt der levitische Mann nicht mehr dort und somit auch nicht aus dessen einfacher Perspektive, die darin besteht, dass er „sein Herz einfach fröhlich lassen sein kann“ (Ri19:9). Der levitische Mann, seine Nebenfrau und sein Knecht sind eine Dreiheit und bilden als solche eine eigene Dynamik aus. Die Drei Personen verlassen die genussvolle Welt des Schwiegervaters und nächtigen in einer „Ebene“ (Platz), die zu den gerade verlassenen Niederungen andersartig ist, aber ebenso von einem „linearen Denken“ beherrscht wird. Die Drei finden bei einem Fremden, „der gerade vom Feld kommt“ (4) eine vorübergehende Bleibe. Das geschieht auf dem Gebiet der BENAJAMINiter. Ruchlose Männer des Landes verlangen Sex mit dem levitischen Mann. Weil den der Herr des Hauses verweigert, die Männer aber nicht vom sexuellen Verlangen ablassen, geben der Hausherr und der levitische Mann die jungfräuliche Tochter des Hauses und die Nebenfrau dafür her. Die Nebenfrau wird vergewaltigt. Sie „gibt keine Antwort mehr“ und stirbt auf der Schwelle zwischen Außen und Innen, zwischen dem „Diesseitigen und dem Jenseitigen“, zwischen Sechs und Sieben.

Dem Mann bleibt nichts anderes mehr, als seinem levitischen Auftrag im Sinne des Geistes der Ganzheit nachzukommen und zu erfüllen. Hier nun wirkt das Wesen der 12: Das Fleisch tritt gegenüber dem Geist der Einheit zurück und so zieht der levitische Mann wieder in seine Berge und zerstückelt dort die tote Nebenfrau in 12 Teile und sendet sie an die 12 Stämme Israels.

8.2.4 Rache und Schwur der Israeliten

Die die Leichenteile empfangenden Söhne Israels sind nach Moses früherer Unterweisung gehalten, das Böse aus ihrer Mitte zu entfernen. Sie ziehen deshalb im Einvernehmen mit ihrem Gott JHWH gegen die BENJAMINiter in den Krieg. Das geschieht, weil die BENJAMINiter ihrerseits hart bleiben und die Schuldigen, die das Verbrechen auf ihrem Gebiet begangen haben, nicht ausliefern und so nicht dem Tod anheimgegeben. Der Konflikt wird zum Selbstzerstörungsprozess der Israeliten, die an sich aber die Einheit des Volkes bewahren müssen.

Um die wahre Konfliktlinie zu erfassen, muss man den Zwiespalt der BENJAMINiter unter dem Gesichtspunkt des Wesens ihres Archetyps reflektieren. Sie selbst haben das Unrecht nicht verübt und doch geschah es auf ihrem Gebiet. Der 12. Stamm ist auf höhere Weise der Ganzheit und ihrer Ordnung verpflichtet. Eine solche Sicht können die Söhne Israels nicht nachvollziehen. Vielmehr erweitern sie ihren Treueschwur gegenüber ihrem Gotte JHWH und ziehen mit dessen Zustimmung in den Krieg gegen die BENJAMINiter. Die aus linearer Sicht getroffene Ausdehnung des Schwures auf ihre Frauen, die sie wegen der verübten Schandtat den BENJAMINitern nicht mehr geben wollen, hat für sie scheinbar verheerende Folgen. Am Ende ist „… die Frau aus BENJAMIN ausgerottet“ (Ri 21:16). Dem Volk dem die Frauen fehlen, hat keine Zukunft mehr. Das bedroht nicht nur den 12. Stamm, sondern die Söhne Israel als Ganzes. Am Ende sind die Israeliten zum Raub von Frauen gegenüber Fremden gezwungen und erfüllen darin über einen schmerzhaften Umweg das Wesen BENJAMINs, der „ein Wolf ist, der zerreißt und am Abend die Beute verteilt …“  (s.u. Gen 49:27). Die Quintessenz ist: Die Söhne Israels werden aufgrund ihres gutgemeinten Schwurs über das Schicksal zu Räubern.

Der Schwur reflektiert das Wesen der Sieben, weshalb man die Sieben auch die Schwurzahl nennt. Sie ist es wegen ihrer Konsequenz und Unerbittlichkeit gegenüber den weltlichen Unvollkommenheiten. Gegen die Sieben haben Täuschung und Betrug auf Dauer keine Chance. Wenn die in der Polarität und in der Unvollkommenheit lebenden Menschen ihren Bezug zur ungreifbaren Vollkommenheit sichtbar erklären wollen, beziehen sie sich auf deren Repräsentant in der Welt. Das ist die Sieben. Die Reflexion der Vollkommenheit erfolgt jedoch immer aus der unvollkommenen Welt heraus und bleibt deshalb immer mangelhaft. Das relativiert auch jeden Schwur und führt die Vorstellung der Menschen von der Vollkommenheit an ihre Grenze. Jene Grenze zeigt die letzte Erzählung des siebten Buches, die Erzählung von MICHA auf. Die Israeliten scheitern an ihrem eigenen Schwur. Ihr unbedingtes Bekennen zur Ganzheit führt endlich dazu, dass ihnen die Zweiheit, das Weibliche fehlt. Das aber ist notwendig, um die Ganzheit und ihre Ordnung (12) abzubilden. Die wahre Einheit alias Ganzheit schließt die Zweiheit ein. Nur so kann sie eine neue Dimension erschließen. Deren Ordnung wird durch die zweigliedrige Zahl 12 sichtbar.

Die größeren über die Zahl 12 sichtbar werdenden Zusammenhänge überschauen die Israeliten nicht und reagieren auf ihre Weise „eindeutig“ aber doch linearlogisch. Sie versammeln „40.0000 Mann als Einheit“ und ziehen nach GIBEA auf das Gebiet der BENJAMINiter. Der 12. Stamm, die BENJAMINiter hingegen war im Besitz des Wissens um den unaussprechbaren Gottesnamen JHWH (10-5-6-5), der von der hohen Ebene der 10 berichtet, die in zwei sie beherbergende Bewusstseinskategorien (5 & 5) zerfällt (siehe Aufsatz „Die Zahl 26 und der unaussprechbare Gottesnamen JHWH“). Anstatt wie von den Israeliten erwartet, liefern die BENJAMINiter die ruchlosen Männer nicht aus, sondern mustern stattdessen 26.000 Kriegsmänner unter denen „700 Linkshänder waren, deren Steinwurf ihr Ziel nie verfehlte“.

Beide Parteien nehmen in Berufung auf JHWH den Kampf auf. Als erster Stamm zog wieder, wie einst schon am Anfang berichtet, der Stamm JUDA aus! Auch diesmal bekräftigt JHWH den Kampf, obwohl er gegen den Stamm des eigenen Gottesvolkes BENJAMIN gerichtet ist! Die zusätzliche Eskalation besteht darin, dass die ISRAELiten diesmal ergänzend geschworen haben, dass niemand seine Tochter mehr einem BENJAMINiter zur Frau geben wird. Mit anderen Worten: Sie haben der Trennung und Verhärtung anstatt dem Fluss der Dinge zugeschworen.

Nachdem die ISRAELiten die BENJAMINiter nach anfänglicher Niederlage dann dennoch mit einer List (!) besiegen konnten, waren am Ende alle benjaminitischen Frauen ausgerottet. Das brachte die Söhne ISRAELs in eine unlösbare Lage, denn einerseits musste die Ganzheit ihrer 12 Stämme erhalten bleiben und andererseits war deren Fortentwicklung nach ihrem Schwur und ihrem Handeln nun nicht mehr möglich.

So steigert das Richterbuch den Blick auf die Sieben bis zu einem Punkt, wo das Undenkbare geschieht, aber doch denkbar gemacht werden muss. Es demonstriert zum einen, dass die Sieben unabhängig von allen Umständen wirkt und selbst in Form der Vergewaltigung in das Leben einbricht. Die an sich grausame Vergewaltigung trifft ausgerechnet die Nebenfrau eines Leviten und das zudem noch auf dem Gebiet GIBEA, das zum Stamm BENJAMIN, einer der 12 Stämme ISRAELs gehört. Zum anderen demonstriert es über die unausweichlich werdende, blutige Strafexpedition eine selbstverursachte Zwangslage, die unvermeidlich neue Fehler nach sich zieht. Weil die Ganzheit der Stämme ISRAELs gewahrt werden muss, werden andere Völker überfallen und deren Frauen geraubt. Denen wird ihre „fruchtbare Zwei“ genommen. Das dem JHWH und der Gerechtigkeit verpflichtete Gottesvolk wird zur Quelle der Ungerechtigkeit.

8.3 Der Stamm BENJAMIN und der denkbar größte aller Konflikte

Das siebte Buch ist ein Buch der Unberechenbarkeit. Dass es am Ende am Stamm BENJAMIN eskaliert, bedarf einer Erklärung. BENJAMIN ist der Stammvater des 12. Stammes der Israeliten. Der Name symbolisiert durch seine Zuordnung zur 12 eine Ordnung, der auch das sichtbar Andere (2) angehört, das widersinnig erscheint oder als widerwärtig empfunden wird. Wenn BENJAMIN genannt wird, geht es um einen verborgenen Sinn und eine höhere und ganzheitliche Sicht, die nicht selten auch die größten Grausamkeiten des Lebens einschließt.

BENJAMIN ist ein Zweitgeborener (2). Seine Mutter ist RAHEL, die Zweitfrau (2) von JAKOB.¹² Sie stirbt bei der Geburt ihres zweiten Kindes BENJAMIN. Die offensichtliche Tragik, welche die Geburt begleitet, transportiert im Verborgenen zugleich die Botschaft der Ganzheit und Vollkommenheit. Sie erschließt sich dem, der in ihr das Wesen der Vier erblickt, in dem die Zwei und Polarität auf sich selbst wirkt und so die Einheit hervorbringt. Der Zweitgegorene der Zweitfrau (2 x 2) ist letztlich ein Vierter und somit Vollkommener, auch wenn der äußere Schein dies nicht erkennen lässt.

Bei den sieben Aufzählungen der Stämme Israels, welche die Tora kennt, nimmt Benjamin in der letzten die vierte Stelle ein (Dtn 33,6ff). In der ersten (Gen 29,31ff) fehlt sein Name, denn er war noch nicht geboren.¹³ Als letzter der zwölf Söhne ISRAELs wird BENJAMIN spät geboren, ist aber der einzige der zwölf, der im gelobten Land geboren wird.

Die endlich vierte Stelle, die BENJAMIN in der letzten aller Aufzählungen durch MOSE im Dtn einnimmt, stellt eine besondere Beziehung zu JHWH her, dessen so hoch bedeutender, viergliedriger Namen auch das „Tetragramm“ genannt wird. Wie BENJAMIN das Wesen der Zwei einschließt und es fruchtbar werden lässt, so verbinden sich im Namen JHWH zwei Subjekte (5) zu einem größeren Ganzen (s. JHWH-Formel 10 = 5 + 5 oder 1+2+3+4=10). BENJAMIN hat unter allen Stammvätern zu JHWH die höchste Affinität. Er ist der Liebling JHWHs: „Für Benjamin sprach er (MOSEs): Der Liebling JHWHs! In Sicherheit wohnt er bei ihm. Er beschirmt ihn den ganzen Tag, und zwischen seinen Berghängen wohnt er“ (Dtn 33,12).

JHWH und BENJAMIN werden im biblischen Kontext im Gegensatz zu den „Anderen“ spät erwähnt bzw. geboren. Beide repräsentieren das in der Vier sichtbar werdende Prinzip der Addition. Das verbindet sie, obwohl sie unterschiedliche Dimensionen verkörpern. In BENJAMIN wirken die erdbehafteten Gegensätze und in JHWH die Gegensätze des Bewusstseins. Schon als der Urvater JAKOB seine zwölf Söhne segnet, benennt er auch ihr Wesen (Gen 49:1ff). Obwohl und gerade weil BENJAMIN hier an der zwölften Stelle genannt wird und so für das Prinzip der göttlichen Ordnung steht, stellt JAKOB dessen zwei Seiten heraus: „BENJAMIN ist ein Wolf, der zerreißt. Am Morgen verzehrt er Raub, und am Abend verteilt er Beute“ (Gen 49:27). Die spät sichtbar werdende, nährende Fruchtbarkeit selbst des grausamsten Geschehens wird schon von JAKOB sehr früh benannt. In der Erzählung von MICHA im siebten Buch der Bibel erhält die Grausamkeit in den Reihen der Söhne ISRAELS eine letzte Wucht. Der Leser der Texte wird herausgefordert, die in ihnen verborgene Ordnung zu erkennen.

8.4 Vierzehn Retter und der sich „rettende“ MICHA

Die MICHA-Erzählung ist gegenüber den zweimal sieben Retter-Erzählungen ein Drittes. Ihre verbindende Funktion macht in vier Episoden eine fortlaufende Dynamik sichtbar. Die schon bei MICHA auftretenden und noch als unbedeutend klein empfundenen Spannungen wachsen zu einer übergroßen Dimension heran. Am Ende erscheinen sie wie die Zahl Sieben irrational und willkürlich. Das aber sind sie nicht wirklich, denn sie beruhen immer auf einer Grundspannung, welche das bewusste Individuum zunehmend reflektieren und durchschauen kann.

Die erste Episode (s. 8.2.1) beschreibt die Entwicklung des Bewusstseins auf der Persönlichkeitsebene des MICHA. Die zweite Episode (s. 8.2.2) erweitert sie auf die Kollektivebene des Stammes DAN. Die dritte Episode (s. 8.2.3) ist die vom levitischen Mann. Sie führt die ersten zwei im Konflikt zwischen Person und Kollektiv zusammen. Das Resultat ist eine Vierheit, eine Manifestation in welcher der Zwiespalt so gegenständlich wird, dass er nicht mehr übergangen oder verdrängt werden kann (s. 8.2.4). Die Rache und der Schwur der Israeliten gegenüber den BENJAMINitern führen zu einem Zustand, der die Bedrohung der göttlichen Einheit und Ganzheit auch im Kollektivbewusstsein sichtbar werden lässt und dessen Erweiterung erzwingt. Die Söhne Israels müssen erleben, dass sie das vermeintlich zufällige Schicksal selbst herbeigeführt haben. Das Wesen der Sieben fordert sie heraus.

Der Kern- und Kristallisationspunkt der Vorgänge ist MICHA. Er verkörpert das Prinzip der Entwicklung und wird deshalb als Person in den späten Erzählungen nicht mehr erwähnt. Durch MICHA wird eine nicht endende Dynamik ins Bild gesetzt, in welcher der Fortgang des Lebendigen eine fraktale Struktur erhält und das Subjekt in seine Verantwortung gestellt wird.

9. Ein Nachtrag: Die Zahl 14 und die Einsicht in das Notwendige

Die Zahl 14 wird im religiösen Kontext auch als die „Zahl der Nothelfer“ bezeichnet. Vierzehn symbolisiert im traidischen Fluss der Zahlen eine dritte Art der Differenzierung (2). Die Abb. 5 zeigt, weshalb die 14 die Polarität (2) aus dem Blickwinkel eines Dritten beschreibt (2➜5➜14). Die Polarität (2) macht in ihrer Differenzierung zur Einheit (1) deren Erscheinen erst möglich. Das Bewusstsein (5) erschaut sodann diese Einheit im Wissen um sein Dasein in der Zweiheit, denn es nimmt in einem vergrößerten Maßstab – im Maßstab von Dreiecken – die Position der Zwei ein. Die 14 überblickt die Qualitäten der Zwei und der Fünf und kann in der Interaktion zwischen dem Anderen (2) und dem Subjekt (5) einen Ausdruck des Gesetzes der Vollkommenheit erkennen (5 = 1+4). Solche Schau ist die „Schau der Nothelfer“, da sie in ihrem Blick auf die Ganzheit die Notwendigkeit des Geschehens einsehen kann. Ihre Einsicht gibt den Subjekten ihren verlorengeglaubten Platz im Dasein zurück.

Abb. 5  Die Zahl 14 berichtet aus einer triadischen Perspektive von der Polarität (2) und ihrem Verhältnis zu Einheit und Ganzheit:

1 à  2   Das Ur-Verhältnis aller Verhältnisse ist 1-2.

1 à  5   Das „Urverhältnis 1-2“ tritt über das Subjekt ins Bewusstsein (5).

1 à 14  Wenn das Bewusstsein (5) mit dem „Urverhältnis 1-2“ ein gemeinsames Drittes – die 14 – bildet, dann erfüllt es die ihm zugeordnete Funktion.

Die Zahl 14 eröffnet, wie das siebte Buch, das Buch der Richter beschreibt, eine neue, triadische Perspektive auf das Bewusstsein und die Funktion der Subjekte. Die Zahl 14 wird in dieser ihrer Symbolik auch von den neutestamentlichen Mythen, Legenden und Ritualen ins Bild gesetzt. Das Bild des Nothelfers ist im Grunde auch das Bild vom Christus, dem Erlöser. Der beschreibt den Weg des alten Lichts (1) zum neuen Licht (14). Bevor das neue Licht in der Grippe zu Bethlehem gefunden werden kann, gehen die „drei Weisen aus dem Morgenland“ diesen Weg. Die christliche Zeiteinteilung beschreibt ihn in Form der sogenannten Raunächte. Sie beginnen am 24. Dezember, dem Tag der höchsten Finsternis und enden am vierzehnten Tag, dem 06. Januar zu „Heilige drei Könige“. Die 14 Tage umschließen die sogenannten 13 Weihenächte. Auf dem Weg von der Eins zur Vierzehn herrscht zwar Dunkelheit, aber mit der Zahl 14 wird das untergegangene, alte Licht als ein neues sichtbar.

Abb. 6  14 Tage beschreiben auch im Christentum den Weg des alten Lichts (1.) zum neuen Licht (14.). Diesen Weg gehen die drei Weisen aus dem Morgenlang.

Fußnoten

¹

rBed;y>w:

~yhil{a/

x;nO-la

rmoal

Gen 8:15

Und-es-redete

Elohim

zu—Noah

sprechend:

 

6-10-4-2-200

1-30-5-10-40

1-30—50-8

30-1-40-200.

 

S 222

S 86

S 31+58=89

S 271

 

yhiy>w

#r,a’h‘-lk

hp’f

tx’a

~yrIb’d>W

~ydIx’a

Gen 11:1

Und-es-war

aller—Erde

Sprache

EINS

Und-(die) Worte (waren)

einheitliche.

 

6-10-5-10

20-30—5-1-200-90

300-80-5

1-8-400

6-4-2-200-10-40

1-8-4-10-40.

 

S 31

S 50+296=346

S 385

S 409

S 262

S 63

 

Die Zahlenfolge 4-2-200 (DBR) kommt in der Genesis 142 x vor. Andere Beispiele aus Ex und Dtn sind:

Zehnwort“ (Dekalog);

ein beredter Mann“ (Ex 4,10);

ich weiß, dass er gut reden kann“ Ex4,14;

Gott sprach zu Mose: Gehe hin und rede mit dem Pharao“ (Ex 6,10f);

rede zum Pharao alles, was ich dir reden werde“ (Ex 6,29);

JHWH handelte nach den Worten Mose“ (Ex 8,9);

„Mose redete und Gott antwortete“ (Ex 19,19);

im Namen fremder Götter reden“ (Dt 18,20);

der Prophet, d. sich vermisst, in meinem Namen ein Wort zu reden“ (Dtn 18,20);

² „JHWH aber schlug den Pharao und sein Haus mit großen Plagen wegen (…4-2-200) Sarai, der Frau Abrams“ (Gen 12:17).

³ „Und im 14. Jahr kamen Kedor-Laomer und die Könige, die mit ihm waren, und schlugen die Refaiter bei Aschterot-Karnajim und die Susiter bei Ham und die Emiter in der Ebene von Kirjatajim und die Horiter auf ihrem Gebirge Seir bis El-Paran, das „bei-der-Wüste“ (… 4-2-200) liegt“ (Gen 14:5f).

⁴ Jede Weisheitslehre bedient sich dieser Ambivalenz. Am Ende geht es immer darum, den vermeintlichen Niedergang aus einer anderen, wahren Perspektive sehen zu lernen. So sind auch die jüdischen und christlichen Erzählungen, Erzählungen von fortlaufenden Niedergängen, an deren Ende es doch um Erlösung geht. Die „Wüsten des Daseins“ verwandeln sich endlich in ein „Weideland“ und erweisen sich als ein „Versprechen“.

⁵ Der Name REBEKKA ist hebräischer Herkunft. Er hat eine Parallele zum arabischen Begriff „rabkatun“, was „Schlinge“ bedeutet. Im Neuhebräischen findet sich der Zusammenhang im Begriff der „Kopplung“ wieder.

⁶ Die Polarität der Polarität ist wiederum die Einheit. Die Erzählungen stellen diese Qualität am einfachsten durch „den Zweiten eines Zweiten“ dar. Auch ist ISAAK der zweite Stammvater und Jakob dessen zweiter Sohn.

⁷ Der Stammvater ABRAHAM hatte vorgesorgt, dass seine Nachkommenschaft, die ja symbolisch die Zwei ist und mit ihr den Zwist verkörpert, diesen unter dem Zeichen der Rückverbindung zur Einheit und Ganzheit ausübt. Dazu musste die Frau seines Sohnes ISAAC die Richtige sein. Da sie von Natur aus eine Zweite ist, musste diese, ihre Natur in die Sechs, also in das Zusammenfließen anstatt in das Auseinanderfallen münden. Wie ABRAHAM das verbürgt, erzählt Gen 24ff. Dort erfahren wir von REBEKKA, einer zum Aufbruch ins Unbekannte bereiten, sehr schönen Frau an einem Brunnen, welche in der Lage ist, den natürlichen Durst von Mensch und Tier zu stillen. Die Aufgabe der Frauenwahl übernimmt der ERSTE Knecht des ersten Stammvaters. Er legt zum Schwur seine Hand unter die Hüften des ERSTEN. Auf diese Weise wird auch die „Knechtschaft“ an der Einheit und Ganzheit ausgerichtet. Die Erzählung um die Werbung von REBEKKA ist eine erotische. Sie beschreibt ihrem Grunde nach die Entwicklung des Archetyps der Zwei hin zum Archetyp der Sechs (siehe 2➜6).

⁸ Richterin (hfpC / 300-80-9-5) und Prophetin (haybn / 50-2-10-1-5)

⁹ Wie die neue Dimension im Hinblick auf das Andersartige (2) und schließlich Irrationale (7) zu bewerten ist, das veranschaulicht die Abb. 5, welche die 14 in die Flussform der Zahlen einordnet.

¹⁰ Die Archetypenfolge 70-300-5 kann neben seiner Hauptbedeutung von „tun“ auch „opfern“ bedeuten. Davon zeugen nachfolgende Bibelverse:

2.Mo 10:25; 2.Mo 29:38; 2.Mo 29:39; 2.Mo 29:41; 3.Mo 6:15; 3.Mo 14:30; 3.Mo 16:9; 3.Mo 23:12; 3.Mo 23:19; 4.Mo 6:16; 4.Mo 6:17; 4.Mo 15:6; 4.Mo 15:24; 4.Mo 28:4; 4.Mo 28:8; 4.Mo 28:23; 4.Mo 28:24; 4.Mo 28:31; 4.Mo 29:2; 4.Mo 29:39; 5.Mo 12:27; 2.Kön 5:17; Hes 43:25; Hes 43:27; Hes 45:22; Hes 45:23; Hes 46:2; Hes 46:12; Hes 46:13

¹¹ Die Zehnzahl der Silberlinge, die er dem „gekauften Priester“ als Lohn gibt, sprechen von der neuen Ebene der Einheit (1), die mit dem Priester erreicht werden soll. Der mit der Zehn stattfindende Dimensionswechsel ist ein aus seinem Bewusstsein ausgelagerter und projezierter.

¹² Die vier Frauen JAKOBS sind: LEA und ihre Magd SILPA, sowie RAHEL und ihre Magd BILHA.

¹³ Die Genesis kennt drei Aufzählungen der zwölf Stämme. Sie erfolgen aus dem Blickwinkel von (1) Zeit, (2) Raum und (3) Funktion. Die o.g. zwei Aufzählungen verzichten auf die zweite (35,23ff) und enthalten nur die erste (Gen 29,31ff) und die dritte (Gen 49,1ff). Die weggelassene zweite Aufzählung betrachtet die erste wiederholend lediglich unter dem Blickwinkel der Substanz. Die Söhne JAKOBs werden hier nach den Namen und der Rangordnung ihrer Mütter aufgezählt und nicht nach der Chronologie ihrer Geburt.

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