Die erste Idee und ihre Folgen
Die „erste Idee“ und ihre Folgen von Michael Stelzner Zahlen … nur von den Menschen erfunden? NEIN, wenn das so wäre, wie könnten dann die
Die «Frauen und das Kreuz» im Licht der vier Evangelien
von Michael Stelzner
Das Wesen der Frau erwächst aus dem Archetyp der Zwei. Es entfaltet die in ihr verborgene Ganzheit und Vollkommenheit (1) sichtbar im Archetyp der Vier der seinerseits über die „Formel der Vier“, die Formel aller Formeln zur „Mutter aller Existenzen“ wird. Ihrer natürlichen Vollkommenheit ist nichts hinzuzufügen. Die christliche Religion personalisiert und manifestiert sie in Gestalt der MARIA, der „Mutter Gottes“.
Die Religionen übertragen das einmal erkannte Wesen der Vierzahl in die Dimensionen des Bewusstseins (5). Auch das aus der Vier sich erhebende Bewusstsein muss in seiner Entwicklung dem Gesetz der Vier folgen. Die Religionen artikulieren die Stufen der Entfaltung in Form der Orientierungen, dem der nach Höherem strebende Mensch folgt. Der Prozess ist der der Geometrie der Pyramide. Nach ihrem Muster entsteht im Erheben des Bewusstseins alias des fünften Punktes eine Differenz zwischen ihm und der Vierheit der Pyramidenbasis, dem Sinnbild für eine grundlegende Vollkommenheit. Im Erheben des Bewusstseins (5) über die sie einst gebärende, Basis (4) entsteht Ferne. Diese Ferne kann man von der einen oder der anderen, aus der männlichen und der weiblichen Sicht wahrnehmen. Die Sichtweisen stehen sich gegenüber und in beiden wird der Zweispalt augenscheinlich.
Gegenstand der sich auf die Archetypen beziehenden Religionen ist primär die Entwicklung des sich in diesem Zwiespalt befindenden Bewusstseins und somit der Aspekt der Fünf. Dass die Vierzahl die Grundlage aller Vollkommenheit ist, das klären die Texte zumeist nur ganz am Anfang ihrer Erzählungen und setzen das Wissen um sie sodann voraus. Das lässt die Erzählungen vorübergehend parteiisch erscheinen und führt bei der Schilderung des Kreuzigungsgeschehen zu einer Sicht der Frauen „aus der Ferne“. In diesem Stadium scheinen die Frauen am Geschehen nur indirekt beteiligt zu sein und als Repräsentantinnen der Vollkommenheit empfinden sie nicht die Dramatik und Tragik, welche die Erzählungen begleiten. Das meint der Bibeltext, wenn er davon spricht, dass „die Frauen von ferne schauend (5) das Geschehen beobachteten“ (Mt 27,55; Mk 15,40). Dieser bewusst gezeichnete Widerspruch wird erst etwas später im Entdecken des leeren Grabs durch MARIA MAGDALENA aufgelöst. Bis dahin zeichnen die Evangelisten sich scheinbar widersprechende Bilder von der Anwesenheit der Frauen.
MATTHÄUS Mt 27,55f
0. (Es) waren aber dort viele Frauen von ferne schauend (5),
welche gefolgt waren JESUS von Galiläa, um ihm zu dienen. Unter diesen war
1. MARIA die MAGDALENERIN und
2. MARIA, die Mutter des JAKOBUS und JOSEF und
3. die Mutter der Söhne ZEBEDÄUS‘.
MARKUS Mk 15,40f
0. (Es) waren aber auch Frauen schauend von ferne, unter diesen auch
1. MARIA, die MAGDALENERIN und (die Sünderin und das Band der Liebe)
2. MARIA, die (des) JAKOBUS des Kleinen und JOSEs Mutter, und (die Gottesmutter)
3. SALOME, welche als er in Galiläa war, ihm folgten und dienten (die Friedsame)
4. und andere, viele, (die) mit ihm nach Jerusalem hinaufgezogen (waren).
LUKAS Lk 23,48f
Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles.
JOHANNES Joh 19,25
0. Es standen aber bei dem Kreuz
1. JESU seine Mutter und
2. seiner Mutter Schwester, MARIA, die Frau des KLOPAS, und
3. MARIA von MAGDALA.
Die Vorstellung von der „Vielheit der Frauen“ erfasst den Archetypus der Zwei und den der Vier. Vielheit ist alles, was jenseits der Einheit (1) ist und die beginnt mit der Zwei. Die Zwei fasst die der Eins gegenüberstehende, unendliche Vielheit zusammen. Dem Gesetz und der Formel der Vier folgend findet die durch die Zwei hervorgerufene Spannung und Differenz ihre Erlösung im Archetyp der Vier. Seine allgemeinen Symbole sind die Substanz, das Volk und die Frauen. Im Besonderen aber wird der Archetyp durch die Mutter MARIA symbolisiert. Die Vorstellung von der Vielheit (2) der Frauen (4) und deren „Ferne zum Kreuz“ zeichnet ein fraktales Bild von der Zweiheit und seiner Erlösung. Was am Kreuz aus einer männlichen Perspektive geschieht, das findet sein Spiegelbild in den Frauen und dem Volk aus weiblicher Perspektive.
Die spiegelbildliche Ergänzung der Ereignisse am Kreuz ist kein Zufall, sondern hat System. Die Erzählungen der Evangelisten ähneln sich nicht nur. Sie heben vor allem auch die Dreizahl der Frauen hervor. Nur LUKAS scheint hier als Ausnahme. Das aber täuscht, denn der Dritte der Evangelisten muss die Dreizahl nicht erst ins Bild setzten. Er ist sie selbst und seine Erzählungen gehen von ihr aus.
Das Hervorheben der Dreizahl erzählt von den verborgenen Dynamiken (3), die im wahrsten Wortsinn die Wirklichkeiten der Vorgänge ausmachen. Was wirklich wirkt und wie es wirkt, das findet seinen Ausdruck im Archetyp der Sechs. MATTHÄUS und MARKUS erfassen ihn – wie später auch JOHANNES – in Form einer dreifachen Polarität (3 x 2) bzw. einer zweifachen Funktion (2 x 3).
Obwohl die Frauen am unmittelbaren Akt der Kreuzigung nicht teilnehmen und nur Beobachter aus der Ferne sind, ist ihr Blick doch auf das Kreuz gerichtet. Er ist auf die Vier gerichtet und im Wissen um deren Wesen ist er auf die Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit (s. 1—4) gerichtet. MATTHÄUS und MARKUS entreißen die Frauen dem Zufall und der Willkür. Ihre gezielte Hinwendung drücken sie durch den auffälligen und wiederholten Gebrauch des Hinweiswortes „die“ (η) aus.
Frauen transportieren den Geist der Einheit und Vollkommenheit. Sie verkörpern ihn. In ihnen tritt das wahre und zumeist verkannte Wesen der Existenz hervor. Es äußert sich in drei Wirkprinzipien, die hier durch drei Frauen verkörpert werden.
• Die erste Frau ist die MARIA MAGDALENA. Sie wirkt durch die Einheit von Geist und Körper. Die Ganzheit wirkt in ihr, auch wenn sie dem handelnden Subjekt noch wenig bewusst ist. Sie transportiert die Einheit von Geist und Körper vor allem noch durch emotionale Aspekte. Die MAGDALENA ist Sünderin und sie wirkt durch das Band der Liebe.
MARIA MAGDALENA beschreibt das Prinzip der Beziehung an sich, denn sie führt sie auf die erste mögliche Beziehung, auf die Beziehung der Archetypen Eins und Zwei zurück. Darin klärt sie das wahre Wesen der Zwei und der Zweiten. Ihr Blick erfasst die Polarität in ihren zwei Erscheinungen, dem Anfang und dem Ende alias Kopf und Fuß, ohne einem der Pole zu entfliehen. Das interscheidet sie von den Jüngern. Während MAGDALENA der Wirklichkeit ins Auge sieht, fliehen die Jünger in Todesangst vor der Wirklichkeit der Kreuzigung. MAGDALENA erfüllt die Wirklichkeit des Kreuzes. Ihre Dynamik ist die der Sechs. In ihr kommt die Zwiespältigkeit zum fruchtbaren Ende. In MARIA MAGDALENA fallen die Gegensätze zusammen, deren Fruchtbarkeit zuvor nicht gesehen wurde. Das macht sie zur Vermittlerin der wahren Lehre (siehe Aufsatz MARIA MAGDALENA).
• Die zweite Frau ist MARIA die leibliche Mutter von Söhnen. Sie wirkt dadurch, dass aus ihrer körperhaften Substanz neue substanzbehaftete Körper hervorgehen. Mit anderen Worten: Substanz bringt Substanz hervor. Der zweiten Frau haftet der Schein an, ihr würde das Geistige fehlen. Das kann dem Gesetz nach aber nicht sein, denn das Gesetz ist ein Additionsgesetz und die zweite MARIA ist eine Fortentwicklung der MARIA MAGDALENA, in der bereits die Einheit von Geist und Substanz wirkt. Zudem ist sie auch die Mutter des Gottessohnes, selbst wenn sie hier noch nicht als solche gesehen wird.
MATTHÄUS und MARKUS scheinen die göttliche Geburt durch MARIA zu übergehen. Sie benennen sie im Hinblick auf ihre regulär gezeugten Söhne, die da sind JAKOBUS, JOSEF, SIMON und JUDAS, benennen aber nur den 1ten und den 2ten Sohn, nicht aber den 3ten und 4ten und auch nicht ihre Töchter (siehe Mt 13,55). Ihnen geht es offensichtlich um den Einschluss des scheinbaren Mangels. Mit anderen Worten: Das Fehlerbehaftete und Unvollständige bekommt hier seinen Platz.
• Die dritte Frau vereint die beiden vorangehenden. Einerseits gebärt sie, wie schon die zweite MARIA, die leibliche Mutter MARIA ebenso zwei Söhne (Mt). Andererseits transportiert sie wie die MARIA MAGDALENA die Einheit von Körper und Geist. Das wird bei MATTHÄUS im Handeln der von ihr geborenen zwei Söhne deutlich, die dem Ruf JESU folgen und dessen Jünger werden. MARKUS gibt der Frau, die schließlich JESUS selbst folgt und ihm dient, den Namen SALOME (s.u.). Mit der Namenszuordnung unterwirft sich die Dritte einem größeren Ganzen, der Einheit und Vollkommenheit.
MATTHÄUS und MARKUS benennen die gleiche Folge der Frauen. Und doch sind sie ein Gegensatzpaar, das sich auf ein und den gleichen Ursprung bezieht, der hier in Form der MARIA MAGDALENA greifbar wird. Ihre geringen Unterschiede werden vor allem in den ihr zwei nachfolgenden Frauen benannt. Sie treten aber auch in anderen Details zutage, wie beispielsweise in der Stellung des Begriffs der „viele Frauen“.
MATTHÄUS nennt erst die Vielheit der Frauen und danach drei von ihnen namentlich. Strukturell handelt es sich um eine von der Dreizahl dominierte Viergliederung. MARKUS geht den umgekehrten Weg zu ihm und erweitert ihn zugleich. Er nennt „die von Ferne schauenden Frauen“, spricht aber nicht mehr von „vielen“. Nachdem auch er drei namentlich benennt, fügt er sodann doch wieder an, dass es noch „viele andere“ Frauen gibt, die JESUS folgen. Im Bild der von der Dreizahl dominierten Viergliederung bei MATTHÄUS erweitert MARKUS durch das Nachstellen der „vielen“ das Bild zu einer von der Dreizahl dominierten Fünfgliederung. Hinter dem Zahlenspiel der zwei Aufzählungen verbergen sich die Zahlen des pythagoreischen Dreiecks der Seitenlängen 3, 4 und 5, das zum Entstehen der höheren Dimension der Fläche mit der Größe 6 führt und welches das Konstruktionsdreieck der zweiten Pyramide (CHEPHREN) ist.
Das Ausgliedern und der Wechsel des Wortes „viel“ vom Anfang bei MATTHÄUS zum Ende bei MARKUS beschreibt einerseits die Polarität der beiden Evangelisten. Andererseits bekräftigen sie ihre Einheit, denn sie beziehen sich beide auf eine triadische Grundstruktur. In der nun repräsentiert MARKUS als zweiter Evangelist in besonderer Weise das Wesen der Zwei. Seine Erzählung nimmt – der Zwei entsprechend – den Mangel in gesteigerter Weise in den Blick. Die einfachste Art ihn darzustellen, besteht in der Reduktion eines bereits Existierenden. Das Weglassen des „viel“ ist eine solche.
Die Reduktion eines Bestehenden wird auch in der Art deutlich, wie MARKUS die zweite MARIA beschreibt. MARKUS bezeichnet ihren Sohn JAKOBUS nun zusätzlich als den „Kleinen“ und JOSEF nennt er mit dessen Kosenamen „JOSEs“. Das Wortspiel enthält einen „zweifachen Zwiespalt“, denn die Spannung kommt nicht allein durch ein einfaches Reduzieren zustande. Die Verkürzung zu „JOSEs“ wird nämlich durch die Vermehrung seiner Buchstaben bewirkt.
MARKUS demonstriert zwei Weisen der Reduzierung. Die eine ist das Wegfallen von etwas Bestehendem, wie im konkreten Fall das Wegfallen des „viel“ beim Erfassen der Frauen. Die andere und gegenteilige ist das Erweitern von etwas Bestehendem, wie wir es beim Hinzufügen des „Kleinen“, beim Erweitern durch den Kosenamen oder dem Anfügen des „viel“ sehen. Die zweifache Funktion (3) des archetypisch Zweiten beschreibt den Archetyp der Sechs. MARKUS erzählt von ihm, indem er zu sich scheinbar widersprechenden Sprachformen greift.
Auch die drittgenannte Frau macht die Unterschiede zwischen MATTHÄUS und MARKUS noch einmal besonders deutlich, obwohl beide archetypengerecht ihre verbindende Funktion hervorheben. Beide beschreiben die Dritte über ihre zwei Söhne, benennen deren Namen aber nicht. Es geht ihnen nicht um deren dingliche Existenz, sondern um die Funktionen und Beziehungen der Frau und Mutter. Über sie wird die Dritte begreifbar.
MATTHÄUS spricht von der «Mutter der Söhne ZEBEDÄUS‘». Die namentlich nicht genannten Söhne JAKOBUS und JOHANNES folgen dem Ruf JESU und werden seine Jünger (Mt 4,21). Später folgt auch sie, die Frau des ZEBEDÄUS JESUS nach. Die hier dritte Frau und zugleich zweitgenannte Mutter ist eine zugleich «andere» Mutter. Während Mütter primär Leben gebären und behüten, tritt hier eine scheinbar gegenteilige Funktion (3) hinzu. MATTHÄUS verwandelt das Empfangen der Frau über deren zwei Söhne zu einer zweifachen Aktivität.
Der Bezug zum Vater und Ehemann ZEBEDÄUS ist ein bewusst gewählter. ZEBEDÄUS sitzt mit seinen Söhnen «in einem Boot», als JESUS sie ruft (Mt 4,21) und so die Jüngerschaft manifestiert (4). ZEBEDÄUS weigert sich nicht, sondern bleibt «mit den Gehilfen im Boot zurück» (Mk 1,20). Er zeigt seine weibliche, ganzheitliche Seite und wird seinem Namen gerecht, der «Steigbügelhalter» bedeutet.
Das Bild des Vaters und seiner zwei Söhne ist ein triadisches Bild, dem eine Symmetrie innewohnt. Die Brüder gleichen den zwei symmetrischen Erscheinungen, deren „vereinigender“ Hintergrund der Vater ist. Das Bild des Dritten und seiner ihm innewohnenden Symmetrie spiegelt sich in der Funktion der Mutter und dritten Frau. Auch sie hat die Aufgabe, scheinbare Gegenpole zu vereinen. Nur ist der Anspruch an sie noch gewaltiger. Er erwächst aus den zwei ihr voran genannten Frauen, der «Sünderin» und der «Gottesmutter». Als Dritte im Bunde hat sie deren scheinbare Gegenpositionen zu einen.
MARKUS der zweite Evangelist spricht nicht mehr von der «Mutter der Söhne ZEBEDÄUS‘». Er nennt stattdessen den Namen »SALOME« und erzeugt darin einen bewussten Bruch (2) im Kontinuum der Erzählung. MARKUS geht den umgekehrten Weg zu MATTHÄUS. Er begreift die dritte Frau nicht über den Namen des Vaters ihrer Söhne, sondern über ihren eigenen Namen. Das ist deshalb besonders erwähnenswert, da die Namenlosigkeit, wie zuvor beschrieben, ein wichtiges Kriterium des Dritten ist. MARKUS sorgt für eine erneute Umkehr. Das ist mehr als ein einfacher Widerspruch. MARKUS demonstriert an ihm den Einschluss des scheinbar ausgeschlossenen Pols. Damit ergänzt er, der Zweite die männliche durch die weibliche Sicht.
Der Namen Salome wird zumeist in der Bedeutung von «die Friedsame» übersetzt. Hier an dritter Stelle kommt ihm jedoch eine Funktion zu, der Funktion, dem Ganzen und dem Frieden zu dienen. Man sollte ihn besser als die «Friedensstiftende» übersetzen.
MARKUS benennt die scheinbar namenlose Frau. Der Akt der Benennung ist ein Akt der Zuordnung und somit ein Akt der Unterwerfung des Benannten unter ein Höheres. Das konkrete Benennen heilt den scheinbaren Mangel der Zwei.
Zusammenfassend werten sowohl MATTHÄUS als auch MARKUS das weibliche Dasein insbesondere über die von ihnen genannte dritte Frau auf. Beide erzählen vom selbstbewussten und eigenständigen Handeln der Frauen. MARKUS geht noch einen Schritt weiter und gibt jener Frau einen Namen. Beide Neubeurteilungen und Aufwertungen des Daseins der Frauen erfolgen aus einer polaren Position heraus und sind somit mängelbehaftet und angreifbar. Die matthäische «Mutter der Söhne ZEBEDÄUS‘» ist auf das männliche Dasein bezogen und die markinische «SALOME» wird analog dazu durch ihren Namen gebunden. Jede Beziehung bedeute Bindung. Die entscheidende Wirklichkeit beider Bindungen besteht in ihrem Dienst an einem Höheren und der zeichnet beide Frauen aus, sowohl die namenlose Mutter als auch die Frau, die einen Namen hat und dem Erlöser folgt.
Das Handeln der zwei an dritter Stelle genannten Frauen rückt die verkürzte und schiefe Sicht auf das EVA-Prinzip ins rechte Licht. Im Lichte der Drei-Einheit treten auch die von beiden Evangelisten an erster Stelle genannte MARIA MAGDALENA und die von ihnen bisher nur an zweiter Stelle genannte Gottesmutter MARIA aus ihren Schatten.
Der nur kurze Text des LUKAS über die bei der Kreuzigung JESU Anwesenden und deren Verhalten kann den Eindruck erwecken, weder das Volk noch die unter ihnen sich befindenden Frauen hätten für den dritten der Evangelisten eine besondere Bedeutung. Das täuscht. Im Wissen um die vorangehenden Erzählungen von MATTHÄUS und MARKUS wird deutlich, dass sogar das Gegenteil ist der Fall. LUKAS erfasst die vorher von MATTHÄUS und MARKUS geschilderten und als Gegenpole erscheinenden Erzählungen zu einer Sicht zusammen. Sein Bericht entspricht dem Archetyp der Drei und ist demnach ein funktioneller und erhabener, der er auf Details und Namen verzichtet. Selbst den hebräischen Namen Golgatha für Schädelstätte benennt er als einziger nicht direkt. Der Blick des LUKAS ist nicht mehr an das Konkrete und die polaren Niederungen der Welt gefesselt. Die von ihm ebenso erwähnten, nun aber namenlosen Frauen treten substantiell zurück, bekommen im Gegenzug aber ein besonderes, inhaltliches Gewicht. Die Frauen treten auf mehrfache Weise zurück. LUKAS verzichtet nicht nur auf ihre Namen. Auch bemerkt er im fortlaufenden Text ihre Anwesenheit erst, nachdem er erzählt hat, dass das Volk und all die Bekannten JESU das Geschehen aus der Ferne betrachten. Erst dann fügt er scheinbar beiläufig die Bemerkung «… auch die Frauen» an. Das äußere Zurücksetzen der Frauen hat einen tiefen Sinn, denn es spiegelt das Zurücksetzen JESU von der Welt wieder. Nur wer diese, die Dimensionen verbindende, lukanische Sicht versteht, der versteht, dass LUKAS das scheinbar «Zweitrangige» in Wirklichkeit im Geiste erhebt.
LUKAS entfaltet das Bild der Triade und das lebt primär von der vertikalen Unterscheidung. JESUS verbindet am Kreuz in Wort und Tat das Unten mit dem Oben unter der Regie des Oben. Auch seine horizontale Differenzierung zwischen den mitgekreuzigten Übeltätern folgt der Regie ebenso wie seine Handlungen bezüglich der Hinterbliebenen, die ihn kreuzigen (s. Aufsatz „JESUS CHRISUS und die wunderbare Wirkung der Sechs“).
Die von der Triade geprägte Sicht des LUKAS geht über das unmittelbare Kreuzesgeschehen hinaus und entfaltet eine fraktale Struktur. Das archetypische Ereignis am Kreuz spiegelt sich auf der Erde wider. In der Ebene der Substanz wird das „eine, archetypische, himmlische Geschehen“ auf polare Weise wahrgenommen. LUKAS verbildlicht die Polarität in ihrer substantiellen Verhaftung im gegensätzlichen Verhalten vom „(einen) Hauptmann“ einerseits und den „vielen, von ferne zusehenden Menschen“ andererseits. Während der Hauptmann im Wahrnehmen der letzten Worte JESU dessen Wahrhaftigkeit erkennt und bekennt „Wahrhaftig, dieser Mensch war gerecht“ (Lk 23:47), verhält sich das Volk umgekehrt. Es schlägt sich auf die Brüste und kehrt zurück in sein gewohntes Zuhause. Das Verhalten der Vielen erscheint hoffnungslos, sofern man nicht die kleine und beiläufige Bemerkung des LUKAS wahrnimmt, dass sich «auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren und das alles aus der Ferne sahen» unter dem Volk befinden (Lk 23:48f). Die Frauen bilden seinen inneren Kern und Gegenpol. Sie gebären das Volk nicht nur. Sie sind auch die eigentlichen Repräsentantinnen des Gesetzes der Vier, des Gesetzes der Vollkommenheit. Davon erzählen die Evangelisten MATTHÄUS und MARKUS noch vor LUKAS. Dieser greift die Botschaft auf und abstrahiert und generalisiert sie (s. Abb. Lukas-Volk+Frauen).
Abb. Lukas Volk+Frauen: Das Geschehen am Kreuz wird nach LUKAS aus der Erdperspektive auf polare Weise wahrgenommen.
JOHANNES ist der vierte Evangelist. Seine Erzählung gibt ihr Geheimnis nur preis, wenn man das Wesen der Vier, d.h. das der Vollkommenheit und Ganzheit kennt und es jedem seiner Bilder zugrundelegt. Die hinter allem stehende, nichtlinearlogische Formel lautet 1 + 2 4.
Die Vier ist das Symbol der vollkommenen Substanz, in der die Polarität von Einheit (1) und Gespaltenheit (2) ein neues Ganzes (4) bildet. Das Zahlenbild ist abstrakt und schwer zu erfassen, sofern man nicht die Flussform der Zahlen vor Augen hat.
JOHANNES, der vierte Evangelist steht vor der schwierigen Aufgabe, den Archetyp der Vier zu illustrieren, der nur dadurch entsteht, dass sich die vorherrschende dingliche Sichtweise auflöst und sich zugleich eine neue manifestiert. Das wirkt wie ein Bruch zu den Erzählungen der Synoptiker. In der johanneischen Erzählung kehrt ihre Zeitenfolge um und die Gegenstände ihrer Bilder und Erzählung lösen sich auf, um am Ende doch wieder eine neue Gegenständlichkeit zu manifestieren. Die zuvor immer wieder erwähnte Ferne wird zu einer neuen Nähe. Die Frauen erfahren eine neue Priorität. Auch ihre drei Erscheinungsformen werden neu und anders bewertet.
Die Sichtweisen von MATTHÄUS und MARKUS sind noch sehr konkret und deutlich an die Substanz gebunden. MATTHÄUS fordert den Leser sogar mit einem ausdrücklichen „Siehe“ auf, die direkt augenfällige Dramatik des Geschehens in den Blick zu nehmen (Mt 27,51). Nachdem MATTHÄUS regelrecht einen ersten Pflock eingeschlagen hat, nimmt die Dinghaftigkeit der Erzählungen im Laufe der weiteren Evangelien jedoch systematisch ab. Die Bindung an die Substanz schwindet. Das zeigt exemplarisch die Rolle des Vorhangs im Heiligtum. Während bei MATTHÄUS das Sterben JESU und des Zerreißen des Vorhangs noch von einem Erdbeben bekleidet wird, bei dem sich die Gräber öffneten und die Leiber vieler Heiligen auferweckt wurden und sogar den Menschen erschienen (Mt 27,51), wird bei JOHANNES nicht einmal mehr ein Vorhang erwähnt. Bei MATTHÄUS und MARKUS zerreißt er noch „in zwei Teile von oben an bis nach unten“ (Mt 27:51; Mk 15:38). LUKAS eint die Polaritäten und verbindet das Oben mit dem Unten. Bei ihm zerreißt der Vorhang ausdrücklich „mittig“. Das Bild des LUKAS zerreißt sogar das Prinzip einer Mitte, aus der heraus die Bildhaftigkeit lebt. An die Stelle des zuvor dinglich (2) Wahrgenommenen tritt die reine Funktion (3). Welche weitreichende Bedeutung das hat, das erfahren wir in der LUKAS -Erzählung aus dem Munde JESU selbst: «Und er (JESUS) sprach zu ihnen: „Oh ihr Toren und Langsame im Herzen, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben!“» (Lk 24,25).
Das Ergebnis der synoptischen Triade ist eine Neumanifestation in der das Göttliche (1) und Vollkommene zur Erscheinung (4) kommt. JOHANNES stellt die Einheit nicht erst her, vielmehr geht er von ihr aus und beschreibt das Geschehen aus ihr heraus. Die Konsequenz ist ein Bruch in der Bedeutung der alten linearen Zeitenfolge der Ereignisse. Konkret erhalten die von JOHANNES übermittelten drei Kreuzesworte zueinander eine andere Gewichtung. Ihr Hauptgewicht liegt nicht mehr, wie es den Eindruck macht, auf dem dritten, dem «Es ist vollbracht», sondern auf dem ersten, mit dem JESUS seiner leiblichen und nun scheinbar verlassenen Mutter einen neuen Sohn und diesem, dem scheinbar mutterlosen, von JESUS aber geliebten Jünger eine neue Mutter zuweist. Die Manifestation der neuen Sicht und die aus ihr konsequent hervorgehenden Handlungen sind das Wesentliche. Nach seinem verbindenden und verbindlichen Handeln «wusste JESUS, dass alles schon vollbracht war» (Joh 19,28). Jetzt erst spricht er die zwei noch folgenden Kreuzesworte «Mich dürstet» und «Es ist vollbracht». Zum Gewicht des ersten Kreuzeswortes haben die zwei nachgestellten nur noch einen den bereits bestehenden Zustand beschreibenden Charakter. Der Durst und das Bezeugen des Vollbrachten formulieren eine Ganzheitlichkeit in der die Trennung von Subjekt und Prinzip überwunden ist. In der allgegenwärtigen Vollkommenheit hat das Subjektive, der Durst einen sicheren und erfüllenden Platz. Das aus der Subjektivität lebende Bewusstsein (5) bekundet in den zwei nachgestellten Kreuzesworten nun notwendig die allgegenwärtige Vollkommenheit (1). Unter diesem Aspekt wird einsichtig, weshalb JOHANNES den zwei nachfolgenden Sätzen «Mich dürstet» und «Es ist vollbracht» den erklärenden Satz voranstellt, «damit die Schrift erfüllt wird» (s.a. 1—5).
Den für JOHANNES typischen Bruch in der Bedeutung der alten linearen Zeitenfolge finden wir auch noch nach dem Tod JESU in der Gesamtschau der Ereignisse. So platzieren die Synoptiker den Bericht von der Anwesenheit der Frauen bei der Kreuzigung zeitlich nach den Todeseintritt JESU. Nur JOHANNES kehrt das um. Bei ihm werden die Frauen zeitlich in den lebenden Bereich hineinverlegt. Das ist eine Metapher für den alttestamentlichen Begriff »EVA«, deren Handeln und Wesen immer wieder verkannt wird. In Wirklichkeit aber bedeutet ihr Name «Leben«.
Die Synoptiker berichten, dass die Frauen «dabei waren» und «aus der Ferne zuschauten». JOHANNES hingegen erzählt «Es standen aber bei dem Kreuz …» (Joh 19,25). Die Frauen rücken beim 4ten Evangelisten näher an das Geschehen heran und nehmen zu ihm eine sichtbar aufrechte Haltung ein. Sie sind ein wesentlicher Teil des Geschehens, denn die drei Gekreuzigten und die drei Marien verhalten sich wie Bild und Spiegelbild. Die aufrechtstehenden Frauen symbolisieren die aufsteigende Dynamik () und die Gekreuzigten die abwärts gerichtete (). So entsteht die Symbolik des Hexagramms (✡) – das Symbol des Fließens. In seinem Kontext erhält der Tod eine andere Bedeutung. Die Anwesenheit der Marien bindet ihn in ein Ganzes ein. Erst die ewige Vollkommenheit und Fruchtbarkeit des Weiblichen lässt das Erheben des Bewusstseins Wirklichkeit werden. JOHANNES reflektiert das und kehrt in seiner Erzählung die Zeitenfolge um. Während die drei Synoptiker von der Anwesenheit der Frauen erst nach Eintritt des physischen Todes JESU berichten, gibt JOHANNES ihnen schon vor dem Todeseintritt Namen und Gesicht. Das Zweite, das Weibliche und der scheinbare Tod sind nun Teil des größeren Lebens und erscheinen im denkbar hellsten Licht.
JOHANNES manifestiert (4) durch seine Erzählung eine neue Dimension. Der 4. Evangelist verbindet das Ganze (1) mit dem Gespaltenen (2), so, wie die Zahl 4 aus zahlensymbolischer Sicht sowohl die 1 als auch die 2 in sich vereint. Die neue Dimension (4) gibt der einst verkannten Zweiheit ein besonderes Gewicht, denn in ihr wird deren Fruchtbarkeit greifbar. Wie schon die Synoptiker berichtet auch JOHANNES von drei Frauen und erwähnt wie sie nur zweimal den Namen MARIA. Doch lässt er in der Spannung nun nicht mehr den Zweifel aufkommen, dass es sich bei einen der drei Frauen nicht um das MARIEN-Prinzip handeln könnte, denn die namentlich nicht genannte Frau ist eindeutig die Mutter JESU und somit die Gottesmutter MARIA. Alle drei MARIEN verkörpern den Archetypus der Vier, der durch die Dreizahl ins Bild gesetzt wird. Das neue Bild erhebt sich aus dem urtypisch Gespaltenen und Weiblichen (2), das nun den zweifachen Fluss (2 x 3) der Dinge hervorbringt und so den Archetyp der Sechs erschafft. Er ist es, der das Geschehen am Kreuz als Ganzes charakterisiert.
JOHANNES übersetzt die Verbindung der beiden Entitäten Einheit und Zweiheit in die Metaphorik der Liebe. Liebe verbindet. Das Zueinanderstreben scheinbarer Gegensätze lebt auf verschiedenen Ebenen. Wir kennen die geistige Liebe, die sinnlich-körperliche Liebe und die Liebe zu Dingen. Immer aber erzählt die Liebe vom Prinzip der »Vereinigung«. Ihre Unterschiede setzt JOHANNES über die drei der Kreuzigung beiwohnenden Frauen ins Bild.
Die Kreuzigung selbst betrifft dabei drei Männer. Sie verkörpern die „von oben“ () wirkende Dynamik, die unter dem Kreuz stehenden Frauen () hingegen die „von unten“ () wirkende Dynamik. Die Sechszahl führt sie zu einem Ganzen zusammen (✡). In ihr wird die zuvor beschriebene „Ferne“ zur „Nähe“.
Die sichtbarwerdende Nähe beschreibt JOHANNES über die drei unter dem Kreuz stehenden Frauen. Sie symbolisieren drei Arten des Fließens alias die drei o.g. Arten der verbindenden Liebe:
Alle drei MARIEN sind jede für sich ein Beispiel für das allgegenwärtige Band der Liebe.
Die erste Stelle nimmt «JESU seine Mutter» ein. Die Liebe einer Mutter bedarf in ihrer von der Natur gegebenen Grenzenlosigkeit keiner Erklärung. Sie ist allumfassend, aber ihrer Art nach auch die archaische Liebe.
Die zweite Stelle nimmt «seiner Mutter Schwester, MARIA, die Frau des KLOPAS» ein. Das Zweite ist nach all dem Gesagten seiner Natur und seinem Inhalt nach ein «Erstes», das sich auf eine gegenpolare Weise äußert. Die Verwandtschaft der Gegensätze hebt JOHANNES durch den Begriff der Schwester hervor. Auch hier handelt es sich um eine archaische Liebe, nur ist sie zur Liebe der Mutter von gegenpolarer Art. Liebt die Mutter das «Sein» ihres Kindes, dann liebt die Schwester das «Haben». An der zweiten Stelle steht deshalb die Liebe zu den Dingen. KLOPAS ist der Verwalter von Herodes. Das Verwalten von Dingen ist auch eine Art der Liebe. In der «Liebe zum Geld» wird sie sprichwörtlich. JOHANNES erzählt bei der zweiten Liebe bewusst von einer doppelten, einer zwielichtigen und zwiespältigen Verwandtschaftsbeziehung. Sie verändert den Blick auf die Zwei und mit ihm den Blick auf die Substanz.
Die dritte Stelle nimmt «MARIA von MAGDALA» ein. Die Drei wird hier durch die Vier ergänzt, denn der Körperbezug der MAGDALENERIN ist unbestritten. Sie war eine Prostituierte und hat den Kopf (Mt 26,6ff; Mk 14,3ff) und die Füße (Lk 7,37ff; Joh 12,1ff) von JESUS gesalbt, was ihm wohlgefiel. «Salbung» bedeutet Heilung und Heilung entsteht, wenn man einer Existenz das ihm Fehlende hinzufügt, wenn man die Gegensätze Anfang und Ende alias Kopf und Füße oder Geburt und Tod ein Ganzes werden lässt. MARIA von MAGDALA bezieht sich auf die zwei ihr vorangestellten MARIEN und zelebriert in ihrem deutlichen Körperbezug die archaische, aus der Natur kommende Liebe auf neue Weise. Sie bringt sie zur Vollendung, denn ihre Liebe umfasst den Körper und den Geist. Sie bleibt nicht in einem der Pole gefangen. Ihre Liebe ist die bewusste Liebe. Mit anderen Worten: Es musste notwendig die Sünderin sein, die JESUS das Haupt salbte!
Alle drei Frauen verkörpern unterschiedliche Arten der Liebe. Keine der dreien darf aus einer persönlichen Sicht heraus geringgeschätzt werden. Das würde der Weisheit des JOHANNES widersprechen, der von der Einheit erzählt, die den Widerspruch einschließt. Die Liebe lebt vom Widerspruch, von der Spaltung und dem Unterschied, und sie fördert Leben und lässt Leben entstehen. Ihr Symbol ist die Vier, das Weibliche. Ihre Funktion ist die Sechs, die aus zwei gegenläufigen Bewegungen entstehende Bindungskraft.
Keinesfalls ist das Weibliche ein Vertreter des Todes, im Gegenteil. Durch MAGDALENA wurde dessen Überwindung offensichtlich. hat Besonders kommt das noch einmal durch eine Eigenart des JOHANNES evangeliums zum Ausdruck. All die anderen drei Evangelien platzieren den Bericht von der Anwesenheit der Frauen bei der Kreuzigung zeitlich nach den Todeseintritt JESU. JOHANNES kehrt das um und verlegt den Blick auf die Frauen in den lebenden Bereich. Die Blickumkehr erklärt das Wesen der Frau wirklich und wirft ein neues und anderes Licht auf den Anfang der Dinge, bei der «Eva» im Paradies die entscheidende Wirkkraft war und warum ihr Name «Leben» bedeutet.
JOHANNES der vierte der Evangelisten erzählt wie die ihm vorangehenden Drei von der Zweiheit, dem Bruch, der Umkehr und den Wechsel. Er stellt sie jedoch in ein sehr hohes, ganzheitliches Licht. Um das wahrzunehmen, bedarf es der Fähigkeit der Abstraktion. Das wird u.a. bei seiner Aufzählung der Frauen deutlich.
Während sich die Aufzählungen der jeweils drei Frauen in allen drei Evangelien unterscheiden, leuchtet bei JOHANNES ein Bild der Einheit auf. Es entsteht, obwohl und weil er eine weitere Unterscheidung vornimmt. Während bei MATTHÄUS und MARKUS nur die zwei erstgenannten Frauen auch Marien waren, verkörpern bei JOHANNES alle drei das MARIEN-Prinzip. JOHANNES macht die Einheit (1) durch den Wechsel (2) sichtbar. Er illustriert, dass der Wechsel der Frauen von systematischer Natur ist und dass Wechsel und Konstanz die zwei Seiten einer Münze sind.
Der Vierte manifestiert. Die durch ihn sichtbarwerdende Konstanz erscheint in der konstanten Dreizahl und im gemeinsamen Prinzip der MARIA (4). Die Botschaft ihrer Zahlenarchetypen ist die der Drei und die der Vier. Es sind die Archetypen, die auch in der Kreuzessymbolik aufscheinen. Das reife, weil bewusste Individuum (5) verbindet sie auf rechte Weise. Das Resultat ist im direkten Wortsinn die Wirklichkeit an sich, nämlich der Fluss des Lebens (6).
Die Substanz (4), die den Geist (3) der Einheit transportiert, zeitigt drei Wirkungen. Von ihnen erzählen die drei MARIEN. Die über sie vermittelte Grundstruktur ist die des pythagoreischen Dreiecks der Seitenlängen 3, 4 und 5, dessen neue und höhere Dimension die Sechs ist. Man stelle sich das Dreieck vor und betrachte es aus der neu entstehenden Dimension der Fläche 6 heraus. Aus ihrer Sicht handelt es sich bei ihrer Existenz um ein Zusammenspiel von Geist (3), Substanz (4) und dem subjektiven Bewusstsein (5). JOHANNES verbildlicht in den drei Marien diese drei Unterscheidungskriterien und ihr Zusammenwirken.
Das Kreuzesgeschehen das den «rechten» Geist des Erlösers ins Bild setzt, gipfelt im Archetyp der Sechs (siehe die Aufsätze „Die Zahl Sechs und das «Sterben» von JESUS“ und „Das «Sterben» von JESUS am Kreuz im «rechten Geist …“). Die Sechs führt ins Dasein und sie führt aus ihm heraus. Sie verkörpert seine zweiseitige Grenze. Die Sechs verbindet den Anfang mit dem Ende. Als allgegenwärtiger Mittelpunkt beherrscht sie alle Aspekte des Lebens. JOHANNES greift ihn als das MARIEN-Prinzip auf und wechselt in seiner Aufzählung erneut dessen Positionen. Im Wechsel erhöht er die mit ihm jeweils einhergehenden Teilbotschaften. Die bei MATTHÄUS und MARKUS an erster Stelle stehende MARIA MAGDALENA rutscht auf Platz drei. Ihre Botschaft war zuvor eine von der Natur gegeben Grundbotschaft, mit der zu rechnen ist. Nun an der dritten Stelle stehend wird sie mit der rational erfassbaren Dreizahl verbunden. Der Wechsel von der ersten an die letzte Stelle macht die Botschaft der MARIA MAGDALENA besonders deutlich, denn nun erfasst sie über die vier Evangelien hinweg auch die dem Da-Sein anhaftenden zwei Grenzen, Anfang und Ende alias Geburt und Tod in ihrer scheinbaren Relativität. Kurzum: Sie symbolisiert in besonderer Weise das allgegenwärtige Fluss- und Verwandlungsprinzip.
Ähnlich verhält es sich mit der Schau auf die Mutter MARIA. Auch sie erfährt durch JOHANNES eine Erhöhung. Bei MATTHÄUS und MARKUS nimmt sie die unliebsame zweite Stelle ein. Sie bezeichnen sie deshalb auch noch nicht als die Gottesmutter, sondern die Mutter zweier erdhafter Söhne, die in Wirklichkeit vier sind. JOHANNES stellt sie und ihre Botschaft von der wahren Weiblichkeit und der Zahl Vier auf den ersten Platz und benennt sie nun auch als die Mutter der Gottheit, die sie von Anfang an war.
Das Bild er Kreuzigung entwickelt Perspektiven aus der Sicht des Geistes (3), der Substanz (4) und der Individuen (5). Zusammen gipfeln sie analog dem pythagoreischen Dreieck im Archetyp der Sechs. Da die Evangelien von Urmustern erzählen und die fraktale Strukturen bilden, entdeckt man sie auch im Bild von der Kreuzigung. Geometrisch sichtbar wird das, wenn man die drei Marien ins Verhältnis zu den drei Gekreuzigten setzt. Betrachtet man die männliche und die weibliche Perspektive jeweils für sich allein, überwiegt der Eindruck des Bruches (2), des Zwiespaltes und des mit ihm einhergehenden Schmerzes. Überschaut man jedoch den größeren Zusammenhang, dann entfaltet sich ein Bild von Dynamik und Fruchtbarkeit (6). In ihm ergänzen sich die aufwärts gerichteten Blicke der drei Frauen mit den abwärts gerichteten Blicken der drei gekreuzigten Männer ( + ✡). Das so entstehende Hexagramm symbolisiert den Fluss, dessen Fruchtbarkeit durch einen in seinem Mittelpunkt unsichtbar existierenden Siebten und Göttlichen getragen wird.
Abb.: Das Hexagramm (6) entsteht durch zwei Dynamiken (Dreiecke), eine aufwärts und eine abwärts gerichtete, eine «weibliche» und eine «männliche». Der so entstehende Fluss des Lebens wird von der Gottheit, dem unsichtbaren Zentrum (Mittelpunkt-Kreis) getragen.
Mt 13,34f: ««Dies alles redete JESUS in Gleichnissen zu den Volksmengen, und ohne Gleichnis redete er nichts zu ihnen, damit erfüllt würde, was durch den Propheten geredet ist, der spricht: »Ich werde meinen Mund öffnen in Gleichnissen; ich werde aussprechen, was von Grundlegung der Welt an verborgen war.»»
Fußnoten
¹ „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria und seine Brüder JAKOBUS und JOSEF und SIMON und JUDAS?“ (Mt 13,55)
² Mt 4,21 „Und als er von dort weiterging, sah er zwei andere Brüder: JAKOBUS, den (Sohn) des ZEBEDÄUS, und JOHANNES, seinen Bruder, im Boot mit ihrem Vater ZEBEDÄUS, wie sie ihre Netze ausbesserten; und er (JESUS) rief sie.“ …. d.h. das zweite, andere Brüderpaar!
³ Die Übersetzung „Hauptmann“ erfasst nicht dessen wahre Bedeutung. Der originale griechische Text spricht vom „Anführer einer Hundertschaft“. In der Zahl 100 verbirgt sich die Qualität des besonderen Subjekts, das nun in der Lage ist, die Wahrhaftigkeit dessen, was geschieht, wahrzunehmen. Die 100 entsteht durch die polare, d.h. zweifache Erhöhung der Einheit (110100). Erst nach dem die sich von den Menschen nicht zugängliche Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit über zwei Dimensionen hinweg entfaltet, wird sie begreifbar.
⁴ Zahlensymbolisch steht die 4 für die Materie. Die Verwandtschaft ist die 2. Eine doppelte Verwandtschaft bedeutet 2+2 der 2×2 = 4.
⁵ Die Salbung des Leichnams JESU betrifft den ersten und den dritten Tag. Die Frauen beabsichtigen den Leichnam am dritten Tag zu salben und kaufen dafür wohlriechende Öle. Doch sie finden das leere Grab vor. Ihre Salbung bleibt Absicht und wird von der Wirklichkeit des dritten Tages überholt. Wirklich gesalbt wurde der Leichnam JESU durch zwei Männer, die zu seinen heimlichen Jüngern zählten. Das waren JOSEPH v. ARIMATÄA und NIKODEMUS. Ersterer erhielt von Pilatus den toten Körper und NIKODEMUS besorgte Myrrhe und Aloe mit denen die Zwei am Tag Eins, dem Todestag den toten Erlöser salbten (Joh 19:38ff).
JOSEPH v. ARIMATÄA und NIKODEMUS sind auf verschiedene Weise Gefangene in ihrer Welt, die aber um die Existenz einer höheren wissen. NIKODEMUS glaubt an die Botschaft JESU, ist jedoch vollständig im linearlogischen Denken gefangen und kann eine über die dingliche Dimension hinausreichende Dimension nicht erfassen. Doch tut er das ihm Mögliche und nutzt sein Vermögen, um die Symbole, die über den Augenblick hinausweisen, zu erhöhen. Dazu gehört die Salbung des Leichnams JESU. Mit ihm salbt JOSEPH v. ARIMATÄA den Leichnam JESU. Auch er ist wie NIKODEMUS in der linearlogischen Welt gefangen, verhält sich aber recht und tut sein Möglichstes, indem er den Tod nicht ablehnt, sondern ihn empfängt und würdigt.
⁶ „ …Warum redest du (JESUS) in Gleichnissen zu ihnen (Volk)? Er aber antwortete und sprach zu ihnen (Jüngern): Weil euch gegeben ist, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu wissen, jenen aber ist es nicht gegeben … Darum rede ich in Gleichnissen zu ihnen, weil sie sehend nicht sehen und hörend nicht hören noch verstehen“ (Mt 13,10-13).
„Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zu den Volksmengen, und ohne Gleichnis redete er nichts zu ihnen“ (Mt 13,34).
„Ohne Gleichnis aber redete er (JESUS) nicht zu ihnen; aber seinen Jüngern erklärte er alles besonders (Markus 4,34).
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