Was diese Zahl erzählt:

Was diese Zahl erzählt:

Der Apfel in den Mythen der Welt

von Michael Stelzner

Der Apfel spielt in auffällig zahlreichen Mythen und Legenden der Welt eine wichtige Rolle.

  • In der griechischen Mythologie gibt es den «goldenen Apfel der Eris», – den Apfel der Zwietracht. Eris warf ihn unter die Göttinnen Hera, Athene und Aphrodite, was schließlich zum Trojanischen Krieg führte.
  • Auch die Äpfel der Hesperiden waren goldene Äpfel. Sie wurden von den Hesperiden in einem Garten bewacht. Herakles musste zum Beweis seines Heldentums diese Äpfel in einer seiner zwölf Aufgaben beschaffen.
  • Die nordische Mythologie kennt Iduns Äpfel. Die Göttin der Jugend bewahrte die Äpfel, die den Göttern ewige Jugend verliehen.
  • Ein keltischer Mythos spricht von der «Apfelinsel Avalon», die bekannt für ihre magischen Äpfel ist, die Heilung und Unsterblichkeit bringen.
  • Die irischen Überlieferungen sprechen von den Äpfeln von «Emain Ablach», einem mythischen Apfelbaum, dessen Früchte ewiges Leben und Heilung bringen.
  • In der persischen Mythologie finden sich mehrfach Erzählungen von magischen Äpfeln, die «Unsterblichkeit» verleihen.
  • Chinesische Mythen greifen in der Symbolik des Apfels nicht gleich zur Unsterblichkeit, wohl aber heben sie immer wieder seine Nähe zum Heil hervor. Der Apfel vermittelt Frieden und Harmonie, was besonders in ihrem Wortspiel zwischen «Apfel» (苹果, píngguǒ) und «Frieden» “ (平安, píng’ān) sichtbar wird.

 

All diese Mythen zeigen, wie universell der Apfel als Symbol für Wissen, Unsterblichkeit, Versuchung und Heilung verwendet wurde. Um das zu erklären, bietet sich einerseits der uns geläufige biblische Mythos vom «Apfel der Erkenntnis» an, den Adam und Eva im Garten Eden vom Baum der Erkenntnis von Gutem und Bösem empfangen haben. Andererseits geht es auch um die ganz konkrete, substanzielle Beschaffenheit der Frucht, die aus der Welt der Archetypen heraus erklärt werden kann.

Der Apfel ist ein Kernobst, wie auch Birne, Quitte u.a. Das Kernobst enthält ein 5kammeriges Samengehäuse. In jeder der 5 Kammern befinden sich in der Regel zwei Kerne, sodass ein Apfel 10 Kerne hat. Wenige Sorten produzieren aber auch nur 5 und andere wiederum 20 Kerne.

Abb. 1  Schneidet man einen Apfel entgegen den Gewohnheiten quer durch, so erblickt man das ihm eingeschrieben Pentagramm
(Bild entn. https://amayodruid.blogspot.com/2010/09/apple-and-pentagram.html)

Das durch seine konstante Fünfzahl des Samengehäuses ausgezeichnete Kernobst unterscheidet sich auffällig von dem sogenannten Steinobst, wie beispielsweise Pflaume, Kirsche, Aprikose u.a., die nur einen zentralen Kern besitzen.

Beide Arten von Obst sind wichtige Nahrungen für den Menschen. Was sie in sich aufnehmen, das nicht nur eine lebenserhaltende Bedeutung für ihren Körper, sondern auch eine lebenserhaltende Bedeutung für ihren Geist. Die biblische Genesis beschreibt das in der von der Gottheit erlassenen, sogenannten Nahrungsordnung. Nach ihr sollen die Tiere das grüne Kraut zur Nahrung erhalten. Die Menschen aber sollen alles Kraut und die Früchte jeden Baumes in sich aufnehmen, die «samenden Samen» tragen (Gen 1,29f). Der Begriff des «samenden Samen» spricht von einem Selbstbezug. Im Hinblick auf das thematisierte Bewusstsein des Menschen dient der seinem unaufhörlichen Erheben.

Die Triebkraft des Erhebens ist die Fähigkeit des Bewusstseins, aus der 5 heraus die Einheit und Ganzheit zu erschauen, zu manifestieren und darin deren Existenz zu offenbaren. In der Sprache der Zahlenarchetypen wird die Beziehung des Bewusstseins (5) zur Gottheit (1) offenbar, wie es in der «Flussform der Zahlen» die Symmetrie 1—5 anzeigt.

Im Rahmen dieser Symbolik ist es kein Wunder, dass die Nacherzählungen des biblischen Paradiesfalles, davon sprechen, dass Eva einen Apfel vom verbotenen Baum genommen und zusammen mit Adam gegessen habe. In Wirklichkeit spricht der Bibeltext nur von einer verbotenen Frucht, welche die Menschen in sich aufgenommen haben, nicht aber darüber, um welche Art von Frucht es sich dabei gehandelt hat. Darin aber verbirgt sich das wahre Geheimnis der Erzählung. Das kann nicht auf der linearlogischen Ebene gelöst werden. Die aufgeworfene, so wichtige und entscheidende Frage nach dem Heil (1) des Bewusstseins (5) findet keine befriedigende Antwort in der Dimension der Substanzen (4). Die Antwort verlangt nach dem Erheben des Bewusstseins über die Substanz, so perfekt in Form des Paradieses auch erscheint. Die Vertreibung aus ihm ist die Erhebung. Das aber empfindet der noch wenig bewusste Mensch so noch nicht. Dazu muss er den «Weg durch die Welt» gehen. Von ihm erzählen die zahlreichen, nachfolgenden, biblischen Mythen.

Der Weg durch die Welt ist ein Weg durch die Substanz alias durch die Vierzahl. Ihre Symbole sind das Quadrat oder auch das Kreuz. Das Erleben auf diesem Weg ist kein profanes Erleben mehr, das sich im Blick auf die Substanz (4) und ihre Teile erschließt, wie es die «Flussform der Zahlen» in der Beziehung 4-5 symbolisiert. Vielmehr bedarf es eines Blickwechsels, einer Erweiterung des Blicks, der auch die im tiefen Hintergrund wirkende Einheit und Ganzheit (1) erfasst (1—5). Im Hinblick auf den substanziellen Apfel bedeutet das, einen anderen, einen geistigen Umgang mit ihm zu finden. Will man den in den Mythen angesprochen Dimensionswechsel deutlich machen, kann man einen Apfel auf ungewöhnliche Art durchschneiden. Teilt man den Apfel für den körperlichen Verzehr, dann teilt man ihn gewöhnlich längs. Teilt man ihn hingegen quer, ist das für den Verzehr eher hinderlich, eröffnet aber einen Blick in sein Inneres und auf die Struktur seines Kerngehäuses in Form eines Pentagramms.

Dessen Bedeutung wiederum erschließt sich nur über das dem archetypischen Pentagramm vorausgehende Quadrat, ohne das ein Pentagramm nicht entstehen kann. Die Bibeltexte tragen dem Rechnung, denn sie beschreiben vor dem Sündenfall das Paradies als einen «Garten der Vierheit». Seine zwei legendären zwei Bäume stehen im originalen Hebräischen in einem exakten numerischen Verhältnis von 1: 4 und als Ganzes wird der Garten Eden von 4 im Detail beschriebenen Flüssen bewässert.

Wird die an allem Anfang jeder religionsphilosophischen Betrachtung immer ins Bild gesetzte Vierheit nicht verstanden, wird sich auch kein Zugang zu dem anstehenden Weg des Subjekts (5) durch diese Vierheit eröffnen. Die dem Subjekt abgeforderte Leistung ist es, das sogenannte «Gesetz der Vier», das «Gesetz der Substanz» in das «Gesetz der Subjekte» zu übertragen, wie es sich im Namen der Gottheit verbirgt.

Fußnoten

¹ «Wahrhaftig zu sein» bedeutet, das einmal im Außen Erkannte auf sich selbst zu beziehen. Eine der mathematischen Funktionen, welche Wahrhaftigkeit abbilden, ist die Bildung des Quadrats. Im Bezug auf das Subjekt (5) symbolisiert die Zahl 25 Wahrhaftigkeit. Aber auch andere Rechenarten machen das in der Zahl 5 angelegte Wesen der Wahrhaftigkeit sichtbar. So kann man ihren in Bezug zur 5 und zur Ganzheit (1) in folgenden Formeln weitergehend nachspüren:

5+5= 10;   5-5= 0;   5×5 = 25;   5:5 = 1;   1+2+3+4+5= 15;

   1, 1, 2, 3, 5  (∑ 12);      1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55  (∑ 143)

² Joseph Ratzinger: Agnostizismus – eine lebbare Option? Aus: Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe. Herder, Freiburg 1989, S. 16–18.

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