Was diese Zahl erzählt:

Was diese Zahl erzählt:

Der Name NAHOR und die Zahlenfolge 50-8-6-200

von Michael Stelzner

NAHOR ist der Bruder ABRAMs und der zweite Sohn des TERACH. Nach TERACH ist die siebte Toledot benannt, welche die Erzählungen über ABRAHAM enthält und welche zur Grundlage der sogenannten abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) wurde. Will man verstehen, weshalb diese so wichtige Toledot den Namen TERACHs und nicht den ABRAHAMs trägt, so muss man das Wesen der Sieben verstehen, das im Wesen des TERACH beschrieben wird. Seine drei Söhne ABRAM, NAHOR und HARAN stellen den Umgang der Subjekte mit dem Prinzip des unberechenbaren Jenseitigen und Göttlichen aus drei Zeitperspektiven vor.

Die ABRAM-Erzählungen beleuchten das Dasein des bewusst lebenden Menschen in der sich ihm offenbarenden, vielfältigen Gegenwart. Die Erzählungen über HARAN hingegen formulieren das Erleben unter dem Gesichtspunkt des Fließens (3) und der unentwegt in die Gegenwart hereinbrechenden Zukunft. Seine zwei Aspekte, das Vergehen (-3) und das Werden (+3) verbinden jede Existenz sichtbar mit dem Tod. Der Name HARAN wird deshalb in Bezug auf das akkadische „harrānu“ zumeist mit „Reise“ oder „Karawane“ übersetzt. Unter diesem Bild stirbt auch die Person HARAN vor dem Angesicht seines Vaters TERACH. Der Tod des Sohnes ist für den Vater TERACH der Anlass, in einer Gruppe von vier Personen die Mondstadt UR in Richtung KANAAN zu verlassen. Die Vier brechen auf, um das ihnen zur Einheit und Ganzheit nun Fehlende zu finden.

NAHOR der zweite Sohn TERACHs ist beim Auszug aus UR nicht dabei. Er fehlt. Er fehlt, weil bei ihm dem Zweiten der Brüder keine Notwendigkeit besteht, auszuziehen. Er verkörpert das Andere und Fehlende (2) selbst. So steht der Name NAHOR für das erhobene und geadelte Andere und Weibliche. Deutlich wird das zum einen durch seinen auf die Vergangenheit bezogenen Namen und zum anderen durch den Namen seiner Frau Milka, der „Königin“ bedeutet. NAHOR trägt den Namen seines Großvaters, also den des dritten Geschlechts nach PELEG. Zu PELEGs Zeiten wurde die Erde gespalten (Gen 10:25). Seine Nachkommen verkörpern insofern das vorantreibende (+3) Spalten (2 bzw. -3). In seinem dritten Nachfolgeschlecht, dem Geschlecht des (Großvater) NAHOR wird es fruchtbar. NAHOR manifestiert das vierte Geschlecht nach PELEG. Er zeugt den TERACH, den Vater der siebten biblischen Toledot.

Der Großvater NAHOR wurde von SERUG in dessen 30. Lebensjahr gezeugt. Das Zeugungsalter berichtet von der Herrschaft einer vollkommenen Ordnung (12). Die Zahl 30 ist der Zahlenwert des 12. hebräischen Buchstabens. Sein Symbol ist der Ochsenstachel, ein die Erd- und Ackerkräfte dirigierendes Instrument, das aus einer höheren Dimension heraus in das Geschehen der Welt eingreift. Der Ochsenstachel wird in seiner lenkenden Funktion zum Garanten für die Ganzheit, obwohl er aus der Erdperspektive das Abweichende und Fehlerbehaftete anschaulich macht. Diesen Widerspruch verkörpert NAHOR. Selbst mit 30 gezeugt, zeugt er nun mit 29 und somit im Angesicht seines Zurückbleibens hinter der sichtbaren Ganzheit. Was wie ein Mangel erscheint, ist in Wirklichkeit eine besondere Qualität der Wirklichkeit. NAHOR adelt die Zwei, das Zweite, Zweigeteilte und das scheinbar Mangelbehaftete.¹

In der Zeugung von TERACH durch NAHOR manifestieren sich zwei Qualitäten, die der Vollkommenheit und die des bewussten Zurückbleibens. TERACHS Söhne ABRAM, NAHOR und HARAN entfalten sie weiter. Wenn NAHOR zurückbleibt und nicht mit ABRAM und dem VATER TERACH mitzieht, ordnet er der Zwei bewusst ihre Funktion zu und adelt sie im höchsten Maße. Im bewussten „Zurück“ des Zweiten übertrifft er das Verhalten des erstgeborenen ABRAM. Seine Frau MILKA, die „Königin“ ist fruchtbar und übertrifft noch die „Fürstin“ SARAI mit ihrer vorübergehenden Unfruchtbarkeit.

Das Wesen des Zweiten und seine rückwärtige Orientierung bauen auf dem Wesen des Erstgeborenen auf. ABRAM und die Zahlenfolge 1-2-200-40 seines Namens erzählen von der bewussten Rückverbindung der Zwei zur Eins. NAHOR der Zweite entfaltet sie in eine zusätzliche Dimension. ABRAM ist der Mensch der Gegenwart, der das Wissen direkt umsetzt und die Grundlage der Religion erschafft. NAHOR greift darüber hinaus und thematisiert die Dimension der Vergangenheit (2), die ebenso von der Einheit und Ganzheit (1) durchdrungen ist und in die Gegenwart hineinwirkt.

Die Bedeutung der Zahlenfolge des Namens NAHOR (nrwj / 50-8-6-200) ist nicht so offensichtlich wie die des ABRAM. Sie bedarf der Rückschau zu früheren Erzählungen, insbesondere zur Rückschau auf die Erzählungen von NOAH in der dritte Toledot, in der das Land KANAAN und dessen negative Konnotation erstmals erwähnt werden, dessen Erschließen aber in der siebten Toledot zum Ziel erhoben wird.

In der NOAH-Erzählung entsteht durch das Erheben der Menschen eine neue Kultur. NOAH macht aus den Ackerboden Weinberge und erzeugt mit dem Wein einen anderen und neuen Geist, der ihm Unannehmlichkeiten und Zwist beschehrt. Als sein zweiter Sohn HAM die Blöße NOAHs aufdeckt, verdecken der Erste und der Dritte, SEM und JAFET sie mit ihrem Obergewandt und gehen „rückwärts“, um der Blöße des Vaters nicht ansichtig zu werden. Die Bewegung „rückwärts“ (tynrja / 1-8-200-50-10-400) lagert auf zwei Schultern. Das Wort wird zweimal gebraucht (Gen 9:23) und zwei Perspektiven sind nötig, um es zu durchschauen. Wie im Beispiel des Dreiecks die Eins eine andere Dimension vorstellt als die Drei, muss der das Wort Auslegende auf ein Wissen zurückgreifen, das erst in späteren Erzählungen vermittelt wird. So finden wir im Namen NAHOR (50-8-6-200) die Buchstaben des in der NOAH-Erzählung gebrauchten „rückwärts“ (1-8-200-50 … ) in einer veränderter und scheinbar „fehlerbehafteten“ Folge“. Auch fehlt dem in UR „zurückbleibenden“ NAHOR sowie seinem mit 29 Jahren zeugenden und gleichnamigen Großvater die sichtbare Ganzheit (1) in Form einer vorangestellten, regieführenden Eins. Der hier aufgedeckte Zusammenhang ist ein wahrscheinlich bewusst zweifelhaft gestalteter, wie auch das spätere Zurückbleiben des NAHOR anfangs zweifelhaft erscheint. Das erlösende Verbindungsstück finden wir in einer dritten Form der Buchstabenkombination in Gen 49:17. Dort wird sie wieder in der eindeutigen Bestimmung von „zurück / rückwärts“ (rwja / 1-8-6-200) gebraucht, bindet aber das „Zurück zum Vergangenen“, wie es NAHOR symbolisiert ein. Diese dritte Form des „zurück“ schließt nicht nur an die erste aus der NOAH-Erzählung an, sondern stellt ihr vor allem auch die regieführende Eins voran, wie sie im Namen des erstgeborenen ABRAM (1-2-200-40), dem Religionsbegründer sichtbar wird.

Das Beispiel zeigt, dass die Betrachtung der Buchstaben- und Zahlenfolgen von Namen über die linearlogisch strukturierte Etymologie hinaus geht. Das ist auch die Botschaft des NAHOR. Ist man erst einmal im Besitz des Wissens, dann findet man oft auch zusätzliche etymologische Belege für die Verwandtschaft von scheinbar nicht verwandten Begriffen. So ist es auch im Falle der im Namen NAHOR (nrwj / 50-8-6-200) enthaltene Zahlenfolge 8-6-200 (rwj). Sie trägt beispielsweise die Bedeutung von „weiß sein“, drückt aber zugleich das „Erbleichen“ aus, wie es im Tod einer Person ansichtig wird (s. Jes 24:6). In NAHOR wird das Eine und das Andere ansichtig. Das Zweite begründet sich im ihm vorangehenden Ersten, so wie das „Verbleichen“ aus dem „Weiß-Sein“ und der Tod aus dem Leben erwachsen.

Bei der oberflächlichen Betrachtung von NAHOR dem Zweiten fällt durch dessen Zurückbleiben in UR das Wesen der Zwei im Sinne der Verneinung ins Auge. In Wirklichkeit beruht sein Wesen auf der wahren Qualität der Zwei und die ist ganzheitlicher Natur. In NAHOR scheint die Dreieinheit auf. Der Zweite bringt wie schon ABRAM (1-2…) die Einheit und Ganzheit (1) zur Anschauung und verkörpert darin eine Dynamik (3). Sein Wirken besteht, wie es auch sein Name zeigt, in einer Hin- und Rückwendung zu vorangehenden Qualitäten, die in ihm auf neue und polare Weise aufscheinen. Der vordergründig zurückgewandte Aspekt täuscht die Herrschaft von Zwietracht vor.

Bei der oberflächlichen Betrachtung von NAHOR dem Zweiten fällt durch dessen Zurückbleiben in UR das Wesen der Zwei im Sinne der Verneinung ins Auge. In Wirklichkeit beruht sein Wesen auf der wahren Qualität der Zwei und die ist ganzheitlicher Natur. In NAHOR scheint die Dreieinheit auf. Der Zweite bringt wie schon ABRAM (1-2…) die Einheit und Ganzheit (1) zur Anschauung und verkörpert darin eine Dynamik (3). Sein Wirken besteht, wie es auch sein Name zeigt, in einer Hin- und Rückwendung zu vorangehenden Qualitäten, die in ihm auf neue und polare Weise aufscheinen. Der vordergründig zurückgewandte Aspekt täuscht die Herrschaft von Zwietracht vor.

Der zweite Sohn des TERACH trägt nicht aus profanen Gründen den Namen seines Großvaters. Vielmehr wird durch ihn der/das Zweite mit dem Wesen der Drei verbunden. Der Großvater ist die dritte Nachfolgegeneration des PELEG (s.o.). Die so entstehende Verbindung des Wesens der Drei mit dem Wesen der Zwei bringt die Funktion Sechs hervor. Tatsächlich scheint die in NAHOR auf. Zählt man vom Großvater NAHOR, dem dritten Nachfolgegeschlecht des PELEG die ihm nachfolgenden Väter durch, so ist (der zweite) NAHOR ein Zweiter (des TERACH) und zugleich Sechster: PELEG → (1) REGU, (2) SERUG, (3) NAHOR, (4) TERACH → (5) ABRAM, (6) NAHOR, (7) HARAN †.

Durch NAHOR, dem zweiten Sohn des TERACH erscheint die Frucht erzeugende Sechs (siehe Symbolik 2→6). Das hebt der biblische Text in Gen 22:20-24 hervor, indem er die Nachkommen von NAHOR in einer auffälligen Weise benennt, denn er basiert auf eigenartigen Unterscheidungen (2). MILKA die „Königin“ gebärt ihm 8 Kinder: UZ, BUS, KEMUËL, KESED, HASO, PILDRACH, JIDLAF, BETUËL. Der Text zählt nicht nur auf, sondern nennt ausdrücklich Zahl Acht. Das Zeichensymbol für die Zahl 8 ist der „Zaun“. Der Zaun transportiert die Botschaft einer für niedere Dimensionen nicht erkennbaren aber doch fruchtbaren Grenzziehung (s.a. „Nacht“, Achtung u.ä.) und die des hierarchischen Zusammenwirkens von Unterscheidung (2) und Funktion (3), wie es die Potenzschreibweise der Acht zeigt (8 = 23). Die aus der herkömmlichen Dimension nicht erkennbare aber wirkungsvolle Funktion (3) setzt der Text über die Anzahl der drei Kinder (TEBACH, GAHAM, MAACHA) der Nebenfrau RËUMA ins Bild.

Die insgesamt 11 Kinder bleiben bei einem ersten Blick hinter der Zahl 12, der Zahl der Ordnung zurück und scheinen einen Mangel anzuzeigen. Das ist für NAHOR charakteristisch (s.o.). In Wirklichkeit handelt es sich um das Zusammenwirken zweier voneinander unterschiedener Dimensionen, bei dem schnell der trügerische Eindruck entsteht, es herrsche Unordnung, Willkür oder Bösartigkeit, wie das in den späteren Handlungen von REBEKKA, der Mutter der Zwillinge ESAU und JAKOB der Fall ist.

Der Text um die Nachkommen des NAHOR korrigiert umgehend den unrichtigen Eindruck und nennt zu den 11 Söhnen zugleich einen 12. Namen, den von REBEKKA als die Tochter des BETUËL. Die nachgeschobene Korrektur erfolgt über eine Frau! Das ist die entscheidende Botschaft des Wesens von NAHOR, des Zweiten und des Weiblichen! NAHOR erhebt die Zwei und erstellt so eine Ordnung höheren Grades.

Die Qualität des Erhebens der Zwei erfüllen bei genauerem Hinsehen jedoch alle drei Söhne TERACHs. Selbst der bereits gestorbene HARAN bringt über die gleichnamige Stadt das in der Welt der Lebenden Fehlende zurück. Das lebende Geschwisterpaar ABRAM und NAHOR erfüllen ihre Aufgabe durch ein gegenläufiges Verhalten. Der eine zieht aus und der andere verbleibt. Doch beide erfüllen die Qualität des Erhebens der Zwei. Sie teilen das Wissen und die Gewissheit um das alles beherrschende Prinzip des Erhebens, das in der Zahl Drei verankert ist und die Grundlage des Gottesverständnisses liefert. Das reflektiert der biblische Text, wenn er die zumeist auf den Gott ABRAHAM reduzierte Gottheit an anderer Stelle „den Gott ABRAHAMs und den Gott NAHORs“ nennt (Gen 31:53). Die Brüder zeigen auf vielfältige Weise, dass auch rechtes Tun Hierarchien abbildet.

Die rechte Hierarchie hat fraktale Struktur und wiederholt sich in allen Blickebenen. Auch die „Bleibenden“, die zwei nicht aus UR wegziehenden Brüder HARAN und NAHOR erfüllen auf unterschiedliche Weise die Herausforderung durch das Andere. Sie gehören UR, der Mondstadt ureigens an und müssen deshalb nicht wegziehen. Die Ausziehenden hingegen entdecken das Andere – das ihnen Fehlende – in der Fremde in Form einer Substanz. Sie kommen in die Stadt HARAN, die später auch als die „Stadt NAHORs“ bezeichnet wird (Gen 24:10; ). Sie wird später so bezeichnet, obwohl NAHOR einst in UR zurückgeblieben war. Auf diese Weise wird die Stadt HARAN alias NAHOR als ein Ort des Bewahrens beschrieben. Sowohl NAHOR als auch HARAN setzen eine Daseinsart des Bewahrens im Sinne des Vorrangs der Addition vor der Negation ins Bild.

Fußnoten

¹ Die 29 berichtet vom relativen Zurückbleiben eines archetypisch Zweiten gegenüber dem Ersten. Die vom göttlichen Ochsenstachel angetriebenen Erdkräfte, die Ochsen folgen der Richtungsweisung, haben ihr gegenüber jedoch zeitlich und inhaltlich einen Schlupf. Der ist lebensnotwendig und erfüllt das konkrete Dasein mit Fruchtbarkeit (9) analog dem Verhältnis von Samen und Frucht oder auch dem vom Subjekt und der Gebärmutter (9), in welcher der Samen scheinbar „untergeht“, schließlich aber doch zu einem neuen Subjekt führt.

So stehen beispielsweise vor 29 der insgesamt 144 Koran-Suren geheimnisvolle „Koran-Initialen“, deren Bedeutung niemand kennt. Sie sind ein offenbarter Teil der Schrift und müssen immer mitrezitiert werden. Der Vers 29 der Sure 29 öffnet dem höheren Bewusstsein einen Spalt zu deren Bedeutung. Er lautet: „Mein Herr, hilf mir gegen das Volk der Verderbensstifter.“ Der Vers berichtet von Zweierlei! Er berichtet darüber, dass das Wesen der Zwei und des Zweifels existiert, und er berichtet darüber, dass es nicht dazu führen darf, Verderben zu stiften.

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