Was diese Zahl erzählt:

Was diese Zahl erzählt:

Der Mythos von der Existenz eines biblischen «Adam Kadmon»

von Michael Stelzner

Adam ist der so in der biblischen Genesis bezeichnete Urmensch. Die den Namen bildende Zahlenfolge 1-4-40 ist mit der Zahlenfolge, die den fruchtbaren Erdboden» bezeichnet, identisch. Adam ist insofern der «Erdling», dessen Bewusstsein sich noch nicht über die Erd-Dimension erhoben hat. Seine Erhebung steht ihm noch bevor. Dazu bekommt er eine Hilfe von der Gottheit. Die schöpft zunächst noch vor ihm die drei Arten von Tieren, die Kriechtiere, die Herdentiere und die Wildtiere (Gen 1,24). Der Erdling Adam ist in dieser Reihe ein viertes Wesen. Während in jener ersten Schöpfungserzählung der Urmensch noch weiblich und männlich zugleich und somit de facto geschlechtslos ist, ändert sich das in der sogenannten zweiten Schöpfungserzählung, mit der die sogenannten Toledot-Erzählungen beginnen. Toledot bedeutet «Geschlecht» oder «Nachkommenschaft». In diesem zweiten und neuen Rahmen steht der Mensch im Mittelpunkt. Der Mensch ist der neue Mittelpunkt! Die zweite Erzählung ist also keine lineare mehr, wie noch die erste, die Sieben-Tage-Erzählung, welche die linearlogische Abfolge der Archetypen auf einfachste Weise ins Bild setzt. Die zweite Schöpfungserzählung ist zugleich die erste sogenannte Toledot-Erzählung, eine Erzählung von höherer Dimension. Anstatt von der Linearität geht sie von der Existenz einer Fläche aus, in der man Mitte und Zentrum suchen und bestimmen kann. Dieses Zentrum ist zum einen Adam, der einfache Mensch selbst und zum anderen der Garten Eden, in dessen Mitte die Gottheit den Menschen stellt.

Die zweite Schöpfungserzählung artikuliert so einen Widerspruch, der mehrere Perspektiven eröffnet und mehrere Mitten hervorbringt. Die eine Perspektive beschreibt den Widerspruch des Mit- und Gegeneinanders von Objekt und Subjekt. Sie führt über die Trennung der zwei Paradiesbäume durch die Gottheit und gipfelt im Mit- und Gegeneinander von Gottheit und Schlange. Die zwei in ihrer Herrschaft widerstreitenden Subjekte symbolisieren den Widerstreit von Bewusstsein (5) und Natur (4).

Die andere in der zweiten Schöpfungserzählung eröffnete Perspektive macht den grundlegenden Widerspruch der Geschlechter sichtbar, der durch die Trennung und symbolischen Halbierung des «Erdlings» durch die Gottheit entsteht.

Das Entstehen der Frau hat den einstigen Erdling Adam zum geschlechtlichen Mann Adam gemacht. Der Leser muss, um den weiteren Werdegang der ersten, archetypisch gemeinten Menschen zu verstehen, die beiden Subjekte unterscheiden. Der ersterwähnte Adam ist einerseits noch ein vollkommener, ein in sich noch nicht getrennter. Andererseits hat er auch noch nicht das Potential der Fortentwicklung, das zum Erheben des Bewusstseins über die «Natur der Dinge» (4) führt. Diese zweifache Sicht auf Adam führte die späteren Exegeten der Schrift zur Schaffung des Begriffs eines «Adam Kadmon» (1-4-40  100-4-40-6-50 / אדם קדמון ). Das über nun mit zwei Worten erfasste Subjekt Adam kommt im biblischen Buch Genesis allerdings nicht vor. Wir finden es vielmehr später in der jüdischen Mystik, der Kabbala. Abseits der Originaltexte sorgt der Begriff gern für Verwirrungen, denn man kann ihn unter dem vollkommenen und somit positiven Aspekt sehen, als auch unter dem des Verlustes seiner ursprünglichen Vollkommenheit. Der so entstehende irdische und dual veranlagte Mensch kann aus der negativen Sicht nicht mehr an der Seite Gottes stehen. Er erscheint als ein Mangelwesen, denn ihm fehlen drei göttliche Eigenschaften, die Weisheit, die Herrlichkeit und die Unsterblichkeit.

Etwas mehr Klarheit über das Wesen des sogenannten «Adam Kadmos» erhält man, wenn man der Bedeutung des Begriffs «kadmos» in der Genesis nachgeht. Seine hebräische Wurzel «kedem» wird oft mit «früher Ursprung» übersetzt. In der Genesis wird treffender für den Begriff «Osten» verwendet, also für den Ort, an dem das Licht aufgeht. Im Osten erhebt sich das Lichts über die Dunkelheit. In dem Vorgang entdeckt der Mensch eine Urdynamik, aus der heraus sich auch sein Bewusstsein über den Horizont des Konkreten erheben kann.

Reflektiert der aufmerksame Leser den komplexen Zusammenhang, so sind die aus dem Paradies vertriebenen zwei ersten Menschen «Menschen des Ostens» mithin «Menschen des Aufgangs des Lichts». Jene Sicht steht der herkömmlichen Sicht des Paradiesfalles diametral entgegen. Sie verlangt, die sogenannte Erbsünde und Erbschuld anders zu verstehen und sie von der Vorstellung einer persönlichen Schuld zu befreien. Dass die Bibeltexte auch so gemeint sind, dass zeigen die weiteren Verwendungen des Begriffs «Osten».

Das Buch Genesis enthält 16 Mal die Zahlenfolge 100-4-40 (Osten), wobei auch die (nicht zufälligen) Eigennamen berücksichtigt sind.

Erstmals kommt die Zahlenfolge vor, als die Gottheit den Garten Eden von «Osten» her pflanzte und den Menschen dort hineinstellte (Gen 2,8). Das zweite Mal finden wir ihn bei der Beschreibung des dritten (!) der insgesamt vier Paradiesflüsse. Der dritte war der «von östlich Laufende» (Gen 2,14).

Die dritte Erwähnung hat etwas Dramatisches. Sie ist von geistiger Art, denn sie beschreibt die Vertreibung der Menschen aus dem Paradies. Die Gottheit ließ nach ihrem Verlassen «von Osten her» die zwei wachenden Cherubim mit flammenden Schwertern aufstellen, damit die Menschen nicht auch noch vom Baum des Lebens essen, sondern den Weg durch die Welt antreten müssen (Gen 3,24). Ähnlich erging es dem ersten vom Menschen gezeugten Menschen, dem Kain, nachdem er seinen Bruder Abel erschlagen hatte. Auch er musste ab sofort im Lande Nod wohnen, «östlich von Eden» (Gen 4,16).

Der mit dem Begriff «Osten» identifizierte Ursprung ist niemals ein statischer. Er transportiert immer die Funktion (3) und damit das Werden. Archetypisch transportiert er die Botschaft, dass die hilfsweise vorgestellte und doch nicht greifbare Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit eigentlich eine Drei-Einheit ist und eine Dynamik ins Bild setzt.

Sucht man nach dem Begriff «Kadmos» in anderen Zusammenhängen und Mythen, stößt man immer auf die über ihn vermittelte, aber noch nicht gänzlich erkannte Dynamik. Beim antiken griechischen Geschichtsschreiber Herodot ist «Kadmos» beispielsweise eine mythologische Gestalt, welche die alten phönizischen Buchstaben nach Griechenland übermittelt, um dort die Welt der Schrift zu entfalten.

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