Der Falke – Freiheit und Bindung
Der Falke – Freiheit und Bindung von Michael Stelzner Der Archetyp der Fünf erzählt von der Potenz, sich über die Natur, die Vier zu erheben.
«SET» - der «Ersatz» oder der dritte Sohn Adams
von Michael Stelzner
«Und Adam erkannte wiederum seine Frau (EVA). Und sie gebar (einen) Sohn [2-50]. Und sie rief seinen Namen Set [300-400 / bedeutet «Ersatz»]. Denn ELOHIM hat mir einen anderen Nachkommen («Samen») gesetzt an Stelle Abels, weil Kain ihn erschlagen hat. Und dem Set, auch ihm wurde ein Sohn geboren, und er gab ihm den Namen Enosch (1-50-6-300)*. Damals fing man an, den Namen JHVH anzurufen» (1.Mose 4,25f).
ADAM und EVA sind im biblischen Mythos die zwei ersten, von der Gottheit geschöpften Menschen. Die Zwei symbolisieren das Bewusstsein in seiner Polarität. Dem Gesetz der Trinität folgend erhebt sich im Gegensatz von Mann und Frau ein Drittes und Größeres, das ihre Gegensätze miteinander verbindet. Aus ihm hervorgehend nennt die Bibel mehrere Geschlechterfolgen, die unterschiedlich lang sind und unterschiedlich Namensaufzählungen enthalten. Die erste ist in besonderer Weise eine archetypische. Sie erzählt, wie die Polarität alias der Archetyp der Zwei zum Archetyp der Drei alias zum Archetyp der Funktion (3) wird (s. Abb. 1).
Der Archetyp der Drei beerbt die Polarität und wirkt (3) entsprechend seines Erbes in zwei Dimensionen. Die eine Dimension umfasst die horizontalen Verhältnisse. Sie betrifft die Ebene der Erde und erzählt vom Verhältnis der Menschen untereinander. Die andere erzählt vom vertikalen Verhältnis der Menschen zur notwendig über ihnen stehenden und wirkenden Gottheit. Aus der Polarität von ADAM und EVA entfaltet sich so die Dreiheit der Brüder KAIN, ABEL und SET. Die biblische Erzählung thematisiert dabei zunächst den Gegensatz der ersten beiden, um sodann im Geschlecht SET, dem Dritten, den Keim aller nachfolgenden Menschen zu entdecken.
Alle drei Subjekte haben ein ihrem Archetyp entsprechendes Verhältnis zur Gottheit JHWH, der «Gottheit der Subjekte». JHWH betritt nicht zufällig just in dem Augenblick die Erzählbühne, als KAIN, der erste vom Menschen selbst gezeugte Mensch geboren wird. In dem Augenblick zeugt der Mensch nicht nur das Bewusstsein eines Menschen. Er zeugt notwendig auch seinen Schatten, der in Form JHWHs versucht, die damit entstandenen Gegensätze zu einem neuen, größeren Ganzen zu verbinden (siehe 5 + 5 = 10).
«Und Adam erkannte Eva (wörtl. «das Leben»), seine Frau.
Und sie empfing.
Und sie gebar Kain.
Und sie sprach «ich habe hervorgebracht (einen) Mann JHWH»» (Gen 4,1).
Der letzte der hier wiedergegebenen vier Sätze sprengt den profanen Blick auf die Gottheit JHWH, die eindeutig das Resultat des Weiblichen im Sinne des «Gesetzes der Vier» ist. Der Satz ist ein theologischer Schlüsselsatz. Wegen seiner vehementen Forderung zur Blickumkehr wird er von den Exegeten in mehrfacher Hinsicht unzulässig übersetzt, umgedeutet und interpretiert. Um dem entgegenzuwirken, gebe ich die entscheidenden drei Wörter hier im hebräischen Originaltext in einer Linearübersetzung wieder.
ytiynIq‘ | vya | hw“hy>-ta |
Ich-habe-hervorgebracht | Mann | **_ JHWH. |
100-50-10-400-10 | 1-10-300 | 1-400_10-5-6-5. |
(1) | (2) | (3) |
Der Gottesbegriff JHWH taucht in diesem von EVA, «dem Leben» gesprochenen und aus drei Wörtern bestehenden Satz erstmals in der solitären Form auf. Vorher erschien er nur als Doppelnamen in der Form «JHWH Elohim». Die Veränderung der Gottheit erzählt von einer Veränderung ihrer Priorität. Steht bei «JHWH Elohim» noch die Zweiheit und Polarität im Vordergrund, so ist das bei JHWH nun die Funktion (3), denn JHWH ist nach ELOHIM und JHWH ELOHIM ein Dritter. Welche Funktion die neu bezeichnete Gottheit erfüllt, das lässt sich aus unterschiedlichen Aspekten ableiten, doch schon der Name verrät es. Der durch Reduktion aus JHWH ELOHIM entstandene «solitäre» Name JHWH erzählt von dem «Einen» und «Einzigen», der in der von der Polarität (2) geprägten Welt (4) immer wieder «Einheit» (1) bewirkt.
JHWH ist ein handelnder, ein «eifernder» Gott. Sein Name – auch die Tetraktys (10-5-6-5) genannt – beschreibt die Funktion (3) zwischen den einzelnen Subjekten (5). In ihm verbirgt sich die sogenannte Subjektformel 10 = 5 + 5, in welcher die Zahl 6, die «und» bzw. «Haken» bedeutet, zwei Subjekte (5) miteinander verbindet. An anderer Stelle beschreiben ich den Namen JHWH ausführlicher. In diesem Zusammenhang geht es um das Entstehen und Wirken der Gottheit JHWH als eine verbindende Funktion, die über die Zahl 6 wirkt. Mit ihrer Wirkung entsteht potenziell ein Schnitt und Sprung in der Entfaltung des Bewusstseins. Die heilige Schrift beschreibt den Bewusstseinswandel über die Geburt des SET, des dritten Sohnes von ADAM und EVA. Ihm voraus geht die Erzählung von KAIN und ABEL, die Erzählung von einem vermeintlich regressiven Bewusstsein.
Die vom Menschen gezeugte Dreizahl der Söhne KAIN, ABEL und SET spricht nicht mehr allein vom abstrakten und prinzipiellen Erheben der Drei über die Polarität, wie sie das Gleichnis vom Dreieck erzählt. Sie spricht vielmehr von einem speziellen Erheben, vom Erheben des Bewusstseins (5) über zwei sich gegenüberstehende (2) Bewusstseinsaspekte und deren Hierarchie.
Der Name SET bedeutet «gesetzt», denn die Gottheit hat ihn bewusst an die Stelle des getöteten ABEL («Windhauch») gesetzt, dem die natürliche Rolle eines Vorübergehenden zukam. SET ist kein profaner Dritter. Er ist ein Erhebender und Erhobener und so der direkte Vorfahre NOAHs, der sich später seinerseits und weitergehend über die profane Ebene der Erde und seine Fluten erhebt. Die Tradition von SET und NOAH führt schließlich zu JESUS, der sich auf sie beruft.
Die Erzählung von den vom Menschen gezeugten Menschen KAIN, ABEL und SET erzählt vom Erfahren und Erheben über den Tod, wie das der Archetyp der Drei auf abstrakte Weise tut. In der Konfrontation der Menschenkinder mit der Polarität und dem «Tod» bekommen die drei grundsätzlichen Archetypen eine greifbare Gestalt. Das scheinbar Selbstverständliche (KAIN), das noch unreflektierte Andere (ABEL) und das über sie hinausragende und sie verbindende Wirkliche, weil Wirkende (JHWH), erweisen sich als ein unauflösbares Ganzes. SET ist der aus ihrem Zusammenwirken hervorgehende Keim, in dem sich das neue Bewusstsein manifestiert. Die zwei ersten, gegenübergestellten Geschlechterfolgen (Toledot 1 und Toledot 2) machen den Gegensatz der Bewusstseinsebenen anschaulich (siehe Abb. 1). Im Subjekt SET und seinem neuen Bewusstsein (5) vereinen sich die ihm vorausgehenden Archetypen.
SET ist ein Zweiter, denn er vertritt nach ADAM die zweite Generation der Menschen. Auch ist er ein «Ersatz», also ein Anderer und Zweiter. Der wahrhaft Zweite verwirklicht seinen Archetyp und bringt das Ganze (1) zur Anschauung. Zugleich ist SET der dritte Menschensohn (KAIN, ABEL SET). Der wirkt verbindend und fruchtbar und eröffnet so Zukunft. Zugleich ist SET ein Vierter (ADAM, KAIN, ABEL SET). Er manifestiert (4) die Art des Bewusstseins, um die es in jeder Religion geht.¹ Es geht es um das Erheben, wie es bereits das Dreieck ins Bild setzt und wie es nun in der nächsthöheren Dimension des Raumes (4) über die Spitze einer Pyramide, den 5. Punkt sichtbar wird.
Die Gegenüberstellung der ersten und zweiten Geschlechterfolge erzählt explizit von diesem Dimensionswechsel in Form der veränderten Positionen der Subjekte HENOCH und ENOSCH (s. Abb. 1). HENOCH ist in der ersten Geschlechteraufzählung das dritte Geschlecht. In der zweiten Aufzählung hingegen ist er nun das fünfte Geschlecht. In der Fünf wird die unmittelbare Beziehung des Anderen (2) zur Ganzheit (1) und Gottheit (10) sichtbar, wie es die Symbolik 1—5 in der «Flussform der Zahlen» erkennbar macht. Die der Fünf zugehörige Generation vermag den Tod zu relativieren und handelt deshalb auf rechte und verbindliche Weise. So berichtet Gen 5,24, dass HENOCH direkt in den Himmel entrückt wird und sodann «mit der Gottheit ELOHIM wandelt».
Die das Bewusstsein abbildende Beziehung 1—5 wird nicht nur durch HENOCH ins Bild gesetzt, der in der ersten Geschlechterfolge das fünfte Subjekt und in der zweiten Geschlechterfolge das fünfte Geschlecht ist. Auch das Subjekt ENOSCH bildet die besondere Beziehung ab. Wie HENOCH ist auch ENOSCH ein Fünfter (ADAM, KAIN, ABEL, SET, ENOSCH). Als Sohn des SET und als einer, der die Gottheit JHWH anruft, ermöglicht er es, dass das Geschlecht der Menschen auf der Erde fortbesteht. Tatsächlich bedeutet der Name ENOSCH «Mensch». Im Unterschied zu ADAM, der ebenso «Mensch» bedeutet, zugleich aber auch der «Erdling», ist dem ENOSCH nun die Bedingtheit seines Daseins bewusst. Die Erfahrung seiner Vorfahren macht es ihm möglich, mit seiner Bedingtheit umzugehen. Das gilt sowohl für das stets mangelhafte Wissen der Menschen als auch für die ihnen immer auch anhaftende Hinfälligkeit der Körper.
Abb. 1 Die Nachkommenschaft (Toledot) des ADAM über KAIN (links) versus SET (rechts)
Die vom Bewusstsein der Menschen reflektierte Hierarchie des Daseins hat Folgen. Sie lenkt den Blick auch auf die Hierarchien unter den Gottheiten, zu denen in der biblischen Genesis der Schöpfergott ELOHIM, JHWH ELOHIM und schließlich der mit dem Menschensohn KAIN hervortretende JHWH, der «Gott der Subjekte» gehören.
JHWH ist der Gott der Brüdererzählung. Er geht aus JHWH ELOHIM hervor, dem Gott der Differenzierung. Unter letzterem geschieht der sogenannte Sündenfall, welcher die unterschiedlichen Dimensionen im Dasein von Natur, Tier und Mensch sichtbar macht. Die Wesen verfolgen unterschiedliche Ziele und setzen doch immer die Gesetze der Archetypen entsprechend ihres Archetyps um. Das gilt generell und somit auch für die drei Gottheiten. Ihre Unterscheidung erfolgt durch die Unterscheidung ihrer Bezeichnungen. Die wiederum erzählen von deren Hierarchie und deren Auswirkungen auf das Bewusstsein der Menschen.
Der Schöpfergott ELOHIM ist die erstgenannte Gottheit. Der für sie gebrauchte Begriff ist nicht zufällig das dritte Wort des biblischen Prologs. Das Wesen des Archetyps Drei ist das Grundwesen aller Strukturen und als solches durchdringt es alle nachfolgenden Strukturen. Die Bibel macht das spätestens an der Struktur der Sieben-Tage-Erzählung sichtbar, die dem biblischen Prolog folgt und in der ELOHIM systematisch die Folge der Archetypen in Schöpfungsbildern vorstellt. Die insgesamt 6 Schöpfungstage bestehen aus zweimal drei Tagen, die ein Spiegelverhältnis zueinander haben. Der siebte Tag, ist der «Tag der Gottheit». Der erhebt sich wiederum als ein Drittes und verbindet die zwei Dreiheiten. Nimmt man die sechs Schöpfungstage als die Tage der Dynamik war, so bildet der siebte Tag ihren Gegenpol, der sodann ein Ruhetag ist. Obwohl die Gottheit aus der Sicht der Menschen ruht, ist dieser Tag aus der Perspektive einer höheren Dimension wiederum ein Tag der Funktion. Um die Gottheit beschreiben zu können, muss man einen anderen, neuen und höherdimensionalen Blick auf sie werfen, die fortan mit den Namen JHWH ELOHIM bezeichnet wird.
Nach der Sieben-Tage-Erzählung beginnt mit Gen 2,1 die Erzählung der ersten Geschlechterfolge (Toledot). Die erste Toledot wird oft als eine zweite Schöpfungserzählung bezeichnet, weil sie noch einmal und auf neue Weise von den Akten der Schöpfung erzählt. Dieses Mal erzählt sie alles aus der Perspektive der Subjekte (5). Im Mittelpunkt der Erzählung steht nun der Mensch selbst.
Sucht man im Textverlauf der Genesis nach dem Bruch und Neubeginn, findet man ihn im vierten Vers des Kapitels Zwei (Gen 2,4). In dem Vers tritt erstmals die zweite Gottheit auf, die nun auch mit den zwei Wörtern «JHWH ELOHIM» bezeichnet wird. Die hier sogleich beginnende 1. Toledot ist umfangreich. Zu ihr gehören nicht nur die auf neue Weise wiederholte Erzählung von der Schöpfung der Menschen, der Tiere und des Erdbodens. Auch der sogenannte Sündenfall mit dem Wirken der Schlange im «Garten Eden» werden der neuen, «zweiten» Gottheit zugeordnet. Im sogenannten «Garten der Wonne» bringt die Gottheit JHWH ELOHIM alle Geschöpfe hervor, auch die verhängnisvoll wirkende Schlange. Dennoch beruft die sich in ihrem Gespräch mit der Frau auf die Schöpfergottheit ELOHIM (Gen 3,1). Die Sprache der Schlange lässt darin erkennen, dass sie ein «rückbezogenes» Wesen ist. Diese Eigenschaft aber ist zwiespältig. Einerseits erfüllt sie darin das «Gesetz der Vier», welches ein Gesetz des Rückbezuges aller Existenzen (4) zur Einheit und Ganzheit (1) ist. Andererseits wird die so argumentierende Schlange der göttlichen Herausforderung des menschlichen Bewusstseins nicht gerecht. Das Ziel der inzwischen agierenden Gottheit JHWH ELOHIM ist es, den Archetyp der 5 zu manifestieren, der das Gesetz der Vier auf die Subjekte erweitert.
Die Schlange hingegen ruft den Namen der Schöpfergottheit erneut auf. Das ist nicht falsch, doch aber unzureichend. Die Spannung der zwei Gottesnamen verlangt nach einer verbindenden dritten Gottheit. Das ist der Gott JHWH. Der betritt die biblische Bühne mit der Geburt KAINs und beherrscht sodann als «Gott der Subjekte» die Erzählung von der ersten Interaktion der von Menschen gezeugten Menschen. Kurzum, JHWH ist die entscheidende Gottheit in der Erzählung vom Brudermord KAINs an ABEL.
Während die erste Schöpfungserzählung, wie auch der Prolog nur die Gottheit ELOHIM kennt, benennt die ihnen folgende 1. Toledot nun gleich alle drei Gottheiten, ELOHIM, JHWH ELOHIM und JHWH. Die erste Toledot setzt damit in archetypischer und ganzheitlicher Weise die göttliche Drei-Einheit ins Bild. Einmal ins Bild gesetzt wird ihre Botschaft sodann von SET, dem dritten Sohn der Menschen weitergetragen.
Der Blick aus den Archetypen heraus macht deutlich, dass auch die biblischen Gottheiten differenzierte Gottheiten sind und ihrem jeweiligen Wesen entsprechend unterschiedlich wirken. Immer aber verbinden sie das von ihnen Unterschiedene wieder zu einem neuen Ganzen. ELOHIM differenziert erst einmal die Archetypen voneinander.² JHWH ELOHIM macht den Sündenfall möglich, setzt «Feindschaft» zwischen Tier und Mensch und vertreibt die Menschen aus dem Garten der Wonne. Hinter allem wirkt das «Gesetz der Vier», das keinen endgültigen Bruch mit der Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit zulässt, vielmehr immer wieder Fruchtbarkeit und Fülle hervorbringt.
Der biblische Startpunkt des menschlichen Daseins ist das sogenannte Paradies. Der aufmerksame Leser der Texte wird entdecken, dass sein wesentliches Merkmal die Zahl Vier ist. Sie prägt alles. Selbst der im Paradies durch das Wirken der Schlange aufscheinende Bruch wird von der Vier beherrscht, was seine spätere Heilung wiederum garantiert. Die Schlange erwähnt, wie vorab beschrieben, zwar den Namen der Schöpfergottheit ELOHIM anstatt JHWH ELOHIM, doch erwähnt sie ELOHIM zugleich viermal. Das fünfte Mal wird der Schöpfergott in der ersten Toledot bewusst und hochbedeutungsvoll nicht von der Schlange, sondern von EVA, der Frau genannt, als diese ihren dritten Sohn gebärt (Gen 4,1). Es ist ELOHIM, der den von KAIN erschlagenen ABEL durch SET ersetzt! Das verwundert zunächst. Doch tritt gerade darin das tiefe Wesen der Schöpfergottheit hervor. ELOHIM wirkt durch die Archetypen und die halten ihrem Wesen nach Geist und Substanz zusammen! Mit anderen Worten: Wenn ELOHIM den erschlagenen ABEL durch SET ersetzt, wirkt im anderen, neuen Subjekt, dem SET der wahre Geist der Einheit fort.
ABEL war ein Dritter.³ SET, sein «Ersatz» ist ein Vierter (siehe Abb. 1). Sein Sohn heißt ENOSCH, was «Mensch» bedeutet. ENOSCH verkörpert den Archetyp der Fünf. Jener neue Mensch erhebt sich nun bewusst (5) über die Vier, denn er hat die Fähigkeit erworben, mit seinen naturbedingten (4) Unzulänglichkeiten umgehen und sie auf rechte Weise einsetzen zu können.
Kurzum: Der Übergang von KAIN zu SET und ENOSCH beschreibt einen Dimensionswechsel im Hinblick auf das Prinzip des Erhebens, wie es das Dreieck in der Zahl Drei und die Pyramide in der Zahl anschaulich machen. In beiden Dimensionen (Fläche vs. Raum) entsteht jeweils wiederum eine neue Dimension im Dasein.
Abb. 2 Die Drei erhebt sich auf archetypische Weise über die Ebene der Polarität (1—2).
Die Fünf bildet das Wesen des Erhebens in der höheren Raumdimension ab.
Die KAIN-ABEL-Erzählung ist in einer ersten Betrachtung aus der profanen Perspektive einfach eine Tragödie. Ihre Unerträglichkeit eskaliert weiter, sobald wenn man reflektiert, dass sie auch noch vom Gott JHWH selbst ausgelöst wurde. Der so konfrontierte menschliche Verstand kann das Geschehen nur einholen, wenn er die menschliche Dimension von der göttlichen unterscheidet und das hinter ihnen wirkende Wesen der Drei als Grundstruktur erkennt. Wer hier wirkt ist JHWH und der betritt mit der Geburt KAINs die biblische Welt. JHWH macht aus dem «Gesetz der Vier »(1+2→4) das «Gesetz der Subjekte» (5+5→10). JHWH setzt der herkömmlichen Vorstellung von der Zwei, dem Zwist und dem Tod ein Ende. Die neue Vorstellung mit ihrem neuen Gesetz erhebt sich aus dem alten Gesetz. Das «Gesetz der Vier» darf der Mensch nicht vergessen. Deshalb endet die Tragödie von KAIN und ABEL mit einer für viele Leser eigenartig erscheinenden Handlung JHWHs. Die Gottheit setzt dem KAIN ein Zeichen auf seine Stirn und vertreibt ihn vom fruchtbaren Erdboden (1-4-40) nach «Osten» (100-4-40) hin⁴, wo er eine Stadt baut, der er den Namen seines Sohnes HENOCH gibt. HENOCH ist nach der nun geltenden zweiten Geschlechterliste (Toledot) ein Fünfter. Die Erzählung ist eine schwer zu verstehende aber doch vollständige Erzählung! Nach ihr beginnt die heilige Schrift die Entwicklung der Menschen von vorn zu erzählen. Ihr Ur-Samen ist nun der von ELOHIM neu hinzugefügte dritte Sohn SET. Als Dritter verbindet er das Handeln JHWHs mit dem archetypischen Wirken ELOHIMs.
Das die Gegensätze Verbindende erwächst aus dem gewandelten und nun rechten Blick auf den Archetyp der Zwei. Der aber ist schon Gegenstand des biblischen Prologs, obwohl er von den Lesern dort zumeist unbemerkt bleibt. Der letzte und zugleich vierte Satz des Prologs führt zum «Geist» der Gottheit ELOHIM.
Der Prolog besteht aus vier Sätzen analog dem Gesetz der Gesetze, dem «Gesetz der Vier». Wie der Prolog in abstrakten Worten den Geist der Gottheit entwickelt, so entfaltet der sich sodann in der KAIN-ABEL-Erzählung über das Gesetz der Subjekte (10 = 5+5) weiter zur Gottheit JHWH. Mit JWHW wird die Schöpfung nun noch einmal neu erzählt. Jetzt kann der Leser den hohen Anspruch der «zwiespältigen Zwei» nicht mehr übersehen. Die neue Erzählung ergreift den Leser emotional.
Die Urheber der Bibeltexte haben die Handlungen der Gottheit ELOHIM mit den Handlungen JHWHs verbunden und über deren gemeinsame Zahlenstruktur sichtbar gemacht. Das zeigt die Struktur des ersten Bibelsatzes, der aus 4 Sätzen und 19 Wörtern besteht (Gen 1f)! Die gleiche Struktur hat auch der erste Satz vom Neubeginn des menschlichen Daseins durch die Geburt des SET (Gen 4,25). Auch der besteht aus 4 Sätzen und 19 Wörtern:
[d;YEw: | ~d’a‘ | dA[ | ATv.ai-ta, |
| dl,Tew: | !Be |
Und-es-erkannte | Adam | wieder | **_Frau-seine. | Und-sie-gebar | Sohn. | |
6-10-4-70 | 1-4-40 | 70-6-4 | 1-400_1-300-400-6 | 6-400-30-4 | 2-50 | |
(1) | (2) | (3) | (4) | (5) | (6) |
ar’q.Tiw: | Amv.-ta, | tve | |
Und-sie-rief | **_Namen-seinen | Set. | |
6-400-100-200-1 | 1-400_300-40-6 | 300-400 | |
(7) | (8) | (9) | |
yKi | yli-tv‘ | ~yhil{a/ | [r;z< | rxea; | tx;T; | lb,h, | yKi | Agr’h] | !yIq‘ |
Denn | es-hat-gesetzt_für-mich | Elohim | Samen | anderen | an-Stelle | Abel, | denn | es-hat-erschlagen-ihn | Kain. |
20-10 | 300-400_30-10 | 1-30-5-10-40 | 7-200-70 | 1-8-200 | 400-8-400 | 5-2-30 | 20-10 | 5-200-3-6 | 100-10-50. |
(10) | (11) | (12) | (13) | (14) | (15) | (16) | (17) | (18) | (19) |
Dem Leser fällt die Unterscheidung der zwei Anfänge selten auf und doch muss man sie kennen, um die Struktur der Schöpfung und seiner Schöpfer zu verstehen. Ihr Kern liegt im Wesen der Zahl Fünf. Sie ist sowohl das Zentrum des Schöpfergottes ELOHIM (1-30—5—10-40) als auch das inhaltliche Zentrum des Namens JHWH (10-5-6-5 alias 10 = 5+5). Die Verfasser der Texte haben das zentrale Wesen der Fünf in der Gegenüberstellung der ersten mit zweiten Geschlechterliste (Toledot) sichtbar gemacht. Es ist die «Sohnschaft», welche die vorausgehende Mängelsicht auf die Schöpfung aufhebt. Die Geschlechterlisten benennen sie insbesondere in Form der Söhne HENOCH und ENOSCH, die beide auf ihre Art Fünfte sind. Die Zwei beschreiben auf unterschiedliche Weise das Erheben der Fünf, das Erheben des Bewusstseins über die Ebene der Natur (siehe Abb. 1).
SET, der neue Zweite besitzt die Fähigkeit, hinter der Welt der Dinge und Subjekte die Einheit, Ganzheit und Göttlichkeit zu erschauen. Das macht das Bewusstsein (5) eines erwachten Menschen aus. KAINs Verhalten hingegen war ein unbewusstes und emotionales. Gleichwohl waren sein Verhalten und seine Erfahrung die notwendigen Voraussetzungen für SET und dessen Bewusstsein. Ein ähnliches aber umgekehrtes Verhältnis besteht zwischen ADAM und KAIN, die noch beide Ackerbauern waren und die Fruchtbarkeit des Erdbodens (1-4-40) zu nutzen verstanden. KAIN hat einerseits die schon im Wesen seines Vaters «ADAM», dem «Erdling» vorhandene Anlage erfüllt.⁵ Andererseits wird das den auf ihn zukommenden Herausforderungen nicht mehr gerecht. Das erlebt KAIN durch die ausbleibende positive Reaktion der Gottheit JHWH. Mit der Geburt KAINs und dem Erscheinen der Gottheit JHWH, tritt das Wesen des «Fleisches» in Erscheinung und das übersteigt in seiner Anforderung das Wesen des Erdbodens. Die Fruchtbarkeit des Fleisches verlangt die bewusste Hinwendung zum Gegenüber. Im Hebräischen hat das «Fleisch» zugleich die Bedeutung von «Botschaft». Die neue Dimension verlangt, das unwidersprochene «Gesetz der Vier» (1+2 à 4) auf das Verhalten der Subjekte (5+5 à 10) zu übertragen. Die Subjekte sind aufeinander und zugleich auf das Ganze bezogen. Die Vermittlung übernimmt der das Einzelne stets begleitende Schatten (2). KAIN musste im Umgang mit ihm vorerst scheitern. Was ihm widerfuhr, das trifft seinem Prinzip nach jede Existenz und jeden Grad von Bewusstsein. Es ist gewissermaßen die Voraussetzung für einen Lerneffekt.
Die Botschaft KAINs wird über die Zahlenfolge 100-10-50 seines Namens transportiert. Das noch heute wohl umfangreichsten Wörterbuch der biblischen Sprache ist der sogenannte «Gesenius», das «Hebräische und Aramäischen Handwörterbuch über das Alte Testament». Das gibt uns in seiner 18. Auflage auf Seite 1165f Auskunft über den großen Kontext dieser besonderen Zahlenfolge. Sie berichtet von nicht weniger als vom Schatten des Lebendigen, der sein Schicksal formt. Die Zahlenfolge 100-10-50 findet sich in einer Reihe von Begriffen, wie beispielsweise im Begriff «Sängerin, Zofe», Leichenklagelied, Rohr, Lanze». Auch finden wir ihn als die Bezeichnung eines «Sklaven einer Gottheit». Immer ist es der mitschwingende Schatten, der das Leben spüren lässt. Besonders deutlich wird das beim Begriff «musizieren» oder «komponieren», der ebenfalls durch die Zahlenfolge gebildet wird. Im Besonderen ist hier jedoch der Begriff der Unschuld («und-in-Unschuld» = 6-2-50-100-10-50) zu erwähnen, wie ihn so auch das Buch Genesis gebraucht (Gen 20,5).
Die Zahlen 5 und 13 sowie deren unmittelbare Verbindung habe ich an anderer Stelle ausführlich beschrieben. Da die Erzählung von KAIN, dem ersten von Menschen gezeugten Menschen (5) ist und sein Schicksal deshalb Archetypencharakter hat, kann ich hier den Bezug zur Zahl 13 nicht auslassen. Die 13 gilt seit jeher als eine Schicksalszahl die ein Bewusstsein (5) immer aus «heiterem Himmel» aber doch eben auf archetypische Weise trifft.
In diesem Zusammenhang möchte ich zeigen, dass die Erzählung vom sogenannten Brudermord über die zwei Geschlechterlisten zielgerichtet die Zahl 13 thematisiert. Sowohl die Geschlechterfolge 1 als auch die Geschlechterfolge 2 nennen jeweils 13 Namen. In beiden geht es aus unterschiedlichen Perspektiven um das Wesen des 5ten Archetyps und das mit ihm hervortretende Bewusstsein (5). Ein Blick auf die Flussform der Zahlen zeigt, dass das fünfte Dreieck aus der Zahl 13 entsteht.
Abb. 2 Die «Flussform der Zahlen» offenbart, dass die Zahl 13 das 5te Dreieck eröffnet und somit die «Subjekt-Zahl» ist, die das Bewusstseins (5) entfaltet.
Die Erzählung von KAIN und ABEL und SET und seinen Nachkommen umfasst die sehr umfänglichen Zusammenhänge der 22 Archetypen aus denen das biblische, hebräische Alphabet besteht. Nach meinem Erkenntnisstand lassen sich alle über die «Flussform der Zahlen» verständlich ins Bild setzen. Die Beschreibung hingegen gelingt mir nicht über einen einzigen Text. Ich habe deshalb die Erzählung aus mehreren Perspektiven versucht, darzustellen. Der interessierte Leser findet die einzelnen Aufsätze unter folgenden weiteren Titeln:
Fußnoten
¹ Beachte: Erst das rechte Zusammenwirken von Drei und Vier, Geist und Substanz erwirkt (3 / Dreieck) das Bewusstsein (5) und führt zu einer neuen Dimension (6) im Dasein. Der Zusammenhang der Archetypen 3, 4, 5 und 6 wird durch das pythagoreische Dreieck anschaulich.
² Das Wesen der Schöpfergottheit ELOHIM (1-50—5—10-40) besteht darin, das Prinzip des Erhebens (1-30) mit der im konkreten Dasein existierenden und ewig fließenden Vielfalt und Vielzahl (10-40) zu verbinden. Erst dadurch können die Archetypen überhaupt erscheinen, die ein Geistiges in einer Minimal-Form greifbar und begreifbar machen.
³ ABEL war ein «hoch funktioneller» (3). Er kam und verschwand wie ein «Windhauch» kommt und verschwindet.
⁴ Man beachte, dass der Begriff «Osten» (100-4-40) erstmals in Gen 2,8 gebraucht wird, als die Gottheit JHWH ELOHIM den Menschen (1-4-40) in den Garten Eden setzt. Mit der Ausrichtung zum aufgehenden Licht hin ist der Mensch seiner Anlage nach bereits «orientiert». Zehn biblische Wörter beschreiben die Ausrichtung des Menschen (1-4-40) auf der Basis einer neuen Dimension (siehe 1à10). Die zehn Wörter bilden einen Doppelsatz und der signalisiert die duale Struktur des Bewusstseins (5), wie sie JHWH (10-5-6-5) in der nachfolgenden KAIN-ABEL-Erzählung in Form des Gesetzes 10 = 5 + 5» zur Anschauung bringt.
Gen 2Ç8 [J;YIw: | hw“hy | ~yhil{a | !d,[eB.-!G: | ~d,Q,m |
Und-es-pflanzte | JHWH | ELOHIM, | Garten_in-Eden | von-Osten. |
6-10-9-70 | 10-5-6-5 | 1-30-5-10-40 | 3-50_2-70-4-50 | 40-100-4-40 |
(1) | (2) | (3) | (4) | (5) |
~f,Y“w | ~v‘ | ~d’a’h‚-ta, | rv,a | rc’y |
Und-er-stellte | dort-hin | **_den-Menschen, | den | er-hatte-gebildet. |
6-10-300-40 | 300-40 | 1-400_5-1-4-40 | 1-300-200 | 10-90-200. |
(6) | (7) | (8) | (9) | (10) |
⁵ Der Text bezeichnet den erstgeborenen Sohn des Menschen KAIN als den «Diener des Erdbodens» und als den «Hüter der Herde» (Gen 4,2). Die Begriffe enthalten bereits die Archetypen, die vom «Gesetz der Vier» alias vom «Ur-Zeichen» erzählt werden. «Diener» und «Hüter» bewahren prinzipiell die Einheit (1). Doch begreift KAIN die Wirkung der Archetypen noch aus einer dinglichen Sicht heraus. Sein Blickfeld ist noch die Substanz (4) und noch nicht die Einheit als ein Geistiges (siehe 1—5).
Der Falke – Freiheit und Bindung von Michael Stelzner Der Archetyp der Fünf erzählt von der Potenz, sich über die Natur, die Vier zu erheben.
Die Zahl 13 und die letzte Schrift PLATOs – die Epinomis von Michael Stelzner Inhaltsverzeichnis 1. PLATO und die Art in Archetypen zu denken PLATO
Der Name HARAN und die Zahlenfolge 200-50 von Michael Stelzner Als dritter Sohn TERACHs symbolisiert HARAN eine Funktion (3). Aus einfacher Sicht geht mit dem