Die aristotelische Philosophie entstand aus der platonischen. Das Mittel war die dialektische Methode, bei der Aristoteles zu der bestehenden These Platons vorübergehend eine Gegenthese aufbaut. Das Wesen der Methode sowie eines jeden Archetypus besteht in einer weiterführenden Beschreibung des Vorhandenen, in der das Vorhandene seinen Platz im Sinne der Triade und Synthese findet. So wird die zuvor teilweise negativ empfundene Spannung (2) fruchtbar und endlich von der Ganzheit (1) wieder eingeholt.
Aristoteles machte das, was ein besonderer Schüler immer tut, er entwickelt die Lehren des Meisters fort. Aristoteles griff die von Platon verwendeten Begriffe „idea“ und „eídos“ auf, differenzierte sie aber voneinander. Mit „idea“ bezeichnete er weiterhin das, was wir heute noch die „platonischen Ideen“ nennen, stellte ihnen aber den Begriff des „eídos“ gewissermaßen gegenüber. Unter „eídos“ verstand Aristoteles nun die „Form“ eines sinnlich wahrnehmbaren Einzeldings, die als Formursache der Materie ihre Gestalt verleiht, ihr gleichsam innewohnt und die von der Materie nicht zu trennen ist.
Die Differenzierung durch Aristoteles war notwendig, um eine seiner Ansicht nach noch unvollkommen gebliebene Vorstellung von der Substanz zu korrigieren. Damit trat er einer möglicherweise verkürzten und somit falschen Vorstellung von einer linearen Sicht auf die Ideen entgegen. Nach der Prinzipienlehre entsteht die Substanz mit der Zahl Vier. Alle Substanz ist Ausdruck der Zahl Vier. Mit ihr tritt das allgemeine Sein in das spezielle Sosein. Mit ihr beginnt die Existenz im konkreten Sinn und somit die Schöpfung. In diesem Sinne ist die Zahl 4 nicht nur etwas völlig Neues (d.h. ein neuer Beginner: 1➜4) sondern auch der Urgrund der Schöpfung als solche. Dieses Muster war eine Grundvorstellung in der Akademie und einte auch Platon und Aristoteles. Die aristotelische Differenzierung zielt nun auf die der Vier „vorangehende“ Trias, die Aristoteles offenbar besser verstanden wissen will.

Abb. 6 Die Vierzahl im Bild der Zahlendreiecke. Sie enthebt sich einer linearen Interpretation und verkörpert den Ursprung im Konkreten (analog der Natura naturans).
Aristoteles wendet sich mit Recht gegen die Vorstellung der „Trias“ in einem linearen Sinn, bei der man die ihr zugehörigen drei Elemente gewissermaßen (zurück-) zählend interpretiert (… 3-2-1). Er möchte die Trias als eine erste Ganzheit (r) stehen lassen und sie der Linearität entheben. Sie steht für das Prinzip des Ursprungs an sich (s. Abb. 6).
Die aristotelische Differenzierung verhindert, die Ideen Platons so zu interpretieren, als ob sie der Substanz zeitlich oder räumlich vorausliegen würden. Zeit und Raum entstehen erst mit dem Archetyp der Vierzahl. Man kann sie nicht, ohne einen Irrtum zu begehen, in seiner Vorstellung in die Trias zurückzutragen.
Aus solcher Erkenntnis heraus kann man nicht mehr sagen, dass die ideenhaften Urbilder „hinter“ den sinnlich wahrnehmbaren Objekten und gleichfalls außerhalb ihrer existieren. Vielmehr liegen sie in den Dingen selbst. Die Differenzierung durch Aristoteles stellt noch einmal klar, dass die Ideen nichts Trennendes und nichts von den Dingen Getrenntes sind und keine eigenständige Anderswelt repräsentieren sondern die Grundkonstitution der Existenz, die Natur der Natur („natura naturans“)ˣ beschreiben.
Die Kenntnis der Archetypen führt Aristoteles und Platon zusammen. Platon unterscheidet zwar noch zwischen den Ideen, die dem Geistigen und somit der Zahl 3 zugehören und den konkreten Formen, welche „erst“ durch die Zahl 4 erscheinen. Doch manifestiert sich jede Zahl schon in ihrem Begriff immer auch als Form. Inhalt und Form, Zahl und Erscheinung, Geist und Substanz sind in der Zahl eines. Diese Leistung erbringen zu können, zeichnet das Bewusstsein (5) aus.
In der Prinzipienlehre werden die Ideen über die Zahl Drei als reine Funktionsprinzipien begriffen. Doch treten sie über die Formen in Erscheinung, wirken in ihnen und sind von ihnen nicht zu trennen. Das weiß auch Platon. So nimmt er beispielsweise im Dialog Philebos eine Einteilung alles Seienden vor, welche konsequenterweise und explizit 4 Gattungen aufweist: (1) Das Unbegrenzte, (2) das Begrenzte, (3) die Ursache ihrer Vermischung und (4) das aus beiden sodann Gemischte.ˣⁱ
Die scheinbare Differenz zwischen Platon und Aristoteles klärt sich an der Frage der Beziehung von Geist und Substanz, der fundamentalen Frage aller Philosophie. Kein Philosoph vermag die Frage abschließend zu klären, sofern er nicht über eine wirkliche Metaphysik verfügt, anhand derer er die Entitäten Geist und Substanz einer verbindlichen Ordnung zuführen kann. In der platonischen Akademie hat diese Aufgabe die sogenannte Prinzipienlehre übernommen.
Kennt man die Prinzipienlehre nicht, so wird man nicht nur die Ausführungen Aristoteles gegenüber Platon falsch einordnen. Man wird wegen des – im umfassenden Sinn – gewichtigen Materiebezuges den aristotelischen Ausführungen einen Vorzug geben und die Welt in ihrer Vierheit und Vielheit endlos ausdeuten, ohne die hinter ihr wirkende Drei-Einheit auf rechte Weise zu würdigen. So geschah es in der scholastischen Theologie des Mittelalters. Sie bezieht sich im wesentlichen auf Aristoteles und hat – wie beispielsweise Thomas v. Aquin – nahezu alles ausdifferenziert. Erst Nikolaus von Kus (Cusanus)ˣⁱⁱ hat der ausufernden Scholastik mit dem Gedanken der „Coincidentia oppositorum“ (Gott ist der Zusammenfall der Gegensätze) einen Gegenpol gesetzt und die Dreizahl entsprechend gewürdigt. Die Einheit führte wieder Regie. Cusanus hat dem entsprechend angemahnt, dass die „höchste Wahrheit leicht zu erfassen“ und eine „gute Theologie kurz und leicht“ sei.