Was diese Zahl erzählt:

Was diese Zahl erzählt:

Orakelsysteme und ihre Unvermögen, Vorhersagen zu treffen
oder der Archetyp der Sechs

von Michael Stelzner

Wer sich mit Orakelsystemen wie der Astrologie, dem Tarot, dem I Ging u.v.a.m. beschäftigt, der erlebt Eigenartiges. Die auf den Archetypen aufbauenden Systeme vermögen es, die Menschen sehr schnell in ihren Bann zu schlagen. Wer das erleben will, der muss sich von seiner guten und sicher begründeten Theorie lösen und sich in die Welt der Archetypen des jeweiligen Orakelsystems hineinbegeben. Für einen von seiner Vorstellungswelt gänzlich Überzeugten ist das kaum zu erwarten, denn es würde seine vermeintliche Schwäche aufdecken. Dennoch ist dieser Zwiespalt, diese scheinbare Schwäche die Voraussetzung dafür, dass man eine andere und höhere Daseinsart erleben kann. Archetypisch geht es hier um den Wesenskern der Sechs. Sie beruht einerseits auf der Polarität (2). Andererseits bringt sie deren wahres Wesen über die Dynamik (3) zur Anschauung. Die Sechs belohnt durch ihre von zwei Seiten her erfolgende Verbindung der Gegensätze mit einer Fruchtbarkeit, welche aus der altherkömmlichen Sicht auf die Welt bis dahin unbekannt war und meist für unmöglich gehalten wurde.

Wer sich mit Orakelsystemen beschäftigt, der erlebt eine paradoxe Welt. Zum einen wird jeder sich ernsthaft mit den Archetypensystemen Beschäftigende in ihren Bann gezogen.  Die stringente Logik der Systeme führt dazu, dass man sie unweigerlich auch im Wesen der Personen wiederfindet, die sie betreffen. Die beeindruckende Übereinstimmung von Theorie und Wirklichkeit kann einen hartgesottenen Naturwissenschaftler leicht aus seiner Bahn werfen. Das aber ist sein Schicksal und es wird ihm, sofern er es annimmt, eine neue Welt eröffnen. Die alte Welt wird wider Erwarten nicht wirklich zerstört, sondern bereichert.

In diesem «Akt von Sechs» scheitert nicht nur der Naturwissenschaftler. Das Orakelsystem wirft über seine Forderung nach dem Opfer auch den an das Orakel Glaubenden aus der Bahn, sofern er unbeirrt an der Abklärung des Orakels an der Wirklichkeit interessiert bleibt. So frappierend die Aussagen auch waren, sie scheitern endlich an den Kriterien der konkreten Wirklichkeit, denn kein Orakelsystem kann eine Vorhersage treffen!

Beide Wissenschaften scheitern an der Forderung nach Wahrhaftigkeit. Das Scheitern des Naturwissenschaftlers und das Scheitern des vom Orakelsystem Überzeugten müssen zusammengedacht werden. In der Regel aber sind beide Seiten an der Diskreditierung der jeweilig anderen interessiert und versuchen, ihnen ihr Scheitern vor Augen zu führen. In ihrem egozentrischen Verhalten verpassen sie das von ihnen eingeforderte Opfer, das am Scheitelpunkt der zwei Welten erbracht werden muss. Die eigentlich ersehnte Fruchtbarkeit stellt sich so nicht ein.

Die Unmöglichkeit der Vorhersagbarkeit von Orakelsystemen ergibt sich aus dem Wesen des Archetyps der Sechs. Wer Orakelsysteme studiert, der erhält ein mächtiges Werkzeug der Erkenntnis. Erkenntnis aber ist nicht Weisheit. Den Weisheitslehren geht es nicht um die Vermehrung profanen Wissens. Es geht ihnen um das, was nicht linearlogisch zu erfassen ist. Weisheit basiert auf Erfahrung. Wer ihren Weg geht, der lässt fortlaufend den bis dahin gegangenen Weg hinter sich, ohne ihn geringzuschätzen, denn er hat ihm zu den gemacht, der er ist. Weisheit bedeutet innere Reife und Abgeklärtheit und die ist nur über die Sechs, das bereitwillige Opfer möglich. Wer den Wesenskern der Sechs nicht erkennt und nicht zu seinem eigenen Wesen macht, der kann Weisheit nicht erlangen. Er wird stattdessen – wie die archetypisch Jungfrau-Geborenen – seine Theorien mehren, nicht aber das Opfer selbst erbringen. So haben US-Forscher beispielsweise herausgefunden, dass Weisheit angeblich aus sieben Eigenschaften bestehen soll: «Selbstreflexion, pro-soziales Verhalten, Emotionsregulierung, Akzeptanz unterschiedlicher Perspektiven, Entscheidungsfreudigkeit, soziale Beratung wie das Erteilen hilfreicher Ratschläge an andere sowie Spiritualität». Dem Wissen ist nicht zu widersprechen. Weisheit ist es noch nicht.

Eine Zukunftsvorhersage mit substanziellem Anspruch ist nicht möglich. Sowohl die Naturwissenschaften als auch die Weisheitslehren scheitern an der von der Sechs gesteckten Grenze. Alles von ihr Gezeugte, alles aus ihr heraus Erweckte wird auf den Erzeuger zu dessen Wohl und dessen Fortentwicklung zurückgeworfen.

Weitere Beiträge