Die Channukia wird unmittelbar nach Einbruch der Dunkelheit angezündet. Dunkelheit alias Finsternis sind Ausdrücke des zweiten Archetypen (s. 1. Schöpfungsgeschichte), also eines „Anderen“ und zunächst „Befremdlichen“.
Der rituelle Gebrauch der Chanukkia verlangt, dass die 8 Kerzen nicht direkt, also auf profane Weise mit dem Zündholz angezündet werden sondern stets mit dem 9., auswärts oder oft höherstehendem Ausnahme-Licht, dem „Schamasch“. Im Namen „Schamasch“, dem Namen des 9. Lichtes und seiner Funktion verbirgt sich die eigentliche Botschaft von Chanukka.
Wie bei allen Ritualen kommt es auch hier darauf an, den Hintergrund zu verstehen und die verwendeten Symbole im Sinne des Gesetzes (Thora) zu deuten.
Warum hat die Chanukka 9 anstatt 7 Arme? Wie kann die 9 im Sinne der 7 als deren Weiterführung verstanden werden? Warum ein 8tägiges Fest aber ein 9armiger Leuchter?
Der Name Schamsch soll lt. Überlieferung „Diener“ bedeuten. Diese Namensdeutung wird verständlich, wenn man die Funktion dieses 9. Lichtes in Rechnung stellt, denn es dient dem „Erleuchten“ der anderen 8. „Schamasch“ bedeutet seiner Wort-Herkunft nach nun aber ganz und gar nicht „dienen“. Geradezu das Gegenteil ist der Fall, denn die Wurzel (Scham-Masch) bedeutet „(be-)herrschen“. „Dienen“ und „herrschen“ sind – auf profane Weise betrachtet – sich ausschließende Gegenpole. Solche sich ausschließende Gegenpole zu einem größeren Ganzen zu vereinen, sie zur Fruchtbarkeit zu bringen, das ist das Anliegen von Religion. Diese Fähigkeit ist es, die in einer Welt scheinbarer Verderbnis Zukunft eröffnet. Wer diese Fähigkeit besitzt, der kann regelrechet Wunder vollbringen. Die Religion nun lehrt nicht weniger, als das Erlangen von Eigenschaften, welche dem Entstehen von Wundern vorausgehen.
Die erste aller Bedingungen ist das Erkennen der Welt (4) und ihrer Urfunktion (6), wie sie die Gottheit bei der Erschaffung der Welt in 6 Schöpfungstagen ins Bild gesetzt hat und wie sie in der Menora symbolhaft zum Ausdruck kommen.
Auf Wunder kann man nicht einfach nur warten. Sie erfordern vielmehr das rechte, vom gereiften Bewusstsein gesteuerte Handeln. Das aber ist nicht nur Funktion (3) sondern Funktion auf „rechte Weise“ (Quadrat). Das Symbol dafür ist die Neunzahl (32). Wer „auf solche rechte Weise funktioniert“, der bereitet Wunder vor und macht Neu- und Wiedergeburt (8) möglich.
Die Achtzahl symbolisiert die Wiedergeburt. Sie ist dem profanen Bewusstsein fern, gleichwohl aber in allen Vorgängen der Natur verborgen vorhanden. So ist die dunkle Seite der Existenz – die Nacht – nicht wirklich umfänglich „dunkel“ im eigentlichen Sinn. Sie bringt vielmehr unaufhörlich (∞) das Neue hervor. Darauf macht uns die Verbindung der Begriffe „Acht“ und „N-acht“, wie sie in sehr vielen Sprachen vorkommt, aufmerksam.
Auch das Chanukkafest ist ein Fest der Neugeburt, denn es erinnert an die Neu-Einweihung des einst zerstörten Tempels 164 v.Chr. Die Chanukkia wird direkt nach Einbruch der Dunkelheit angezündet. Demgemäß beherrscht nicht die Nacht das Geschehen sondern das Licht und das wiederum verdankt seinem Erleuchten dem Neunten. Die Neun steht für ein höchstes Bewusstsein. Es dient selbstlos der Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit. Das vermag es, weil es keinen Grund mehr kennt, das eigene Sein in Frage zu stellen.
Der Name Schamasch verweist in der hebräischen Sprache auf „Feuer“ und „Sonne“ (Scham-Esch – „dort das Feuer“; Schem-Esh – „Name des Feuers“; Schemesch – „Sonne“).
Seine Wurzel Šamaš („SMS“ / 300-40-300) bedeutet in allen semitischen Sprachen „Sonne“. Wie die Sonne erzeugt das neunte Licht ewiges Leben. Die Sonne und die ihr zugeordnete Gottheit namens Schamasch stehen für die Überwindung des Todes durch ein Bewusstsein der Existenz ewiger Wahrheit und Gerechtigkeit. Schamasch gilt deshalb auch als der oberste Gesetzgeber und als „der „Richter von Himmel und Erde”.
Über den ältesten Gesetzestext, den wir kennen, dem Codex Hammurabi, thront die Gottheit Schamasch. Sie übergibt dem König Hammurabi die Gesetze.
Die alten Könige beriefen sich immer wieder auf die Qualitäten von Schamasch, denn er war übernatürlich und stand mit seiner Existenz hinter der Welt und diente deren Bewusstseinsentwicklung. Seine Leben entfachende und Leben erhaltende Qualität besitzt er aufgrund seiner „über die Natur der Dinge hinausgehende Funktion“ (33). Sie dient und lebt ewig.
Wenn wir dafür ein Symbol in den Naturwissenschaften suchen, dann finden wir es im Symbol des Sonnenlichtes. Das aus Photonen bestehende Licht (3) bewegt (3) sich über Äonen hinweg fort, ohne einen Verlust zu erleiden. Während es das Leben hervorbringt macht die elektromagnetische Lichtwelle nichts anderes als sich ständig von der elektrischen in magnetische Energie umzuwandeln und umgekehrt – das aber vollständig, ohne Vorbehalt und „Rest“. Es wirkt (3), wie es das Gesetz der Vierheit verlangt, in wahrhaftiger Weise (quadrierend) quasi auf sich selbst (33). Der aus profaner Sicht so erscheinende „übernatürliche Charakter“ solch hohen Bewusstseins findet aus der naturwissenschaftlichen Sicht heraus im Licht seinen Ausdruck nicht nur wegen seiner totalen Funktion (3). Dem Aspekt von Welle, Funktion und Energie steht der des konkret Körperhaften und Gegenständlichen in Form von Quanten (4) gegenüber (4). Auch dort erscheint uns das Licht „übernatürlich“, weil seine kleinsten „Teilchen“, die Photonen, – für uns unverständlich – keinerlei Masse haben.
Das Licht vereint die größten aller Gegensätze. Ihm verdanken wir unsere Existenz. Es ist das natürliche UND das übernatürliche Vorbild der in aller Natur (4) vorbereiteten Entwicklung des Bewusstseins (5).