Das Alte Testament beginnt seine Erzählungen mit dem allgemeinen Götterbegriff ELOHIM und entfaltet diesen dann in aufeinander aufbauenden Erzählungen entsprechend des Reifegrades der auftretenden Subjekte. Die wechselnden Subjekte haben ebenso wechselnde Beziehungen zu der herrschenden Gottheit. Auch die Bezeichnung der Gottheit passt sich auffällig den wechselnden Aspekten an. Zwischen der Gottheit und den Menschen werden immer wieder neue Bünde geschlossen. Gottheit und Mensch sind aus der Perspektive ein „Brüderpaar“.
Der Mensch aber will über sich und seine Existenzebene hinausdenken und Anschluss an ein Höheres bekommen, das jede von ihn vorstellbare Subjektivität übersteigt. Das verändert auch die Vorstellung von der Gottheit und verbietet endlich eine Vorstellung über sie. Im System der Archetypen ist das Göttliche in der Dreizahl und ihrem Erhabensein angesiedelt. Schon das Alte Testament führt endlich in diese Höhen, auch wenn es scheinbar nur die Interaktionen von Subjekten thematisiert. Dass dies so ist, das zeigt der Dekalog (10 Gebote), das inhaltliche Zentrum des Alten Testaments. Er deckt, wie wir sehen werden, das wahre Wesen der Gottheit auf.
Das erste Gebot des Dekalogs besteht nach jüdischer Ordnung aus neun hebräischen Wörtern. Sie entsprechen den grundsätzlichen neun Archetypen des hebräischen Alphabets.
Ich 1/ JHWH 2/ dein-Gott (1-30…) 3/ der 4/ ich-herausgeführt-dich 5/ aus-Land 6/ Ägypten
7/ aus-(dem)Hause 8/ der-Sklaverei 9/. (Ex 20,2 und Dtn 6,6)
Gegenstand des ersten Gebots ist das Befreien! Es bildet mit dem fünften der neun Wörter dem „ich-führe-dich-heraus“ auch dessen geometrisches Zentrum. Das Prinzip des Befreiens führt die Regie, die Regie über die notwendig existierende Menge und Fülle, durch welche einerseits eine Welt überhaupt erst existieren kann und von der sich andererseits das Subjekt zugleich bedroht fühlt.
Das Verknüpfen des Gebots mit den Archetypen des hebräischen Alphabets transportiert die Botschaft, dass der Weg der Befreiung des Menschen in der Ordnung der Archetypen niedergelegt ist.
Wie jeder Weg beginnt auch dieser mit einer deutlich gerichteten Polarität. Das erste Wort des ersten Gebots ist „Ich“. Die Gottheit sagt zweimal und auf zwei verschiedene Weisen „ich“. Sie ergreift die Polarität in ihrem Wirken auf sich selbst und erfasst sie somit in ihrer Wahrhaftigkeit. In der Mathematik erleben wir den Vorgang im Entstehen eines Quadrats. Wie der Einheitskreis das Quadrat der Fläche 2 einschließt, so schließt die zweimal „ich“ sagende Gottheit den so manifestierten Widerspruch in sich, in der Einheit und Vollkommenheit ein (Abb. 3).

Abb. 3 Die Welt (4 / Quadrat) wird vom Göttlichen (Einheitskreis / r = 1), der Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit umschlossen.
Das erste Gebot formuliert in seinem Umgang mit der Polarität das, was schon der erste Buchstabe des Alphabets, das Alef (א) lehrt. Sein Symbol ist das Haupt eines Stiers. Es fasst zwei Pole (die Hörner) zu einem Ganzen zusammen.
Dem ersten Gebot folgt eine Neunheit von Geboten. Das Erste und die ihr nachfolgende Neun bilden wiederum eine Polarität – analog Anfang und Ende eines Ganzen. Da das „Ende“ und Zweite wie schon das erste Gebot aus neun Teilen besteht, entsteht formal eine fraktale Ordnung. Wie die im hebräischen Alphabet enthaltene Flussform der Zahlen, entwickeln sich auch die Gebote prinzipiell fraktal fort.
Der aus neun Geboten bestehende zweite Teil, enthält 13 besonders vehemente Verneinungen im Sinne eines „keinesfalls“. Diese NEIN stehen für die existierende Welt (4 = 1 + 3 13), in welcher die Gottheit JHWH (10-5-6-5) herrscht. Diese Welt ist es, die den Menschen (5) Kopfzerbrechen bereitet. Die Gottheit JHWH bringt die Lösung, denn sie übersetzt das Gesetz des Logos (1 + 2 4) in die Welt des Bewusstseins (5). Im Namen JHWH werden anstatt der abstrakten Gegenpole 1 + 2 nun sich gegenüberstehende Subjekte (5) zu einem größeren Ganzen (10) verbunden, denn die den Namen darstellenden Zahlen führen in der Übersetzung des Logos zu der Formel 10 = 5 + 5.
Wie sich schon das fünfte Wort des ersten Gebots aus der Neunzahl der Wörter erhoben hat, so erhebt sich auch das 5. Gebot im Dekalog. Die Fünf erhebt sich durch ihre verbindende und verbindliche Funktion. Darin ist sie radikal im eigentlichen Wortsinn. Sie stellt die Verbindung zum ersten Gebot, dem Gebot des Befreiens her und verbindet darüber hinweg alles, sogar das Rationale mit dem Irrationalen.
Das 5. Gebot enthält wie das erste keine Verneinung. Dabei es setzt bewusst das Prinzip der Addition ins Bild, das der Kern des Logos (1 + 2 4) ist. Vater (1) und Mutter (2) sind die beiden Ur-Pole, die durch ihr Voneinander-Getrenntsein existieren und gerade dadurch die Fortentwicklung bewirken. Darüber hinaus ergreift das Gebot nicht nur die von Vater und Mutter dargestellte horizontale Polarität, sondern auch die vertikale Polarität, die in der Beziehung der Gegenwarts-Generation zur Eltern-Generation zum Ausdruck kommt. Das in den 13 Verneinungen herausragende, bewusste Subjekt (5) überschaut die unterschiedlichen Dimensionen und verbindet sie zum ersehnten Ganzen.
Das einem Fraktal ähnliche Zusammenspiel von unterschiedlichen „Bewusstseinsgenerationen“ wird an der Spiegelbeziehung von 5 und 13 erkennbar. Man kann sie in der Flussform der Zahlen nachvollziehen. Für sie gibt es ein eindrucksvolles geometrisches Gleichnis, das sogenannte Stifelsche Quadrat. Dabei handelt sich dabei um ein sogenanntes, magisches Quadrat der 5. Ordnung. In seinem Zentrum steht die Zahl 13. Das Stifelsche Quadrat zeichnet sich dadurch aus, dass es in seinem Inneren wiederum ein magisches Quadrat der 3. Ordnung enthält.

Abb. 4 Das Stifelsche Quadrat ist ein magisches Quadrat der 5. Es enthält in seinem Inneren wiederum ein magisches 3er-Quadrat. Dessen Zentrum ist ein bekanntermaßen die Zahl 5.