Was diese Zahl erzählt:

Was diese Zahl erzählt:

Sieben – die fruchtbare Nichtberechenbarkeit, die Gottheit

von Michael Stelzner

Vorbemerkung:

Dies ist eine ergänzende Ausführung, welche das Wissen um die Flussform der Zahlen und um das Wesen der Sieben, wie es die nachstehende Abbildung wiedergibt, voraussetzt.

Die Siebenzahl steht für das Jenseitige, Nichtberechenbare also Irrationale. Ordnet man das Menschliche dem Diesseits zu, so entspricht das Irrationale dem Jenseitigen und Göttlichen. Die Verbindung des Irrationalen und Göttlichen zur Zahl Sieben ist aus dem Volksmund und der Mythologie sattsam bekannt. Die Trennung von Diesseits und Jenseits ist aber für das menschliche Bewusstsein, das prinzipiell auf Einheit und Ganzheit ausgerichtet ist, höchst unbefriedigend, sofern der Gegensatz nicht zugleich auf ein verbindendes Drittes verweist und damit dem Menschen eine Orientierung gibt. Erst mit dem Hervortreten jenes Dritten erreicht der Mensch ein Bewusstsein, welches den von ihm wahrgenommenen Mangel des Diesseits überwindet.

Der Konflikt zwischen dem Rationalen und dem Irrationalen bricht über die Zahl Sieben auf. Das wird deutlich, wenn wir den Begriff der Irrationalität deuten. Der gemeine Verstand erfasst unter ihm Sachverhalte, welche der menschlichen Vernunft widersprechen oder sich ihr entziehen. Die Mathematik hingegen fasst ihn enger und schließt die ins Unendliche laufenden, periodischen Zahlen in ihrer Definition aus. Zu ihnen gehören beispielsweise auch die Brüche der Siebe. Gerade sie aber eröffnen ein Fenster, um die Grenzen der Vernunft zu erfassen, weil sie einerseits durch ihre Periodizität den Bezug zur Rationalität herstellen und andererseits durch ihre Unendlichkeit eine Brücke zum Unfassbaren errichten. Das „Sowohl-Als-Auch“ der Sieben und ihrer Brüche aber verbirgt gerade den Schlüssel, um dem Irrationalen näher zu kommen und mit ihr die gewohnte Rationalität zu erweitern. 

Die Sieben hat Anteil an zwei Welten. Die Sieben ist der Repräsentant des Irrationalen und sie ist in dieser Funktion selbst eine ganze und rationale Zahl. Die Irrationalität wird durch die rationale, real existierende Zahl Sieben zum Ausdruck gebracht. Das bedeutet: Die Sieben realisiert die Irrationalität, d.h. sie vergegenwärtigt sie. Die Sieben erfasst nicht nur den Widerspruch, sondern stellt in ihrer Funktion auch die Einheit wieder her. 

In der Sieben bricht der Konflikt zwischen dem Rationalen und dem Irrationalen nicht nur auf. Sie löst ihn auch zugunsten der Einheit und Ganzheit. Die Sieben ist der Garantiegeber der Einheit und Ganzheit und das über den denkbar größten Gegensatz hinweg, den Gegensatz von Denkbarem und Undenkbarem. Die Sieben führt auf der Ebene des Bewusstseins das aus, was das Prinzip der Triade ganz allgemein beschreibt. Es ist die Tatsache, dass es immer der Polarität bedarf, um die Einheit erscheinen zu lassen; immer wird das Eine (1) durch das Andere (2) offenbar. In der Sieben aber nun wird das Geschehen maximal erweitert und zugleich durch das (subjektive) Bewusstsein reflektiert. Das Bewusstsein schaut auf die Einheit und Ganzheit und subjektiviert sie und ihr Wirken. Auf diese Weise tritt im Bewusstsein des Menschen die Gottheit hervor.

Der Vorgang der Subjektivierung der Einheit und Ganzheit über die Sieben macht sie begreifbar und nimmt ihr den drohenden Charakter. Der Blick des Subjekts, der drohte, sich beim Anblick der Einheit oder des Irrationalen zu verlieren, kehrt um und wendet sich selbst und der Welt und ihren Dingen (4) zu.

Die Umkehr (Metanoia) des Blicks macht deutlich, dass Gesetze existieren und notwendig sind und dass deren bewusstes Befolgen den Schauenden verändert. Jene Einsicht ist der Nährboden sowohl für die Religionen als auch für die Naturwissenschaften. Sie wiederum folgen dann gern linearlogischen Mustern und übersehen auf ihre Weise so doch wieder die hinter allem stehende Trias. Bei den Religionen und ihren Kriegen ist das offensichtlich. Doch gilt das auch für die Naturwissenschaften. Auch sie richten nach ihrer Konfrontation mit dem Unendlichen ihren Blick wieder auf die Dinge und erfassen das Irrationale und Unendliche in Zeichen und Formeln und lernen über feststehende Gesetze mit ihnen umzugehen. Als Beispiel sei hier die Raumzeitformel (Raum2 + Zeit2 = Raumzeit2) genannt, welche das mathematische Verhältnis von Raum und Zeit erfasst, sich inhaltlich aber nicht deren Grund zuwendet. Der besteht in der Botschaft des Pythagoras. Die Pythagoreer hatten die 12gliedrige Messschnur (Linie) zum Dreieck (Fläche) der Seitenlängen 3+4+5 geformt und auf „rechte Weise“ die Archetypen 3 (Geist) und 4 (Substanz) verbunden. Sie haben in dem geometrischen Gleichnis das Gesetz des Entstehens einer neuen Dimension niedergelegt und bildhaft das Wesen des Bewusstseins (5) erfasst. Die Grundlage all dessen war die geistige Umsetzung der Trias.

Die dritte Sichtweise ist die archetypische. Auf ihr beruht das Dreieckmuster der Zahlen und deren Flussform und schließlich die aus ihnen entwickelten Weisheitslehren. Die fliehen nicht vor dem Widerspruch von Rationalität und Irrationalität, der die Menschen in ihrer Existenz scheinbar bedroht, sondern greifen ihn auf und verbinden die Gegensätze unter dem Vorbild der Sieben. Das Begreifen ihres Wesens macht klar, dass die Erlösung von den höchsten Gegensätzen weder von der Rationalität noch von der Irrationalität allein erwirkt wird. Anstatt der „fixen Dinge“ tritt hier die Funktion, d.h. die „Beziehung und die Berührung“ in den Vordergrund. Die Konfrontation der Irrationalität mit Hilfe der Zahlen, der „gezählten Rationen“ führt über deren Symbolik zu einer neuen Sicht. Moderne Naturwissenschaften wie die Quantenphysik und die aufkommenden Informationswissenschaften verlangen nach ihr. Nicht die Dinge sind das Primäre unserer Welt, sondern die Inhalte und Prinzipien die etwas bewirken – eben die Wirklichkeiten. Welche das sind, das erfahren wir über die „Flussform der Zahlen“, über deren Dreieckstruktur und insbesondere über die Sieben, welche das dritte große Dreieck eröffnet (siehe obige Abbildung).

Inwiefern das Irrationale ein Funktionelles und Wirkendes (III) ist, wird an den irrationalen Zahlen deutlich. Irrationale Zahlen sind weder ganze Zahlen noch lassen sie sich durch einen Bruch von ganzen Zahlen darstellen. Eine solche irrationale Zahl ist beispielsweise 2 (1,414…). Die Zahlenfolge dieses Wertes ist unendlich lang und nicht endgültig berechenbar. Der Wert 2 ist die Diagonale des Einser-Quadrats der Seitenlänge a = 1. Der Wert ist eine Qualität. Ihr Signal jedoch kommt aus einer Quantität, nämlich aus der nicht endenden Folge 1,414… Die Quantität macht die Qualität sichtbar. Analoges geschieht in umgekehrter Weise in der Siebenzahl. Sie selbst ist für uns zunächst eine rationale, ganze Zahl. Sie führt uns aber in die Nähe des Irrationalen und macht es uns ansichtig. 

Wenn wir das Wesen der Sieben erfassen, dann erfassen wir, dass die Irrationalität nicht einfach nur hingenommen werden will, sondern dazu drängt, ins Verhältnis zur Rationalität gesetzt zu werden. Am Ende geht es darum, das Beziehungsgeschehen zu erkennen. HANS BÖRNSEN macht in seinem Buch „Das geheime Gesetz des Siebenecks“ den Vorgang auf geometrische Weise anschaulich. Er demonstriert, dass der Wert 2 das einfachste irrationale Verhältnis aufzeigt, das wir kennen. Wir nennen 2 (1,414…) eine irrationale Zahl, weil das Verhältnis 2:1  nicht berechenbar ist. Obwohl die Sieben eine rationale Zahl und ihre Brüche periodisch und damit nach mathematischer Definition keine irrationalen Zahlen sind, wird in der Analogie die Sieben zum Urrepräsentant des Irrationalen. In ihr scheint das einfachste irrationale Verhältnis, das Verhältnis 2:1 auf.

Die Geometrie macht anschaulich, dass es die Größe 2 für sich allein nicht geben kann. Sie kann nur unter entsprechenden Bedingungen erscheinen. Die Bedingung ist das Quadrat der Kantenlänge 1. Dessen Quadratseiten kann man ganz einfach mit Zirkel und Lineal erstellen. Die Spurensuche nach der irrationalen Größe 2 ist ebenso leicht. Sie führt zum Wesen der Funktion (III), das nicht allein den Aspekt des Zusammenführens enthält, sondern auch den des Entscheidens für ihn. Das Irrationale ist nicht willkürlich, sondern „bezogen auf“ (siehe Dreieck III). Wenn wir diesen Umstand reflektieren, dann führt er uns zu einer einfachen aber an Konsequenz reichen, philosophischen Schlussfolgerungen: Die uns unangenehme und oft scheinbar bedrohende Irrationalität und ihr Pate „Zufall“, die wir mit Hilfe einer nur werkzeughaften Wissenschaft immer weiter aus unserer Wirklichkeit zu verbannen versuchen, sind selbst Produkte unseres Tuns. Sie werden durch das Tun zwangsläufig erzeugt. Kurzum: Die Sieben ist der Spiegel unserer Existenz, der uns das zeigt.

Fußnoten

¹ Hans Börnsen hat in seinem Buch „Das geheime Gesetz des Siebenecks“, erschienen 1965 im Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart eindrucksvoll nachgewiesen, daß das gleichschenklige Dreieck mit der Basis r und den Schenkeln  r⋅√2  tatsächlich die Möglichkeit einer Reihe höchst einfacher exakter Neusis-Konstruktionen des regelmäßigen Siebenecks erschließt. Für den Geometer werden dort – offenbar erstmals – derartige Beweise und Ableitungen zur Anschauung gebracht.

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